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Die Europawahl am 13. Juni 2004

Wahlanalyse

Wesentliche Bestimmungsgründe des Wahlergebnisses der Europawahl in der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Juni 2004.

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Motive der Wahlentscheidung

Die sechste Europawahl stand unter nationalen Vorzeichen. Die Wähler nutzten die Gelegenheit, um mit der Innenpolitik der Bundesregierung abzurechnen. Im Vorfeld der Europawahl zeichnete sich in Umfragen eine große Unzufriedenheit mit der Bundesregierung ab. Für mehr als die Hälfte der Wähler waren bundespolitische Themen wichtiger als europapolitische. Dies führte zum Einbruch der SPD in der Wählergunst. Die ehemaligen Wähler der SPD sind vor allem in die Wahlabstinenz geflüchtet. Fast 11 Millionen SPD-Wähler blieben zu Hause. Nur ein geringer Anteil entschied sich dazu, andere Parteien zu unterstützen. Von unzufriedenen SPD-Wechselwählern profitierte in erster Line die Union. Aber auch die Union litt unter der niedrigen Wahlbeteiligung. 7.640 Mio. ehemalige CDU/CSU Wähler blieben zu Hause. Die Union konnte zwar ihr Traumergebnis von 1999 nicht wiederholen, sie ist aber die eindeutige Wahlgewinnerin. Sie profitierte von der Schwäche der SPD.

Europawahlen haben daher auch eine Ventilfunktion. Sie werden als Möglichkeit genutzt, Protest zu artikulieren. Davon profitierten die PDS und die Klein- und Splitterparteien. Fast 10 Prozent der Stimmen gingen auf das Konto dieser Parteien. Zählt man die PDS zum Protestlager hinzu, haben 16 Prozent der Wähler sich gegen die etablierten Parteien entschieden. Die Wähler der PDS, die trotz gesunkener Wahlbeteiligung etwa die gleiche absolute Stimmenanzahl erhielt wie 1999, kamen von allen Parteien. SPD und Grüne gaben insgesamt 370.000 Wähler ab; das bürgerliche Lager verlor 170.000 Stimmen. Ideologische Motive dürften keine Rolle gespielt haben. Vielmehr hat die PDS mit ihrer Strategie, Protest zu mobilisieren, abermals Erfolg gehabt. Auch der Aufschwung der Kleinparteien ist ein Zeichen für Unzufriedenheit und Verdruss und kann als Denkzettel für die Volksparteien interpretiert werden. Die Kleinparteien erfuhren überwiegend von Wählern der beiden Volksparteien Unterstützung. Von der SPD kamen 490.000 Wähler; von der Union 420.000.

FDP und Grüne zählen zu den Wahlgewinnern. Nachdem die Grünen 1999 den Unmut über die Regierungspolitik verstärkt abbekamen, konnten sie sich 2004 von dem negativen Sog der SPD weitgehend befreien und ihr Wahlergebnis fast verdoppeln. Die FDP hat ihre Wählerschaft ebenfalls fast verdoppelt. Sie setzte mit Erfolg auf ihre charmante und fotogene Spitzenkandidatin, die vor der Wahl unbekannt war. Vor allem die Grünen – aber auch die FDP – erhielten Zulauf ehemaliger SPD-Wähler.

Dieses Szenario war auch für die letzten Europawahlen prägend. Doch folgen Europawahlen eigenen Gesetzen und sollten nicht zu nationalen Testwahlen erhoben werden. Hätte eine Bundestagswahl stattgefunden, wären viele, die keine Stimme abgaben, zur Wahl gegangen. Auch die Kleinparteien würden bei einer nationalen Wahl kaum Zuspruch erfahren.

Das Wahlergebnis

Die Europawahl vom 13. Juni 2004 endete erneut mit einem klaren Wahlsieg der Unionsparteien. Sie erzielten einen Stimmenanteil von 44,5 Prozent (11,47 Mio. Stimmen). Die Union verlor – von einem ausgesprochen hohen Ausgangsniveau - 4,2 Punkte. Sie ist damit erneut stärkste politische Kraft im Europäischen Parlament. Der Abstand zur SPD hat sich wieder vergrößert. Die Union liegt 23 Punkte vor der SPD: Bei der Europawahl 1989 lagen die beiden Volksparteien Kopf an Kopf (die Union hatte 0,5 Punkte Vorsprung). Seit der ersten Europawahl 1979 ist die Union bei allen Wahlen die erfolgreichste Partei in der Bundesrepublik. Sie entsendet 49 von 99 Abgeordneten in das Europäische Parlament (- 4 Abgeordnete). Die CDU erreichte bundesweit 36,5 Prozent (-2,8 Punkte). Die CSU erzielte einen bundesweiten Anteil von 8,0 (-1,4 Punkte). In Bayern erreichte sie 57,4 Prozent (-6,6 Punkte).

