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„Das jetzige Bildungssystem ist nicht dafür geeignet, Gründer hervorzubringen“

Im BildungsLab One diskutieren Experten über die Förderung von Gründerkompetenzen an deutschen Schulen und Hochschulen

Politik und Wirtschaft sind sich einig: Um den wirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, brauchen wir in Deutschland kreative und mutige Unternehmensgründer. Doch werden die Entrepreneure der Zukunft in Schule und Studium überhaupt ausreichend vorbereitet? Wie muss gute Bildung aussehen, die Gründerkompetenzen optimal fördert? Im hub:raum, dem Inkubator der Deutschen Telekom, trafen sich zum Bildungs-Lab One Bildungsexperten und Gründer, um über aktuelle Herausforderungen im Bereich der Bildungspolitik zu diskutieren und Best Cases vorzustellen.

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Wie muss die Schule der Zukunft aussehen?

Für Margret Rasfeld, Schulleiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum und Gründerin der Initiative „Schule im Aufbruch“ steht fest: „Das jetzige Bildungssystem ist nicht dafür geeignet, Gründer hervorzubringen“. Zu sehr wird der Unterricht in ein enges Fächerkorsett gezwängt, zu eindimensional werde der Stoff vermittelt und zu groß sei der Notendruck, der auf vielen Schülern laste. Zudem liege der Fokus der Bildungspolitik hauptsächlich auf den PISA-Fächern Deutsch, Mathe und Englisch. Die Vermittlung wichtiger Gründerkompetenzen bleibt dabei meist auf der Strecke. Nach der Einschätzung von Margret Rasfeld herrscht in Deutschland zudem eine Lernatmosphäre, in der sich Schüler immer öfter überfordert fühlen und Angst davor haben, zu scheitern. „Schule ist angstbesetzt“, so Rasfeld. „Eine Transformation unseres Bildungssystems ist notwendig“, fordert die Schulleiterin. Die Bildung, die wir in Deutschland brauchen, müsse sich weniger an Lehrpläne klammern, sondern mehr Freiraum für Kreativität und fächerübergreifendes Lernen lassen. In der Evangelischen Schule Berlin Zentrum erlernen die Schüler neben den klassischen Schulfächern Kompetenzen, die besonders für zukünftige Gründer von Bedeutung sind. Dazu gehören u.a. die Fähigkeit, den eigenen Alltag zu organisieren, im Team zu arbeiten und sich Herausforderungen zu stellen. Auch der Umgang mit Unsicherheiten oder Misserfolg gehört dazu. „Fehler machen ist okay“, sagt auch Jamila Tressel, Schülerin an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum und Co-Autorin des Buches „Wie wir Schule machen: Lernen, wie es uns gefällt“.

 

Mit Mut, Kreativität und Hartnäckigkeit zum Erfolg

Für Laura Kohler, Gründerin und Geschäftsführerin des European Innovation Hub, zählen u.a. Mut, Kreativität, Veränderungsbereitschaft und Hartnäckigkeit zu den Kernkompetenzen, die ein Gründer heutzutage mitbringen muss, wenn er mit seiner Idee erfolgreich sein will. Die Unternehmensgründerinnen und -gründer, die sie begleitet und berät, fühlen sich oftmals durch Schule und Studium nicht ausreichend auf die Herausforderungen des Gründerdaseins vorbereitet. Vor allem die Fähigkeit, ein Team zu führen, sowie rechtliche Kenntnisse über die verschiedenen Unternehmensformen würden oftmals fehlen. Dies bestätigt auch Dr. Udo Bub, Node Director EIT Digital Germany. Er sieht besonders kritisch, dass das Lehrpersonal an Schulen und Universitäten darauf getrimmt sei, Risiken zu vermeiden und an Altbewährten festzuhalten. „Entrepreneurship muss nicht nur gelehrt, sondern auch vorgelebt werden“, so Bub.

 

Musterbeispiel Schweden

Bildungsexperten schauen immer wieder sehnsuchtsvoll nach Schweden, dessen Schulsystem in vielen Aspekten als großes Vorbild gilt. Zwar werden die Rahmenbedingungen vom schwedischen Bildungsministerium zentral vorgegeben, dennoch haben die einzelnen Gemeinden und ihre Schulen erheblich mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Unterrichts als in Deutschland. Mehr als sieben Prozent des schwedischen Bruttoinlandsproduktes fließen in den Bildungssektor – in Deutschland sind es nur fünf Prozent. Dies ermöglicht eine bessere technische und personelle Ausstattung der schwedischen Schulen. Im Durchschnitt kümmert sich ein Lehrer in Schweden um acht Schüler, in Deutschland hingegen sind es mehr als doppelt so viele. Dadurch, dass schwedische Schüler die ersten neun Jahre gemeinsam im Klassenverband lernen, können sich stabile soziale Beziehungen entwickeln. Die Klasse wiederholen muss kein Schüler, es sei denn, die Eltern treffen diese Entscheidung. Insgesamt herrschen an schwedischen Schulen weniger Notendruck und mehr Freiheiten z.B. bei der Zusammenstellung von Kursen.

