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Reportajes internacionales

The Sky is No Limit!?

de Ton Anthony Tran, Florian C. Feyerabend

Das Weltraum- und Satellitenprogramm Vietnams

Vor 10 Jahren startete Vietnams erster Erdbeobachtungssatellit VNREDSAT-1 mit französisch-europäischer Unterstützung in den Orbit – ein Meilenstein für das aufstrebende südostasiatische Schwellenland

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Fortschrittliche Weltraum-  und Satellitenprogramme haben eine hohe symbolische Bedeutung für die moderne Technologie und gelten als Gradmesser für das Niveau von Wissenschaft und Forschung eines Landes. Laut dem Nationalen Verteidigungsbericht des vietnamesischen Verteidigungsministeriums 2019 ist die Dimension Weltraum ein wichtiger Bereich in den internationalen Beziehungen sowie in militärischen Angelegenheiten und bietet außerdem ein signifikantes wirtschaftliches Potenzial1. Vor diesem Hintergrund hat sich Vietnam in der jüngeren Vergangenheit verstärkt der Weltraum- und Satellitentechnologie zugewandt. Vietnam hat im Bereich der Raumfahrt ein großes Potenzial, wobei zukünftige Entscheidungen richtungsweisend sein werden.

 

Beginn der Raumfahrt und der erste vietnamesische Kosmonaut im All

Die Anfänge der vietnamesischen Raumfahrtgeschichte reichen bis in die 1970er Jahre zurück, als Vietnam noch Teil des sowjetischen Blocks war. Bereits in den 70er und 80er Jahren schickte die vietnamesische Regierung Ingenieure nach Frankreich, Indien und in die Sowjetunion, um ihre Fachkräfte entsprechend auszubilden. Durch die Beteiligung am Interkosmos-Programm, das die Partnerstaaten der Sowjetunion bei der Entwicklung von Weltraumtechnologien unterstütze, wurde der Grundstein für ein vietnamesisches Raumfahrtprogramm gelegt: am 17. Mai 1979 wurde Vietnam zum 9. Vertragsstaat von Interkosmos. In Folge des Beschluss Nr. 454/CP des damaligen Premierminister Pham Van Dong wurde Pham Tuan ausgewählt, in Begleitung des russischen Kosmonauten B.V. Gorbatko am 23. Juli 1980 in das Weltall zu reisen, um wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Damit war Pham Tuan der erste nicht-sowjetische Asiate im Weltraum und ist bis heute der einzige Vietnamese, der jemals die Erdatmosphäre verlassen hat.

Zum Zeitpunkt der Weltallmission von Pham Tuan hatte Vietnam nur zwei internationale Vereinbarungen im Bereich der Raumfahrt unterzeichnet2, was einen Indikator für das geringe Engagement des damals bitterarmen und international isolierten Landes in der Raumfahrtindustrie darstellt. Mit der Auflösung der Sowjetunion und dem wirtschaftlichen Niedergang der Russischen Föderation als Nachfolgestaat geriet auch Vietnams Raumfahrprogramm in eine Krise. Gleichzeitig begann mit den Đổi mới Reformen (ab 1986) eine Liberalisierung, die den Grundstein für den wirtschaftlichen Aufstieg Vietnams legen sollte und im Bereich der Außenpolitik begleitet wurde von einer Normalisierung der Beziehungen zu einer Vielzahl von Staaten. Das Ende der internationalen Isolation ermöglichte bald auch neue Partnerschaften im Bereich der Raumfahrt- und Satellitenprogramme.   

 

Neue Strategie ab 2006 in enger Zusammenarbeit mit Japan

Auf Wunsch des damaligen Premierministers Phan Van Khai wurde im Juni 2006 die „Strategie für die Erforschung und Nutzung von Raumfahrttechnologien für Vietnam bis 2020“   vorgestellt, die der Forschung und Innovation im Bereich der Weltraum- und Satellitentechnologien in Vietnam neue Impulse verleihen sollte.

