Asset-Herausgeber

Länderberichte

Wiktor Janukowytsch gewinnt Präsidentschaftswahlen

von Nico Lange
Oppositionsführer Wiktor Janukowytsch setzte sich in der Stichwahl am 7. Februar mit 49 % der Stimmen gegen Premierministerin Julija Tymoschenko mit 45,5 % durch. Die Wahlen und die Kampagnen verliefen nach Aussagen der internationalen Beobachter ruhig, frei und fair. Dennoch wird Tymoschenko das Ergebnis möglicherweise juristisch anfechten. Aufgrund der unklaren Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der Kompetenzstreitigkeiten zwischen Präsident und Regierung wird es bis zur Herstellung politischer Handlungsfähigkeit jedoch noch ein weiter Weg sein.

Asset-Herausgeber

Oppositionsführer Wiktor Janukowytsch setzte sich in der Stichwahl am 7. Februar mit 49 % der Stimmen gegen Premierministerin Julija Tymoschenko mit 45,5 % durch. Die Wahlen und die Kampagnen verliefen nach Aussagen der internationalen Beobachter ruhig, frei und fair. Dennoch wird Tymoschenko das Ergebnis möglicherweise juristisch anfechten. Mit Wiktor Janukowytsch wird fünf Jahre nach der Orangen Revolution nunmehr der politische Führer der „blauen“ Kräfte des Ostens das höchste Amt übernehmen. Aufgrund der unklaren Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der Kompetenzstreitigkeiten zwischen Präsident und Regierung wird es bis zur Herstellung politischer Handlungsfähigkeit jedoch noch ein weiter Weg sein.

Ein knappes Wahlergebnis

Am Morgen des 10. Februar waren schließlich alle Stimmen der mehr als 36 Millionen Wahlberechtigten bei der Stichwahl um die ukrainische Präsidentschaft am 7. Februar 2010 ausgezählt. Wiktor Janukowytsch erhielt 48,95 %, Julija Tymoschenko 45,47 %. 4,36 % der Wähler stimmten „gegen alle“. Die Wahlbeteiligung lag bei 69,15 %. Premierministerin Tymoschenko gelang es damit zwar, den Rückstand von etwa 10 % aus der ersten Runde der Wahlen auf 3,48 Prozent zu verkürzen, Janukowytsch konnte sich aber dennoch durchsetzen. Das ukrainische Wahlgesetz schreibt für die Stichwahlen keine absolute Mehrheit vor. Wiktor Janukowytsch ist damit mit nur 49 % zum Präsidenten gewählt.

Die regionale Verteilung der Stimmen zeigt wie schon bei den Präsidentschaftswahlen 2004 eine Spaltung des Landes zwischen West- und Zentralregionen, die mehrheitlich für Julija Tymoschenko stimmten und Ost- und Südostregionen, in denen Wiktor Janukowytsch dominierte. Tymoschenko erhielt beispielsweise im westlichen Iwano-Frankiwsk 89 %, während im östlichen Donezk 90 % für Janukowytsch stimmten. Julija Tymoschenko gewann die Wahlen in 16 Verwaltungsregionen (Oblasts), in der Stadt Kiew und im Auslandswahlkreis, während sich Janukowytsch in 8 Regionen sowie der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durchsetzen konnte.

Internationale Beobachter bewerteten den Wahlverlauf als frei und fair, Tymoschenko erkannte die Wahlen bisher nicht an

Die internationalen Wahlbeobachtermissionen unter Führung der OSZE bewerteten die Stichwahl wie bereits den ersten Wahlgang als frei und fair. Alle Beobachter lobten den offenen Pluralismus während der Kampagnen, den ruhigen Verlauf der Wahltage und die hohe Wahlbeteiligung. Sie kritisierten lediglich die kurzfristige Veränderung der gesetzlichen Grundlagen vor beiden Wahlgängen und die Probleme mit unvollständigen und fehlerhaften Wählerregistern.

Julija Tymoschenko erkannte das Wahlergebnis bisher nicht an. Nach einem kurzen kämpferischen Statement am Wahlabend meldete sie sich nicht mehr öffentlich zu Wort. Aus Kreisen ihrer Partei wurden Äußerungen laut, dass Tymoschenko das Wahlergebnis vor Gericht anfechten werde. Nach ihrer Auffassung gibt es dafür Grundlagen auf der Krim sowie in den östlichen Gebieten Luhansk und Donezk. Nur nach Gerichtsentscheidungen, die eine massenweise Beeinflussung des Wahlergebnisses durch die Partei der Regionen ausschließen, will Julija Tymoschenko demnach das Wahlergebnis akzeptieren. Es bleibt abzuwarten, welche Beweise für Wahlmanipulationen der Block Tymoschenko in den kommenden Tagen vorlegen wird. Es nicht mit völliger Sicherheit auzuschließen, dass solche Einflussversuche stattfanden, ohne dass die internationalen Wahlbeobachter davon Kenntnis haben. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das Wahlergebnis durch die Anfechtungen entscheidend verändert würde. Nach ukrainischer Wahlgesetzgebung können Wahlen nur in einzelnen Wahllokalen und nicht auf höherer Ebene vor Gericht angezweifelt werden. Bei einem Unterschied von 3,45 % im Wahlergebnis müsste Tymoschenko Gerichtsentscheidungen für mehr als 1.000 Wahllokale herbeiführen.