Wie auch bei der letzten Europawahl profitierte die Union von einem Wechsel ehemaliger SPD-Wähler. 2004 entschieden sich 830.000 (1) SPD-Wähler für die Union. Von den Grünen gewann sie 30.000 und von der FDP 10.000 Wähler. An die PDS hat die Union 100.000 Wähler abgegeben. An das Nichtwählerlager gingen 7.640 Mio. Stimmen verloren. Aber auch das Lager der kleinen Parteien profitierte von ehemaligen Wählern der Union. An sie wanderten 420.000 Wähler ab. Damit hat die Union unter der gesunkenen Wahlbeteiligung ebenso zu leiden gehabt wie die anderen Parteien. Sie konnte ihre Verluste jedoch durch Wechselwähler anderer Parteien weitgehend kompensieren.

Die SPD hat erneut dramatische Einbußen zu verzeichnen. 21,5 Prozent der Wähler stimmten für die SPD (-9,2 Punkte). Dies entspricht 5.549 Mio. Stimmen. Das ist das schlechteste bundesweite Ergebnis, das die SPD je erreichte. Die SPD wird mit 23 Abgeordneten vertreten sein. Dies sind 10 weniger als 1999.

Nach der Wählerwanderungsbilanz von Infratest dimap hat die SPD in erster Linie an das Lager der Nichtwähler verloren (- 10.950 Mio. Stimmen). An die Union gab sie 830.000, an die Grünen 390.000, an die PDS 220.000 und an die FDP 60.000 Wähler ab. An die kleinen Parteien verlor die SPD 490.000 Wähler.

Die Grünen zählen zu den Gewinnern der Wahl. Somit wurde nicht die Regierung, sondern nur die SPD von den Wählern abgestraft. Sie gewannen 5,5 Punkte hinzu und kommen auf 11,9 Prozent der Stimmen (= 3.078 Mio. Wähler). 13 Abgeordnete vertreten die Grünen im Europaparlament (+ 6 Abgeordnete).

Auch die Grünen verloren Wähler an das Nichtwählerlager (- 1.420 Mio. Stimmen). Den Abgang konnte sie durch Gewinne ehemaliger SPD Wähler kompensieren (+ 390.000 Stimmen). Von der FDP wechselten 50.000 Wähler zu den Grünen. An die PDS gab sie 150.000 Wähler ab. Zur Union gingen 30.000 Stimmen, zu der PDS wanderten 150.000 und zu den kleinen Parteien 130.000 Wähler ab.

Die FDP zieht mit 6,1 Prozent der Stimmen wieder in das Europaparlament ein (= 1.565 Mio. Stimmen). 1994 und 1999 gelang der FDP nicht der Sprung über die 5-Prozent-Hürde. Sie gewann 3,0 Punkte hinzu. Sie wird mit 7 Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten sein.

Die FDP gewann 60.000 Stimmen von der SPD. An die sonstigen Parteien gab sie 160.000, an die PDS 70.000, an die Grünen 50.000 und an die Union 10.000 Stimmen ab. 1.790 Mio. ehemalige FDP-Wähler gingen nicht zur Wahl.

Die PDS zieht nach 1999 zum zweiten mal in das Europäische Parlament an. Sie erreichte 6.1 Prozent (+ 0,3 Prozentpunkte). 1.579 Mio. Wähler entschieden sich für die PDS. Die PDS kann 7 Abgeordnete in das Europaparlament entsenden.

Als einzige Partei litt sie kaum unter der Wahlenthaltung. Nur 800.000 Wähler wanderten in das Nichtwählerlager. Von der SPD wechselten 220.000 Wähler zur PDS. 150.000 ehemalige Grüne und 100.000 ehemalige Unions-Wähler wanderten zur PDS. Von der FDP konnte sie 70.000 Stimmen gewinnen, an das Lager der sonstigen Parteien gab sie 30.000 Wähler ab.