Ein Vietnam National Space Center (VNSC) soll dabei unter der Vietnam Academy of Science and Technology (VAST) operieren. Das Ziel der Strategie war es bis 2020 eine Weltrauminfrastruktur auszubauen, Programme zur Weltraumtechnologie zu planen und durchzuführen, Personal auszubilden, eigenständig mit anderen Ländern zu interagieren und Visionen in die Realität umzusetzen. Des Weiteren strebte Vietnam an, die junge Bevölkerung für die Raumfahrt zu begeistern und die öffentliche Wahrnehmung der Branche positiv zu gestalten.

Die Strategie wurde gemeinsam mit der Japanese Aerospace Exploration Agency (JAXA) entwickelt, wobei ebenfalls 2006 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit unterzeichnet wurde. Das Ziel war es die bilaterale Kooperation zu stärken und die Entwicklung am Standort Vietnam voranzubringen. Außerdem werden seit 2008 Ingenieure der VAST zur Aus- und Weiterbildung an das Raumfahrtzentrum Tsukuba in Japan entsandt. So haben zum Beispiel zwischen 2011 und 2015 fünfunddreißig vietnamesische Studierende ein Masterprogramm für Satellitentechnologie in Japan absolviert.

Im Jahr 2012 wurde das VNSC Projekt vorgestellt, welches ebenfalls im Rahmen der Zusammenarbeit mit den japanischen Partnern entstanden ist. Das Projekt sah es vor, die technische Infrastruktur zu verbessern, zwei Beobachtungssatelliten mit japanischer Unterstützung und Technologie zu bauen und vietnamesische Fachkräfte auszubilden.

Das Raumfahrtzentrum Hoa Lac Hi-Tech Park in Hanoi wurde 2018 eröffnet, wobei Japan den Aufbau mit 688 $ Million unterstützte3. Das Zentrum fungiert als Ausbildungsstätte für vietnamesische Ingenieure, um von internationalen Vorreitern in der Raumfahrt- und Satellitentechnologie zu lernen. Zudem entwickeln die Ingenieure eine kritische Infrastruktur, um aus Vietnam einen zukünftigen Pionier der Raumfahrt zu machen und die Beziehungen zu regionalen Partnern aufzubauen.

 

Satellitenprogramme mit verschiedenen internationalen Kooperationen

Vietnam betreibt mehrere Satelliten im Weltraum für verschiedene Zwecke. Bereits 1995 wurde das Telekommunikationsprojekt VINASAT-1 vorgestellt. Der Satellit wurde von dem US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtkonzern Lockheed Martin entwickelt und 2008 von der staatseigenen Vietnam Posts and Telecommunications Group (VNPT) in Betrieb genommen.

Das VINASAT Projekt stellt einen Meilenstein in der vietnamesischen Weltraumforschung dar, da nun erstmalig ein eigener Satellit im Orbit betrieben wurde und somit der Anschluss an die internationale Gemeinschaft gelang: vor Vietnam hatten bereits 92 andere Staaten Satelliten im Weltraum in Betrieb genommen; innerhalb der südostasiatischen Staatengruppe war Vietnam das sechste Land mit einem eigenen Telekommunikationssatteliten im Orbit. Ein zweiter Telekommunikationssatellit VINASAT-2 wurde 2012 in Betrieb genommen. Auch dieser Nachfolgesatellit wurde von Lockheed Martin entwickelt und wie sein Vorgänger mit einer Ariane 5 Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartet.

Ebenfalls 2012 schickte das FSpace Weltraumlabor der privaten vietnamesischen FPT University, in Kooperation mit dem Angstrom Space Technology Center (ASTC), der Uppsala Universität in Schweden und Nanoracks aus den USA, vom japanischen Weltraumbahnhof Tanegashima Space Center zwei kostengünstige Kleinsatelliten an Bord der Kounotori 3 zur Internationalen Raumstation (ISS). Jedoch scheiterte die Mission, da der Kontakt verloren ging.