Der „blaue“ Wiktor Janukowytsch löst den „orangen“ Wiktor Juschtschenko ab

Fünf Jahre nach der Orangen Revolution gelang Wiktor Janukowytsch nun doch noch der Sprung an die Spitze des ukrainischen Staates. Der zweifache ehemalige Premierminister und vorherige Gouverneur des Bergbaugebiets Donezk repräsentiert vor allem den Osten und Südosten des Landes und wird von den großen Industriellen dieser Regionen unterstützt. In den ersten Tagen nach der Wahl zeigte sich Janukowytsch sichtlich bemüht, sich als veränderter Politiker gegenüber 2004 zu präsentieren. Mehrfach bekräftigte er in Interviews und öffentlichen Aussagen, dass er zwar die Beziehungen zum großen Nachbarn Russland verbessern wolle, gleichzeitig aber die Annäherung der Ukraine an die Europäische Union fortsetzen werde. Janukowytsch will damit auch die im Westen verbreitete und von Julija Tymoschenko im Wahlkampf stark instrumentalisierte Einteilung in vermeintlich „prorussische“ und vermeintlich „proeuropäische“ Politiker überwinden. Als erstes konkretes Thema setzen Mitglieder der Mannschaft Janukowytschs die Idee eines dreiseitigen russisch-ukrainisch-europäischen Konsortiums zum Betrieb des ukrainischen Gastransportsystems auf die Agenda.

Ein weiter Weg bis zu politischer Handlungsfähigkeit

Trotz der nunmehr entschiedenen Präsidentschaftswahlen wird es für den neuen Präsidenten sehr schwer sein, politische Handlungsfähigkeit herzustellen. Nach einer ersten Euphorie wird sich diese Erkenntnis auch beim Sieger Wiktor Janukowytsch und seiner Partei der Regionen durchsetzen.

Zunächst setzen sie auf eine schnelle Mehrheitsbildung zu ihren Gunsten in der Werchowna Rada. Faktisch hat Janukowytsch als Präsident mit den aktuellen Befugnissen dafür aber nur recht wenig anzubieten. Sein Vorgänger Juschtschenko sollte ihm hier ein warnendes Beispiel sein. Auch dieser hatte bei seiner Amtsübernahme erwartet, dass sich schnell eine stabile Mehrheit im Parlament um den Präsidenten sammeln würde. Stattdessen bildeten sich die parlamentarischen Mehrheiten häufig gegen den amtierenden Präsidenten und isolierten ihn weitgehend.

Viele Akteure und Beobachter glauben in Kiew dennoch an die schnelle Formierung einer neuen Koalition unter Führung der Partei der Regionen. Mit den Abstimmungen gegen Innenminister Luzenko und für das neue Wahlgesetz zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang hatte die Partei der Regionen schon demonstriert, dass sie zur Mehrheitsbildung fähig ist. Die neue Konstellation wäre demnach die Partei der Regionen in Koalition mit dem Block Lytwyn und der Fraktion „Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes“. Die Kommunisten wären dann passive Koalitionsmitglieder und wären aufgrund der Fragmentierung und Unzuverlässigkeit von „Nascha Ukraina“ für stabile Mehrheiten nötig.

Eine Alternative dazu bestünde in vorgezogenen Neuwahlen des Parlaments. Das Paradox dieser Option besteht jedoch darin, dass zwar einerseits die Partei der Regionen versucht sein könnte, eine Blockade mit Premierministerin Tymoschenko durch Neuwahlen aufzulösen, andererseits im Konfliktfall zwischen Janukowytsch und Tymoschenko das Interesse ihrer Fraktionen an Neuwahlen sinken dürfte. Von den Streitigkeiten dieser beiden Hauptakteure würden die neuen politischen Kräfte Tihipkos und Jazenjuks profitieren. Der lange Schatten der kommenden Wahlen liegt dennoch schon jetzt über den Verhandlungen um eine neue Konstellation von Koalition und Regierung. Vor allem die neuen politischen Kräfte von Tihipko und Jazenjuk entwickeln Druck auf die etablierten Parteien im Hinblick auf die Kommunalwahlen am 30. Mai 2010. In dieser Hinsicht sitzen Tymoschenko und Janukowytsch in einem Boot. Verbeißen sie sich in Streitigkeiten und Blockaden, laufen sie Gefahr, bei den Kommunalwahlen am 30. Mai empfindliche Einbußen an der Parteibasis hinnehmen zu müssen. Die Versorgung der lokalen Parteistrukturen mit Mandaten und Posten hat für beide Seiten eine existenzielle Bedeutung.

Als dritte Option bliebe schließlich ein Kompromiss zwischen Janukowytsch und Tymoschenko. Die Regierungschefin hat dafür keine ungünstige Ausgangsposition. Sie hat ein Wahlergebnis von mehr als 45 % im Rücken und bliebe auch im Fall der Auflösung der aktuellen Koalition zunächst geschäftsführend im Amt, bis eine neue Koalition tatsächlich feststünde. Aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten könnte das ein längerer Zeitraum sein. Zudem hatten sich Janukowytsch und Tymoschenko im Sommer 2009 fast schon einmal auf eine gemeinsame Regierungskoalition geeinigt. Damals waren die Verhandlungen in letzter Sekunde gescheitert, weil das Präsidentenamt für Janukowytsch nicht garantiert werden konnte. Es ist durchaus möglich, dass man nach einigen heftigen Konfrontationen in den kommenden Tagen und Wochen auf diese Ideen zurückkommen wird.

In jedem Fall stehen bis zum Erreichen politischer Handlungsfähigkeit noch Wochen der Unsicherheit und mögliche neue Turbulenzen vor dem neugewählten Präsidenten.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Bereitgestellt von

Auslandsbüro Ukraine

Asset-Herausgeber

Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.

Bestellinformationen

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland