Einzeltitel
Die Konrad Adenauer Stiftung setzt mit dieser Vortrags- und Diskussionsveranstaltung eine nun schon 10jährige Tradition der Stiftung fort, sich wissenschaftlich und historisch -politisch auseinander zusetzen mit Geschichte, Struktur und politischem Handeln in der DDR, die auch aus der zeitlichen Distanz und der Sicht der Forschung als eine Diktatur zu bezeichnen ist. Die Stiftung hat beispielsweise Ende 1999 das erste Buch von H. Knabe vorgestellt: "Die unterwanderte Republik-Stasi im Westen"; sie zeichnet selber als Herausgeber für das Lexikon "Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur" (2000); sie hat das zweibändige "Lexikon des DDR-Sozialismus" (2. Aufl.1997) wissenschaftlich betreut. Seit 1991 führt sie wissenschaftliche Tagungen zu einschlägigen Themen durch. In diesen Wochen und Monaten laufen zahlreiche Veranstaltungen der Stiftung zum 40. Jahrestag des Mauerbaus in Berlin ,ein Datum, das derzeit von besonderer Aktualität ist, aber sonst allzu gerne verdrängt wird. In diesem thematischen Kontext steht auch die heutige Tagung über das o.g. neue Buch von Hubertus Knabe.
(vlnr.: Christian Seeger, Programmleiter des Propyläen Verlages;
Bundesminister a.D. Dr. Dorothee Wilms, Mitglied des Vorstandes der Konrad-Adenauer-Stiftung;
Dr. Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen;
Dr. Jochen Stadt, Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin und Mitarbeiter der Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.)
Ich begrüße diese lesenswerte Publikation sehr, weil sie wieder ein Stück mehr dazu beiträgt, die Zeit der Teilung Deutschlands historiographisch aufzuarbeiten, zu fragen und zu untersuchen
- was geschah in diesen 45 Jahren vor und hinter den Kulissen der offiziellen Politik
- welche Beziehungen verdeckter und offener Art gab es zwischen den beiden Teilen Deutschlands auf den verschiedenen Ebenen
- wie haben SED und Stasi versucht, ihre Vorstellungen und Interessen auch in die Bundesrepublik hineinzutragen ,um sie dort wirksam werden zu lassen.
Der Autor stellt in seinem Nachwort zu recht die Frage, "wie es dazu kommen konnte, dass die Diktatur der SED in Westdeutschland auf zunehmende Akzeptanz stieß (ohne dass die Stasi direkten Einfluss nahm)". Ein längerer Exkurs über die Wandlungen der politischen Mentalitäten und Vorstellungs-welten in der BRD zwischen 1950 und 1990 wäre sehr reizvoll, würde aber zu weit führen. Ich stimme dem Autor zu wenn er sagt, dass der entscheidende Paradigmenwechsel in der Deutschland- Politik Anfang der 60er Jahre einsetzte. Diese waren unter anderem markiert durch Entwicklungen und Ereignisse, die ich in Auswahl nur kurz andeuten möchte:
- Ende der Adenauer-Ära, Abflauen des Antikommunismus als einer tragenden politischen Idee der ersten Jahre der Bundesrepublik
- Bau der Berliner Mauer 1961 als Zeichen der "Endgültigkeit" der deutschen Teilung, wie viele meinten
- weltweite Entspannungspolitik, nachlassendes Interesse der westlichen Schutzmächte an einer operativen Wiedervereinigungspolitik
- Studentenunruhen, allmählich einsetzender gesellschaftlicher und politischer Wertewandel
Der von der sozialliberalen Koalition propagierte Slogan "Wandel durch Annäherung" hatte längst auch seine mentale Wirkung entfaltet. Durch die langwierigen innerdeutschen Verhandlungen um den Grundvertrag und die Folgeverträge Anfang der 70er Jahre waren zwischen Politikern und Journalisten beider Seiten manche Bekanntschaften und Vertrautheiten entstanden, die gelegentlich vergessen ließen, dass man unterschiedliche Staats- und Gesellschaftsformen zu vertreten hatte - man war ja Deutscher!
