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Kinderrechte und Grundgesetz

von Dr. Katja Gelinsky

Fragen und Antworten zum Vorhaben expliziter verfassungsrechtlicher Verankerung

Eine rechtliche Notwendigkeit, Kinderrechte im Grundgesetz abzubilden, besteht nicht. Die Grundrechte des Grundgesetzes stehen auch Kindern zu. Aber mit der Ausbuchstabierung von Kinderrechten im Grundgesetz verknüpft sich die Erwartung einer Hebelwirkung, das System des Kinderschutzes und der Kinderrechte insgesamt zu stärken.

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Zusammenfassung:
 
  • Der Koalitionsvertrag bestimmt das „Ob“, nicht aber das „Warum“ und das „Wie“ einer ausdrücklichen Regelung zu Kinderrechten im Grundgesetz.
  • Normierungen zu Kinderrechten im Grundgesetz strahlen potentiell auf die gesamte Rechtsordnung aus. Zu bedenken sind mögliche Folgen für Elterngrundrechte, Grundrechte Dritter und staatliche Verpflichtungen, auch finanzieller Art.
  • Eine rechtliche Notwendigkeit, Kinderrechte im Grundgesetz abzubilden, besteht nicht.
  • Die Grundrechte des Grundgesetzes stehen auch Kindern zu. Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundrechte zudem kinderspezifisch ausgestaltet. Eine inhaltliche Schutzlücke des Grundgesetzes mit Blick auf Kinder besteht also nicht.
  • Wenn der Verfassungsgesetzgeber eine explizite Regelung zu Kinderrechten trifft, bedeutet das für sich genommen weder die automatische Einbeziehung noch den automatischen Ausschluss ungeborener Kinder. Soweit in den Verhandlungen zur Aufnahme von Kindergrundrechten nichts anderes vereinbart wird und solange das Bundesverfassungsgericht an seiner Rechtsprechung zu den staatlichen Schutzpflichten für das ungeborene Leben festhält, gilt, dass Ungeborene am Lebensschutz und am Würdeschutz teilhaben.
  • Mit der Ausbuchstabierung von Kinderrechten im Grundgesetz verknüpft sich die Erwartung einer Hebelwirkung, das System des Kinderschutzes und der Kinderrechte insgesamt zu stärken.
  • Die UN-Kinderrechtskonvention und ihre Kernprinzipien Beteiligungsrechte und Kindeswohl sind zentrale Bezugsgrößen in der Diskussion über die Verankerung von Kindergrundrechten. Die Hochzonung der KRK auf die Ebene des Grundgesetzes wird jedoch mit guten Gründen abgelehnt, da beide Regelwerke unterschiedlichen Zielen dienen. Im Übrigen hat die Konvention bereits prägende Wirkung für den Kinderschutz in Deutschland.
  • Für die Debatte über die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz mag der Blick ins Ausland hilfreiche Anregungen geben. Letztlich kommt es aber darauf an, eine Regelung zu finden, die den erwarteten Nutzen und mögliche Risiken für die deutsche Verfassungsrechtsordnung austariert.
  • Schutzinhalte und Regelungsintensität der jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen sind uneinheitlich. Vor allem aber unterscheidet sich das Grundgesetz in seiner Konzeption und Geltung erheblich von den Landesverfassungen. Die dortigen Regelungen bieten deshalb für die geplante Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz nur sehr begrenzt Orientierungshilfe.
  • Elternrechte sind besonders geschützt, weil sie der Entwicklung des Kindes in einer privaten Lebenssphäre dienen. Für das Kindeswohl sind primär die Eltern verantwortlich. Eine Regelung zu finden, die dieses Kernanliegen des Grundgesetzes berücksichtigt, gehört zu den Hauptherausforderungen für den Verfassungsgesetzgeber, wenn er Kinderrechte im Grundgesetz festschreibt.
  • Der Staat darf sich nach geltender Verfassungsrechtslage in die Erziehung und Sorge für die Kinder nur ausnahmsweise einmischen, falls das Wohl der Kinder gefährdet ist, weil die in erster Linie verantwortlichen Eltern ihren Pflichten nicht nachkommen. Je nachdem, welche Regelung der Verfassungsgesetzgeber zu Kinderrechten trifft, könnte dies den Rahmen für staatliche Wächtermaßnahmen erweitern.
  • Geändert haben sich zum Teil die politischen Einschätzungen zu dem Vorhaben „Kindergrundrechte“, nicht aber die juristischen Bewertungen.
  • Nach der Koalitionsvereinbarung, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, käme sowohl eine deklaratorische als auch eine substantielle Verfassungsänderung in Betracht. Bei der Weichenstellung ist zu bedenken, dass das Grundgesetz bereits ein austariertes Schutzsystem bietet, in dem Kinder umfassenden Grundrechtsschutz genießen und das Elternrecht als Garant privater Lebenssphäre geschützt wird.
  • Die explizite Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ändert an der aktuellen Rechts- und Lebenslage von Kindern zunächst nichts. Dafür wären Anpassungen der einfachen Rechtsordnung nötig und die Bereitschaft, stärker in die Zukunft von Kindern zu investieren. Ein entsprechendes Signal kann der Verfassungsgesetzgeber je erfolgreicher senden, desto besser es ihm gelingt, den Schutz von Kindern im Rahmen des bewährten Grundrechtssystems zu präzisieren, ohne die Balance zwischen Kindern, Eltern und Staat zu stören.

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Dr. Katja Gelinsky

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