Die bei der Europawahl angetretenen Klein- und Splitterparteien konnten ihr Ergebnis deutlich verbessern. Sie gewannen 4,5 Prozentpunkte hinzu und erzielen insgesamt eine Anteil von 9,9 Prozent. Der Anteil unwirksamer Stimmen, die nicht in die Berechnung eingehen hat sich damit im Vergleich zu 1999 fast verdoppelt. Allerdings sind hohe Anteile der kleinst-Parteien bei Europawahlen nicht ungewöhnlich. Die Wahl dieser Parteien stellt ein Ventil dar, um Protest zu artikulieren. Vor allem Wähler der SPD (490.000) und der Union (420.000) wanderten zu den Splitterparteien, was als deutlicher Hinweis auf Protest und Unzufriedenheit zu werten ist. Unter den kleinen Parteien erreichten die REP 1,9 Prozent und die NPD 0,9 Prozent. Damit ist das rechtsextreme Lager (die DVU kandidierte nicht) gegenüber der Europawahl 1999 nur geringfügig gewachsen (+ 0,7 Prozentpunkte) und konnte vom verbreiteten Unmut gegenüber der Regierung nicht profitieren. Von den kleine Parteien kam DIE TIERSCHUTZPARTEI auf einen Anteil von 1,3 Prozent und GRAUE auf 1,2 Prozent und FAMILIE auf 1,0 Prozent der abgegebenen Stimmen. Alle anderen Parteien erzielten Ergebnisse unter 1,0 Prozent.

Die Wahlbeteiligung ist erneut gesunken, hat sich jedoch auf niedrigem Niveau stabilisiert. 43 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Wahl. Dies sind 2,2 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Seit der ersten Europawahl sinkt die Wahlbeteiligung kontinuierlich. Bei Europawahlen ist die Wahlbeteiligung jedoch im Vergleich zur Bundestags- und Landtagswahlen traditionell niedrig. Die Wahlbeteiligung ist jedoch generell kein Indikator für Zufriedenheit mit dem politischen System. Sie zeigt eher an, dass die tatsächliche Bedeutung des Europäischen Parlaments den Wählern nicht bewusst ist. Nach wie vor rangiert es an letzter Stelle. Selbst den Kommunalparlamenten wird eine höhere Relevanz beigemessen.

Besonderheiten des Wahlergebnisses in den Ländern

In Baden-Württemberg hat sich die Wahlbeteiligung um 12,5 Punkte gesteigert. Dieser Effekt ist durch die gleichzeitig stattfindende Kommunalwahl zu erklären. Baden-Württemberg ist das einzige Land, in dem die Wahlbeteiligung anstieg.

In Berlin hat die CDU im Vergleich zu der Europawahl 1999 überdurchschnittlich stark verloren. Sie büßte 8,6 Punkte ein. Die Grünen gewinnen10,3 Punkte hinzu. 22,7 Prozent der Wähler stimmten für sie.

In Brandenburg ist die PDS stärkste Partei. Sie erhielt 30,8 Prozent. Die CDU kam auf 24 Prozent und die SPD auf 20,6 Prozent.

In Hamburg haben die Grünen ihr Ergebnis mehr als verdoppelt und erreichen 24,5 Prozent (+12,5 Prozentpunkte).

Die stärksten Verluste hatte die SPD in: Hamburg (-11,9 Punkte), Niedersachsen (-11,7 Punkte), Saarland (-11,2 Punkte), Brandenburg (-10,9 Punkte), Thüringen (-10,1 Punkte)

Die Wahlbeteiligung ist in folgenden Ländern überdurchschnittlich zurückgegangen: Sachsen (-7,5 Punkte), Sachsen-Anhalt (-7,5 Punkte), Rheinland-Pfalz (-5,5 Punkte), Mecklenburg-Vorpommern (-5,4 Punkte), Bayern (-5,1 Punkte). Zeitgleich mit der Europawahl fanden in folgenden Bundesländern Kommunalwahlen statt: Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt. 1999 fand die Kommunalwahl in Baden-Württemberg nicht parallel zur Europawahl statt, dafür wählte Thüringen (dort findet die Kommunalwahl am 27. Juni statt). Dies zeigt, dass die Kopplung von Wahlen sich nicht positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt.