In den 80er Jahren hatte sich die Regierung Kohl beispielweise gegen Forderungen sowohl aus dem Lager der politischen Linken als auch der veröffentlichten Meinung wehren müssen, doch endlich die Staatsbürgerschaft der DDR voll anzuerkennen entsprechend den Geraer Forderungen Honeckers oder zumindest das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht mit Blick auf DDR-Bürger nicht voll anzuwenden, d.h. Übersiedlern aus der DDR nicht sofort einen deutschen Pass zu geben und ihnen nicht so selbstverständlich wie bisher in bundesdeutschen Botschaften Schutz zu gewähren.
Es ließen sich noch viele Belege dafür anführen, wie sehr sich die Einstellung zur DDR in der öffentlichen, vor allem der veröffentlichte Meinung seit den 60er Jahren in der Bundesrepublik allmählich geändert hatte. In diese Situation hinein versuchten SED und Stasi mit raffinierten Infiltrations- und Beeinflussungsmethoden direkt und indirekt verstärkt auf die westdeutsche Politik einzuwirken, um dort wie in der Bevölkerung eine allgemeine Akzeptanz der Teilung Deutschlands und vor allem der staatlichen Anerkennung der DDR zu erreichen. Hierfür bediente man sich bevorzugt westdeutscher Journalisten und der Medien.
Die Fülle des ausgebreiteten Materials bei Knabe zeigt -selbst wenn die eine oder andere Quelleninterpretation umstritten sein mag-, dass SED und Stasi viel Erfolg bei ihren Aktionen gehabt haben - erschreckend viel Erfolg aus meiner Sicht! All dies gelang nach meiner Meinung nur deshalb, weil in der Bundesrepublik - wie geschildert - in Teilen der Medien und der Politik eine offene oder latente Bereitschaft gewachsen war, dieses Spiel der DDR überhaupt mitzumachen. Man spielte sich gleichsam gegenseitig die Bälle zu und frönte dabei dem Zeitgeist. Trotzdem verwundert im Nachhinein die bei vielen doch offenbar recht große Neigung zur Kooperation, wenigstens zum Meinungsaustausch im konspirativen Sinne.
Die persönlichen Motive dafür waren recht vielfältig:
- da waren persönliche Eitelkeiten und Wichtigtuerei, journalistischer Ehrgeiz, mehr zu wissen als andere, oft gepaart mit Geschäftssinn
- es gab die Affinität zum Sozialismus und eine Ablehnung des bürgerlich - konservativen Spektrums in der Bundesrepublik
- da waren Resignation und vermeintlicher Realismus über die andauernde und als dauerhaft angesehene Teilung Deutschlands, verbunden gelegentlich mit einer national-konservativen Haltung, die die Einheit Deutschlands auch gegen viele Zugeständnisse über alles stellte (Neutralisierung und Bündnislosigkeit des vereinten Deutschland)
- es gab die volle Akzeptanz der Teilung Deutschlands als "Strafe für Auschwitz" - ein moralisches Motiv, besonders in evangelischen Kirchenkreisen zu Hause
Mancher Journalist oder damals handelnder Politiker behauptet heute, er habe ja nicht gewusst, dass die Stasi in all den Aktionen ihre Hand mit im Spiel gehabt hätte. Welche Naivität! Diese Schutzbehauptung darf man wohl nicht ernst nehmen. Andere weisen darauf hin, dass sie nie "unterschrieben" hätten - dies ist sicher richtig, aber sie haben "geredet", man war allzu vertraut miteinander geworden!
SED und Stasi haben in der Bundesrepublik über ihre subversiven Kanäle viel an politischer Verwirrung und auch persönlichen Verletzungen -oft ohne objektiv vorliegende Begründung- angerichtet, sie haben manche politisch entscheidende Weichenstellung (etwa Verhinderung der Abwahl von Kanzler Brandt) beeinflusst oder gar herbeigeführt, aber sie haben es letztlich nicht vermocht, das freiheitliche und wirtschaftlich weit überlegene System der alten Bundesrepublik Deutschland ins Wanken zu bringen. Die Ereignisse von 1989 und 1990 beweisen uns das Gegenteil!
In Kenntnis der in dem Buch ausgebreiteten historischen Tatsachen wünsche ich mir für Gegenwart und Zukunft einen stets sehr kritischen und nicht dem Zeitgeist anheim fallenden Journalismus!
Veranstaltungsprogramm | 40. Jahre Mauerbau | Der Charme der DDR