 

Mit französisch-europäischer Unterstützung: Erster Erdbeobachtungssatellit Vietnams im Orbit

Ein weiterer Meilenstein der vietnamesischen Raumfahrt wurde im Folgejahr 2013 mit dem Start von VNREDSAT-1 erzielt. Dieser Erdbeobachtungssatellit wurde vor zehn Jahren, am 7. Mai 2013, vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartet. Es handelte sich dabei um Vietnams ersten Fernerkundungssatelliten, der hochauflösende Bilder übermittelt um die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen, Naturkatastrophen vorhersagen und das Ressourcenmanagement von Vietnam zu verbessern.

Das VNREDSat-1-Programm, das 2010 an den europäischen Luft- und Raumfahrkonzern Airbus vergeben wurde, war das Ergebnis der Initiative der französischen und vietnamesischen Regierungen im Rahmen eines im November 2009 unterzeichneten Entwicklungshilfe-abkommens. Der Vertrag zwischen VAST und Airbus umfasste die Entwicklung, Herstellung und Einführung eines optischen Erdbeobachtungssatelliten, aber auch ein Ausbildungsprogramm von Airbus für vietnamesische Ingenieure sowie Technologietransfer durch berufsbegleitende Ausbildung. Die Mission des VNREDSAT-1 war ursprünglich auf fünf Jahre angelegt, doch auch nach einer Dekade ist der Satellit weiter in Betrieb und hat bei seinen über 53 000 Erdumrundungen mehr als 160 000 Fotos der Erdoberfläche gemacht. Der 150 kg schwere Satellit ist in der Lage, Bilder mit einer Auflösung von 2,5 Metern im panchromatischen und 10 Metern im multispektralen Modus aufzunehmen.

 

„Made in Vietnam“

PicoDragon schließlich war der erste „made in Vietnam“ Satellit und wurde 2013 erfolgreich von der ISS in den Orbit entlassen. PicoDragon wurde von der VNSC gebaut und entwickelt und hatte die Aufgabe Fotos zu machen und Umweltdaten zu sammeln, sowie mit der Bodenstation zu kommunizieren. Die Mission von PicoDragon gilt als Erfolg.

Im Jahr 2012 haben 36 vietnamesische Ingenieure des VNSC zudem den relativ kleinen und nur 50kg schweren Beobachtungssatelliten MicroDragon entwickelt. Zuvor hatten die Ingenieure ihre Ausbildung an fünf führenden japanischen Universitäten erhalten4. Die Hauptaufgabe des Satelliten ist es hochwertige Bilder der vietnamesischen Küstengebiete zu machen, um die Landwirtschaft und Fischerei zu verbessern. Der Satellit wurde im Januar 2019 vom japanischen Weltraumbahnhof aus gestartet.

In Planung sind die Satelliten LOTUSat 1 & 2, die bereits 2011 vereinbart worden sowie VNREDSAT-1b. LOTUSat 1 wird von der Nippon Electronic Corportation (NEC) entwicklet, während LOTUSat 2 in Vietnam gebaut werden soll. LOTUSat soll voraussichtlich im Laufe 2023 gestartet werden. Beide Satelliten basieren auf japanischer Technologie. Die Aufgabe der beiden Radar-Erdbeobachtungssatelliten ist es, Umweltfaktoren und die Auswirkungen des Klimawandels zu dokumentieren.

Der Start von VNREDSAT-1b in Zusammenarbeit mit Spacebel Belgien, der bereits für 2017 geplant war, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Abkommen beinhaltet ebenfalls ein Trainingsprogramm mit der belgischen Universität Lüttich, wobei vietnamesische Ingenieure an dem Standort weitergebildet werden sollen.

Der im November 2021 vom japanischen Weltraumbahnhof Uchinoura Space Center ins All gebracht 9kg leichte Satellit NanoDragon aus vietnamesischer Herstellung verlor nach Ausbringung in den Orbit rasch den Funkkontakt. NanoDragon war mit einem Empfänger für ein Automatisches Idenfikationssystem (AIS) ausgestattet und sollte somit durch die Bereitstellung von Schiffsdaten die Sicherheit und die Lenkung des Schiffsverkehrs im Südchinesischen Meer verbessern.