Politische Stimmung im Vorfeld der Europawahl

Europawahlen folgen eigenen Gesetzen. Nationale Probleme sind wichtiger als europäische. Seit der ersten Europawahl 1979 wird das Europäische Parlament von den Deutschen – dies verbindet sie mit ihren (west)europäischen Nachbarn – nicht weiter beachtet. Eine der Besonderheiten von Europawahlen seit 1989 ist die Artikulation von Protest, was sich vor allem in der Wahl der kleinen Parteien ausdrückt. 1989 zogen die REP mit 7,1 Prozent aufsehenerregend in das Parlament ein. 1994 erhielten die Splitterparteien starken Zulauf. Auf die REP entfielen 3,9 Prozent, die PDS erhielt 4,7 Prozent und die Sonstigen 6,3 Prozent. 1999 konnte die PDS mit 5,8 Prozent sechs Abgeordnete in das Parlament entsenden. Die sonstigen Parteien erreichten 3,7 Prozent. Auch bei der Europawahl 2004 konnten die kleinen Partien von der Proteststimmung profitieren. Sie erzielten 9,9 Prozent.

Wie schon bei den Wahlen zuvor stand auch diese Europawahl unter nationalen Vorzeichen. Im Unterschied zu der Wahl 1999, wo über die Einführung des EURO und den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo diskutiert wurde, fanden bei dieser Wahl keine europaspezifischen Themen Einlass in den Wahlkampf. Weder die EU-Osterweiterung, die Debatte um die Einführung der europäischen Verfassung noch die potentielle Aufnahme der Türkei in die Europäische Union werden thematisiert.

Die Europawahl 1999 wurde zu einer massiven Abrechung mit der Innenpolitik der 1998 gewählten rot-grünen Bundesregierung. 2004 spielten die gleichen Wahlmotive eine Rolle. Im März fiel die SPD in der politischen Stimmung auf ein Rekordtief. Sie fand nur noch bei 21 Prozent der Deutschen Rückhalt. Dies war der schlechteste Wert für die SPD seit einem Vierteljahrhundert Politbarometer (Forschungsgruppe Wahlen: März 2004). Zwar hat sich die SPD unmittelbar vor der Europawahl leicht erholt, doch in der politischen Stimmung kam sie im Mai nur auf 27 Prozent. Die Grünen sind von der Krise der SPD nicht befallen. In Umfragen schwanken sie um die 10-Prozent-Marke.

Dementsprechend negativ ist die Bewertung der Arbeit der Bundesregierung. Im Mai zeigten sich nur 14 Prozent der Deutschen zufrieden mit der Arbeit der rot-grünen Bundesregierung. 84 Prozent waren unzufrieden (Infratest dimap: Mai 2004).

Die politische Grundstimmung ist von Ängsten und Sorgen geprägt. 81 Prozent finden, dass die Verhältnisse in Deutschland eher Anlass zur Beunruhigung geben; nur 14 Prozent sind zuversichtlich. Die Beunruhigung über die Lage in Deutschland hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich verstärkt (Infratest dimap: Mai 2004). Hinzu kommt ein starker wirtschaftlicher Pessimismus. Nur 18 Prozent glauben, dass es mit der Wirtschaft aufwärts geht, 47 Prozent sehen weiterhin ökonomischen Stillstand und 33 Prozent befürchten, dass es mit der Wirtschaft eher bergab geht (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004).

Von dieser pessimistischen Grundstimmung profitiert die Union. Unmittelbar nach der Bundestagswahl 2002 begann der Aufstieg der Union. In der Sonntagsfrage liegt die Union seit diesem Zeitpunkt deutlich vor der SPD. Doch bestehen nach wie vor Zweifel, dass eine unionsgeführte Bundesregierung die anstehenden Aufgaben und Probleme besser lösen kann.

Für mehr als die Hälfte der Befragten spielt die Politik in Deutschland eine größere Rolle als die Europapolitik (Infratest dimap: Mai 2004: 56 Prozent; Forschungsgruppe Wahlen :Juni 2004: 57 Prozent). Dies ist kein neues Phänomen. 1999 hatte für 59 Prozent der Deutschen die Bundespolitik Vorrang und nur für 34 Prozent genoss die Europapolitik Priorität (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 1999). Bei der Europawahl 2004 gilt dies insbesondere für die Wähler der Union, von denen 65 Prozent bundespolitisch motiviert sind (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004). (2)

49 Prozent der Wähler bewerten die Europawahl als Stimmungstest für die aktuelle Bundespolitik, 45 Prozent sehen das nicht so (Infratest dimap: Mai 2004).

