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Abdolfattah Soltani feiert Geburtstag im Teheraner Evin-Gefängnis

International ausgezeichneter iranischer Menschenrechtsverteidiger wird 59

Abdolfattah Soltani, neben der nun schon seit Oktober 2009 im Exil lebenden Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, Mitbegründer des Teheraner Zentrums für Menschenrechtsverteidiger, wird seinen Geburtstag am 2. November im Teheraner Evin-Gefängnis verbringen müssen. Trotz zahlreicher Appelle der Bundesregierung und der EU, in denen auch in den letzten Wochen wiederholt seine Freilassung gefordert worden war, bleibt Soltani weiter in Haft.

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Die Welt gratuliert Abdolfattah Soltani zu seinem Geburtstag, den der iranische Menschenrechtsanwalt im Teheraner Evin-Gefängnis verbringen muss. (Foto: privat)

Mit ihm im Evin-Gefängnis inhaftiert ist seine ebenfalls bekannte Mandantin, die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, die seit dem 17. Oktober 2012 - aus Protest gegen ihre Haftbedingungen und gegen die Behandlung ihrer Familie - in einen Hungerstreik getreten ist und inzwischen auf die medizinische Station des Evin-Gefängnisses verlegt wurde.

Sowohl Soltani als auch Sotoudeh wurden erst vor wenigen Tagen erneut mit Menschenrechtspreisen für ihr menschenrechtliches Engagement ausgezeichnet:

Nasrin Sotoudeh erhielt in der vergangenen Woche, gemeinsam mit dem im Iran unter Arbeitsverbot stehenden Regisseur Jafar Panahi, den Sacharow-Preis des Europäischen Parlamentes (EP). Eine Delegation des EP hatte in der vergangenen Woche eine Reise in den Iran abgesagt, weil die iranischen Behörden den Parlamentariern den Besuch der beiden Preisträger nicht gestattet hatten.

Soltani, der von der iranischen Justiz unvorstellbarerweise unter anderem deshalb zu einer 13jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, weil er in Nürnberg den renommierten Menschenrechtspreis für seine Arbeit erhalten und das damit verbundene Preisgeld angenommen hatte, wurde im Oktober 2012 der Menschenrechtspreis der International Bar Association verliehen.

Wie schon 2009 in Nürnberg, so durfte Soltani auch in diesem Jahr nicht zur Preisverleihung ausreisen, die in Dublin stattfand. Dennoch gelang es ihm, einen Gruß verlesen zu lassen, in dem er auf den heutigen Zustand der Justiz im Iran einging und der hier, aufgrund seiner politischen Bedeutung, exklusiv in autorisierter deutscher Fassung dokumentiert wird:

„Im Namen des gerechten Gottes,

aus meiner Zelle im Evin-Gefängnis übermittle ich dem Präsidenten und den Mitgliedern des Internationalen Anwaltsverbands meine Grüße und meinen Dank, und ich grüße auch alle freien, unabhängigen Rechtsanwälte und alle Teilnehmer dieser Konferenz. Verehrte Kollegen, leider wurde mir die Gelegenheit verweigert, bei Ihnen zu sein und persönlich mit Ihnen zu sprechen. Doch ich bin froh, dass ich für einige Minuten meine Gefangenschaft vergessen und über diese Gefängnismauern hinweg zu Ihnen sprechen kann.

Werte Kollegen, wie Sie alle wissen, wird durch unsere Arbeit als Anwälte, durch den Einsatz für unsere Mandanten und durch die enge Zusammenarbeit mit den Gerichten und mit dem gesamten Justizapparat unser Bewusstsein für das Leid in der eigenen Gesellschaft und auch für die Mängel und Probleme des Justizsystems geschärft. Manchmal wird ein Anwalt nach jahrelanger Berufserfahrung mit der unerfreulichen Realität konfrontiert, dass das Justizsystem seines Lands und seine Gesetze gravierende strukturelle Probleme aufweisen und deshalb ihre wichtigste Aufgabe nicht erfüllen können, nämlich die Rechte der Bürger zu verteidigen und für Gerechtigkeit zu sorgen.

Die Diskriminierung von Frauen und von Andersglaubenden auch im Hinblick auf ihre Rechtsstellung, die systematische Verletzung der demokratischen Rechte und Freiheiten auf individueller wie auf öffentlicher Ebene, die Verstöße gegen die Meinungs- und Pressefreiheit, das Recht auf friedliche Versammlung und auf Zusammenschluss zu Vereinigungen und Parteien sind nur einige Beispiele für die vielen Ungerechtigkeiten im iranischen Rechts- und Justizsystem.

Diskriminierung aus religiösen Gründen und aus Gründen des Geschlechts bei der Verurteilung und der Ermittlung des durch eine Straftat verursachten Schadens, die häufige Anwendung der Todesstrafe und die wachsende Zahl von Hinrichtungen, die Verhängung von Todesurteilen gegen Minderjährige, der verstärkte Rückgriff auf körperliche Strafen sowie körperliche und psychische Folter unmittelbar nach der Verhaftung und Verstöße gegen die Rechte des Angeklagten sind nur einige der gravierenden Probleme im iranischen Justizsystem, mit denen gegen die weltweit gültigen Menschenrechts verstoßen wird. Darüber hinaus gibt es einen ganzen Berg von Memoranden, laufenden Verfahren und Verhaltensweisen, die keine Rücksicht auf die Gesetze nehmen und die Bürgerrechte verletzen.