 

Geopolitische Spannungen im Südchinesischen Meer und die Rolle vietnamesischer Satelliten

Satelliten werden nicht nur für die Wissenschaft und Forschung genutzt, sondern spielen auch bei militärischen Konflikten und der nationalen Sicherheit eine entscheidende Rolle. Vietnams ziviles Satellitenprogramm ermöglicht es somit nicht nur Umweltfaktoren und die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen, sondern auch Chinas Aktivitäten im Südchinesischen Meer besser zu verstehen und adäquat zu reagieren um die territoriale Integrität und Souveränität Vietnams zu wahren. Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer, der Aufbau und die Militarisierung künstlicher Inseln, die Verletzung vietnamesischer Rechte in deren Ausschließlicher Wirtschaftszone (EEZ) durch Peking und der sich verstärkenden geopolitische Wettbewerb zwischen China und den USA stellen die primären sicherheitspolitischen Herausforderungen für Hanoi dar. Ein modernes Satellitenprogramm kann hierbei ein wichtiger Baustein zur Steigerung des maritimen Lagebewusstseins (MDA) sein. Die Auswahl der Partner in Vietnams Satellitenprogramm – Europäer, Amerikaner, Japaner – zeigt ein Bewusstsein für die strategische Relevanz und Sensibilität der Dimension Weltraum.

 

Chancen, Herausforderungen und eine Zukunftsperspektive

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Vietnam bestrebt ist, Anschluss zu finden in der Raumfahrt- und Satellitenindustrie. Die Strategie für Erforschung und Anwendung für Weltraumtechnologie bis 2020 war ein wichtiger Schritt, um rechtliche Voraussetzungen für die Entwicklung der Weltraumtechnologie zu schaffen. Der damalige stellvertretende Premierminister Vu Duc Dam hatte den Beschluss Nr. 569/QĐ-TTg unterzeichnet und somit bereits eine neue Strategie bis 2030 eingeleitet5. Nationale Sicherheit, Forschungen, die Neugestaltung von Gesetzen werden in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle spielen. Anlässlich des 60. Jahrestages von Ho Chi Minhs Treffen mit Intellektuellen hat

Generalsekretär Nguyen Phu Trong Wissenschaftler dazu aufgerufen, mehr zur Nachhaltigkeit des Landes beizutragen6. Insbesondere die Satellitentechnologie bietet die Chance, den Klimawandel besser zu verstehen und damit bessere Maßnahmen und Strategien zu entwickeln, um die Erderwärmung gemäß dem Pariser Klimaabkommen auf 1,5 °C zu begrenzen.

 


1 https://daisukybiendong.files.wordpress.com/2019/12/vietnams-defense-white-paper-2019.pdf  aufgerufen am 30.03.2023

2 Vietnam hat 1967 den Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums und 1968 Abkommen über die Rettung von Astronauten, die Rückkehr von Astronauten und die Rückgabe von im Weltraum gestarteten Objekten unterschrieben.

Le, T.K.L. et. Al. (2022). Space law in Vietnam: outer space policy, legal development and its future pathway. DOI: 10.53261/adastra20220502

3 Prypik, Y. (2021). The main trends of Vietnam- Japan Cooperation within the framework of bilateral strategic partnership. DOI: 10.53261/adastra20220502

4 Die vietnamesischen Ingenieure erhielten ihre Ausbildung an der Keio Universität, Tokyo Universität, Hokkaido Universität, Tohoku Universität und der Kyushu Universität.  https://vnsc.org.vn/en/projects/microdragon-into-orbit-in-2018/ aufgerufen am 30.03.2023

5 https://vanban.chinhphu.vn/?pageid=27160&docid=205759 aufgerufen am 27.03.2023

6 https://vietnamnews.vn/society/1502106/party-leader-urges-more-contributions-from-intellectuals.html aufgerufen am 27.03.2023

 

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Florian Constantin Feyerabend (2020)
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