 

„Es nicht damit getan, zwei Stunden Entrepreneurship zu unterrichten“

Im ersten Workshop des BildungsLab One stand die Rolle der (Hoch-)Schulorganisation und des deutschen Bildungs- und Weiterbildungssystems im Fokus. Prof. Dr. Hans-Ulrich Heiß, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Technischen Universität Berlin, betont, dass das Interesse seiner Studenten am Thema Unternehmensgründung immens sei. Vorträge von erfolgreichen Gründern wie zuletzt des Skype-Mitbegründers Niklas Zennström würden nach Angabe von Hans-Ulrich Heiß zehnmal so viele Studenten in den Hörsaal locken wie Vorträge von Nobelpreisträgern oder anderen namhaften Wissenschaftlern. In einer Umfrage unter Studierenden der TU Berlin gaben rund 40 Prozent aller Befragten an, dass sie sich sogar vorstellen könnten, selbst ein Unternehmen zu gründen. „Entrepreneurship zu unterrichten, ist nur bedingt möglich“, schränkt Heiß jedoch ein. Bestimmte Kompetenzen könne man nicht wie herkömmlichen Lehrstoff vermitteln. Diese können sich nur durch eigene Erfahrungen z.B. durch Planspiele oder Unternehmenssimulationen entwickeln. Schließlich waren sich alle Teilnehmer des ersten Workshops einig, dass auch der Umgang mit Misserfolgen zu den wichtigen Gründerkompetenzen zählt. Das Scheitern eines Unternehmens oder einer Idee dürfe einen Gründer nicht entmutigen. Förderlich sei hingegen eine Gründerkultur, in der eine gescheiterte Idee lediglich der Anknüpfungspunkt für eine neue und bessere Idee sei.

 

„Schule muss sich öffnen“

In vier weiteren Workshops wurde über darüber diskutiert, wie Politik, Bildung und Wirtschaft in Deutschland Gründerkompetenzen gezielt fördern können. Im Fokus der Diskussion standen die Rolle der Lehrenden und Dozenten, die Lernenden selbst, Themen und Inhalte einer entsprechenden Bildung sowie die Rolle von Startups bei der Förderung von Gründergeist. Einig waren sich alle Teilnehmer der Workshops darüber, dass unser Bildungssystem mehr Freiheit und Flexibilität braucht, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Mit der Einführung neuer Schulfächer wie „Gründergeist“ oder „Entrepreneurship“ allein ist es nicht getan. Vielmehr muss sich eine Grundhaltung entwickeln, die moderne Lernmethoden zulässt und den Schülern und Studenten die Möglichkeit gibt, ihre individuellen Fähigkeiten besser zu entfalten. Was gute Bildung braucht, sind nicht nur mehr Lehrkräfte, modulare Lehrpläne, ein verstärkter Einsatz neuer Medien und mehr projektbezogener Unterricht, sondern auch ein Notensystem, das mehr motiviert und weniger Leistungsdruck aufbaut. Weiterhin betonten die Teilnehmer der Workshops wie wichtig Vorbilder und Mentoren sind. Erfolgreiche Unternehmer aus der Region oder sogar aus der eigenen Schule helfen zukünftigen Gründern dabei, aus den Fehlern anderer zu lernen und können gleichzeitig als Ansporn dienen, selbst einmal als Unternehmensgründer erfolgreich zu sein.

Das BildungsLab One ist der Start einer auf zwei Jahre angelegten Expertenreihe, die zum Ziel hat, praktische und nachhaltige Anregungen und Lösungsansätze für den Bildungssektor in Deutschland zu erarbeiten.

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18. Mai 2016
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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, ihre Bildungsforen und Auslandsbüros bieten jährlich mehrere tausend Veranstaltungen zu wechselnden Themen an. Über ausgewählte Konferenzen, Events, Symposien etc. berichten wir aktuell und exklusiv für Sie unter www.kas.de. Hier finden Sie neben einer inhaltlichen Zusammenfassung auch Zusatzmaterialien wie Bilder, Redemanuskripte, Videos oder Audiomitschnitte.

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Berlin Deutschland