Werte Kollegen, wenn ich Ihnen das geltende Recht des Iran darstellen wollte, müsste ich hier eine ganze Sammlung schlechter Gesetze ausbreiten; und dennoch: es ist der Wunsch und eine grundlegende Forderung vieler gesellschaftlicher und politischer Aktivisten meines Landes, diese schlechten Gesetze wenigstens korrekt anzuwenden! Doch die hässliche Wahrheit ist, dass das politische Establishment im Iran mit Hilfe einiger gefälliger Richter die Justiz zu einem Werkzeug für die Erfüllung der eigenen Wünsche gemacht hat. Das Establishment benutzt die Gerichte als wuchtige Keule zur Unterdrückung der legitimen und berechtigten Forderungen der Bevölkerung. Da gibt es Gerichte, vor denen Rechtsstaatlichkeit und die Rechte der Angeklagten keine Rolle spielen, und schon vorab feststehende Urteile, bestätigt von einer kleinen Zahl ausgewählter, alles andere als unabhängiger Richter. Unter solchen Bedingungen ist es für einen pflichtbewussten Anwalt sehr schwierig, die Rechte des Angeklagten zu wahren, und oft ist seine Arbeit vergeblich und frustrierend.

Zwar gibt es seit 60 Jahren eine unabhängige iranische Anwaltskammer, doch wurde in den vergangenen 34 Jahren im Rahmen eines umfassenderen Plans der Herrschenden zur Einschränkung und Demontage der Zivilgesellschaft und der demokratischen Rechte der Bürger auch die Vernichtung der Unabhängigkeit dieser Kammer betrieben.

18 Jahre lang durften die iranischen Rechtsanwälte ihre Vertreter für den Berufsverband nicht selbst wählen. Danach, in den letzten 15 Jahren, durfte niemand dem Vorstand angehören, der nicht von den Sicherheitsdiensten des Regimes überprüft und genehmigt wurde. Als mich die Kollegen 2005 gerade in den Vorstand der nationalen Anwaltskammer gewählt hatten, wurde mir unter Verstoß gegen die iranischen Gesetze verboten, an den Vorstandssitzungen teilzunehmen. Seither untersagt das für Anwälte zuständige Disziplinargericht mir und vielen meiner Kollegen, im Vorstand mitzuwirken.

Unlängst gestattete die Regierung der Justiz, ausgewählten Juristen eine Anwaltszulassung zu erteilen und so eine neue Organisation parallel zur Anwaltskammer zu errichten. Heute erleben wir im Iran, dass die Juristen in den Gerichten und in der Staatsanwaltschaft als Richter, Staatsanwälte und Verteidiger wie abhängige Beschäftigte des Regimes und seiner Justiz agieren.

Trotz unablässiger Sicherheitsüberprüfungen und Verfolgungsmaßnahmen gegen die Anwaltskammer in den letzten Jahren geben viele Rechtsanwälte dem staatlichen Druck nicht nach und setzen ihre Arbeit zum Schutz der Rechte der einfachen Bürger unermüdlich fort. Viele Anwälte müssen wegen ihrer Arbeit für Bürgerrechtler und Regierungskritiker alle möglichen Hindernisse und Einschränkungen hinnehmen wie die Ablehnung ihrer Kandidatur für den Vorstand der Anwaltskammer wegen „fehlender Eignung“, den Entzug der Zulassung oder der Lehrbefugnis an den Universitäten des Landes sowie Verhaftung, Gefängnisstrafen und Verbannung ins Exil. Die große Zahl solcher Kollegen gibt Anlass zur Sorge. Es erfüllt uns mit Bedauern und großer Trauer, dass die iranische Anwaltskammer hier nur zusehen kann und gegen diese Übergriffe machtlos ist.

Abschließend möchte ich mich dem Präsidenten und allen Mitgliedern des Internationalen Anwaltsverbands meinen herzlichen Dank aussprechen. Ich hoffe aufrichtig, dass sich im Iran der Zugang zu einem fairen Verfahren und zur Wahrnehmung der Bürgerrechte, dem Garanten für die Entstehung und Weiterentwicklung der Demokratie, Tag für Tag verbessern wird."

Abdolfattah Soltani

Abteilung 350, Evin-Gefängnis

September 2012

Ruprecht Polenz MdB, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und seit vielen Jahren engagierter Kämpfer für Menschenrechte im Iran gratulierte Abdolfattah Soltani ebenfalls zu seinem Geburtstag: „Ich sende Ihnen meine herzlichen Glückwünsche und wünsche Ihnen, dass Sie spätestens Ihren nächsten Geburtstag in Freiheit verbringen werden!“

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt a.M. führt derweil eine Kampagne zur sofortigen Freilassung von Soltani durch.

In Dublin trug Maede Soltani, die in Deutschland lebende Tochter des Menschenrechtlers, ein Gedicht ihres Vaters vor, ein Gedicht, das Ausdruck der ungebrochenen Freiheitssehnsucht eines in inzwischen 13 Verfahren gedemütigten, unerschrockenen Kämpfers für die Freiheit der Menschen im Iran ist. Über 30 Anwälte und Menschenrechtler sind neben Soltani und Sotoudeh im Iran inhaftiert. Ihnen allen ist dieses Gedicht gewidmet:

Du hast der Welt von der Freiheit gesungen,

sag Freiheit, was tust du hier im Gefängnis!?

Sie werden deinen Namen nicht ehrenvoll nennen,

denn sie wollen dich nicht frei sehen, Freiheit!

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