Desinteresse bis hin zur Ignoranz kennzeichnet die Stimmung im Vorfeld der Wahl. Das Interesse an der Wahl ist geringer als jemals zuvor. 64 Prozent geben an, sich weniger oder gar nicht für die anstehende Wahl zu interessieren (Infratest dimap: Mai 2004). Während das Interesse an Politik allgemein bei 52 Prozent der Deutschen stark ist, interessieren sich nur 35 Prozent für Europapolitik (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004). Eng damit korrespondiert, dass sich 57 Prozent schlecht über die Europäische Union informiert fühlen (vor allem jüngere Befragte). 41 Prozent fühlen sich über die Europäische Union ausreichen d informiert (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004).

Die gewachsene Bedeutung der europäischen Ebene ist noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen. Das Desinteresse an der europäischen Ebene spiegelt sich in der Bewertung der Relevanz von Parlamentsentscheidungen wider. Wie in den Jahren zuvor wird der Bundestag als wichtigstes Parlament angesehen (86 Prozent). Landtage halten 74 Prozent für wichtig und Stadt- und Gemeinderäte 71 Prozent. Weit abgeschlagen am unteren Ende der Skala befindet sich das Europäische Parlament, dem gerade 59 Prozent Relevanz attestieren. Diese Hierarchie bleibt seit der ersten europäischen Wahl 1979 unverändert.

Auch in den für die Wahlentscheidung wichtigen Themen findet sich die europaferne Grundstimmung wieder. 78 Prozent benennen die Ausländer- und Zuwanderungspolitik als wahlentscheidendes Kriterium, 74 Prozent entscheiden sich aufgrund der Haltung der Parteien zu den Reformen des Sozialsystems und 73 Prozent nennen den Irak-Krieg (Infratest dimap: Mai 2004). Die Union profitiert von der hohen Bedeutung der Zuwanderungspolitik. Bei der Frage nach der besten Ausländerpolitik setzt mit 31 Prozent eine relative Mehrheit auf die Union. 19 Prozent trauen der SPD eine bessere Ausländerpolitik zu, 11 Prozent sehen dieses Thema am besten bei den Grünen aufgehoben und 33 Prozent halten keine Partei in diesem Politikfeld für kompetent (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004).

Trotz der geringen Relevanz der Europapolitik in der Wahrnehmung, wird die Europäische Union nicht prinzipiell abgelehnt. 31 Prozent sehen in der europäischen Integration eher Vorteile, 41 Prozent bewerten sie mit gemischten Gefühlen und nur 25 Prozent sehen eher negative Auswirkungen. Doch der Einfluss der Europäischen Union in Deutschland stößt eher auf Skepsis. 38 Prozent sind der Ansicht, die Reichweite der Gemeinschaftspolitik sei gerade richtig, 32 Prozent bewerten sie als zu groß und 20 Prozent als zu niedrig. (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004).

Die Union hat – wie auch in den Jahren zuvor – die größte europapolitische Kompetenz. 31 Prozent sagen, dass die Union am ehesten eine Politik vertrete, die in ihrem Sinn sei, 19 Prozent attestieren dies der SPD. Doch 40 Prozent der Wähler können hierzu keine Partei benennen (Forschungsgruppe Wahlen: Juni 2004).

(1)Die Angaben beziehen sich auf die vorläufige Wählerwanderungsbilanz von Infratest dimap. Die Wählerwanderung basiert auf der Bundestagswahl 2002 und ist nicht mit der Europawahl 1999 vergleichbar. Daher ergeben sich in der Analyse des Wahlergebnisses der Europawahl 1999-2004 einige Verzerrungen. Z. B. hat die FDP ihr Wahlergebnis sowohl relativ als auch absolut etwa verdoppelt, in der Wählerwanderungsbilanz erhält sie jedoch fast nur negative Vorzeichen.

Tabellen und Grafiken

(2) Zum Vergleich: SPD: 52 Prozent; Grüne: 30 Prozent; FDP: 43 Prozent; PDS: 59 Prozent; Bundesdurchschnitt: 57 Prozent.

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16. Juni 2004
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