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Klimareport 2017: Russland

von Igor A. Makarov

Privatsektor und Klimafinanzierung in den G20-Staaten

Erst mit der Möglichkeit für russische Unternehmen, im Rahmen des Kyoto-Protokolls durch die Reduktion von Treibhausgasen Einnahmen zu erzielen, entwickelte sich in Russland im Zeitraum zwischen 2010 und 2012 ein stärkeres Interesse am Thema Klimafinanzierung. Doch im Gegensatz zu vielen anderen entwickelten Ländern, in denen der private Sektor an Lösungen für den Klimaschutz bzw. für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zunehmend aktiv beteiligt wird, bleibt dies für die Privatwirtschaft in Russland nebensächlich.

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Ein Windpark in Selenogradsk. royalty free (Bild Nr. 161601360, AdobeStock)
Ein Windpark in Selenogradsk.

GEMEINSAME UMSETZUNG ALS ANSPORN

Ein Anstieg des Interesses am Thema Treibhausgasemissionen entwickelte sich in Russland im Zeitraum von 2010 bis 2012, als russische Unternehmen die Möglichkeit erhielten, in die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen im Rahmen der Gemeinsamen Umsetzung (Joint Implementation, JI) des Kyoto-Protokolls zu investieren. Insgesamt wurden 108 Projekte mit einem Gesamtpotenzial von 311,5 Millionen Tonnen СО2-Einsparung genehmigt. Die beliebtesten Investitionsbereiche wurden die Entsorgung von Erdölbegleitgas sowie die Reduzierung der Emissionen von Gasen mit hohen Treibhauseffekten. Bei der Anzahl der Einheiten der Emissionsreduktionen im Rahmen der JI unterlag Russland nur der Ukraine. Es hätte mehr Projekte geben können, wenn das Verfahren der Registrierung und der Durchführung der JI in Russland schneller entwickelt worden und weniger kompliziert für potenzielle Investoren wäre.

JI-Projekte haben einen Beitrag zur Reduzierung der Emissionen geleistet, aber man sollte diesen nicht überschätzen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele der registrierten Projekte auch ohne Klimafinanzierung hätten umgesetzt werden können. Einige Firmen, so wird vermutet, haben wahrscheinlich die Emissionswerte absichtlich „aufgeblasen”, um nach den Ergebnissen der Projekte größere Reduzierungen festzustellen.

Im Rahmen der zweiten Periode des Kyoto-Protokolls ab 2013 nahm Russland nicht mehr durch quantitative Verpflichtungen an der JI teil. Das Pariser Klimaabkommen beinhaltet im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll keine quantitativen Verpflichtungen der Länder als Grundlage für JI-Projekte. Es gibt allerdings die Möglichkeit, die Einheiten der Reduzierung auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten an ausländische Partner zu verkaufen. Allerdings haben landesweit nur wenige Unternehmen Erfahrung darin.

PASSIVE KLIMAPOLITIK VERHINDERT UNTERNEHMERISCHES ENGAGEMENT

Der größte Teil der Unternehmen ergreift keine besonderen Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und misst auch nicht das Volumen der eigenen Emissionen. Dafür gibt es zwei Hauptgründe:

Der erste Grund ist die Angewohnheit, Umweltbewusstsein als einen Gegensatz zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu betrachten. Der Konflikt zwischen Gewinn und Umweltschutz ist jedoch insofern künstlich, als er in erster Linie den Konflikt zwischen kurz- und langfristigen Interessen vieler Unternehmen widerspiegelt. Die schwachen Institutionen in Russland schaffen große Unsicherheit und verkürzen den Planungshorizont. Deswegen bekommen die kurzfristigen Interessen unvermeidlich den Vorzug vor den langfristigen. Insbesondere gilt das während einer Rezession und während politischer Spannungen aufgrund der Konfrontation mit den westlichen Ländern.

Der zweite Grund ist eine vollkommen passive staatliche Klimapolitik. Russland wurde in den letzten Jahrzehnten ein führendes Land bei der absoluten Reduzierung der Emissionen. 2015 war es eine Reduzierung um 29,6 Prozent des Niveaus von 1990. Aber das war kein Ergebnis spezieller Maßnahmen, sondern einer Transformationswirtschaftskrise und der anschließenden Umstrukturierung der Wirtschaft. Das erlaubte Russland, seine Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll (sie bestanden in der Nichtüberschreitung des Emissionsniveaus von 1990) mit einem riesigen Vorsprung zu übertreffen, und nahm Moskau die Anreize zur Überführung der Wirtschaft in eine grüne Richtung.

Erst im Jahr 2013 wurde in Russland ein Ziel zur Einschränkung der Treibhausgasemissionen per Gesetz aufgestellt. Nach dem Erlass des Präsidenten sollen die Emissionen bis 2020 75 Prozent des Niveaus von 1990 nicht übersteigen. Dieses Ziel bedeutet nicht nur die Möglichkeit der Emissionserhöhung im Vergleich zum derzeitigen Stand, sondern auch, unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Rezession, dass es praktisch nicht überschritten werden kann. Doch im Rahmen seines national festgelegten Beitrags, eingereicht bei der Vorbereitung des Pariser Abkommens, bekräftigte Russland wieder ein schwächeres Ziel (70 bis 75 Prozent der Emissionen von 1990), allerdings „unter der Bedingung der maximal möglichen Berücksichtigung der Absorptionskapazität der Wälder”. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieses Ziel ohne zusätzliche Anstrengungen erreicht.

Russland hat das Pariser Abkommen noch nicht ratifiziert und wird dies wohl nicht vor 2019 tun. Allerdings ist ein Aktionsplan zur Ratifikation schon vorbereitet und soll einen Punkt bezüglich der Entwicklung eines Gesetzesentwurfs zur staatlichen Regulierung der Emissionen beinhalten. Dieser Plan soll bis 2019 abgeschlossen sein und ein Modell der Regulierung bis Ende 2017 vorgeschlagen werden. Die großen Unternehmen müssen zu diesem Zeitpunkt beginnen, jährlich über ihre Emissionen Bericht zu erstatten. Während der Vorbesprechungen wurde mehrmals die mögliche Anwendung von Marktmechanismen in Russland (Kohlenstoffsteuer oder Emissionshandelssystem) diskutiert. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die einzigen offiziell gesetzten Ziele, sowohl für 2020 als auch für 2030, ohne zusätzliche Maßnahmen durchgeführt werden können, ist es schwer, sich heute einen solchen Mechanismus vorzustellen.

INITIATIVEN DER PRIVATWIRTSCHAFT

Doch trotz der hohen Ungewissheit und der passiven staatlichen Klimapolitik sind die Debatten über die private Klimafinanzierung in den letzten Jahren etwas intensiver geworden. Eine Schlüsselrolle spielten dabei das im Dezember 2015 unterzeichnete Pariser Abkommen wie auch Oleg Deripaska, Eigentümer von Rusal, dem größten Aluminiumunternehmen im Land. Gemeinsam mit führenden russischen Banken und Versicherungen sowie einigen großen Unternehmen gründete Rusal die russische Partnerschaft für Klimaschutz. Die meisten der Mitglieder haben ein kommerzielles Interesse an der Entwicklung der Klimaagenda. Rusal z. B. sieht in der Verwendung der sauberen Wasserkraft Sibiriens und des Fernen Ostens seinen Vorteil gegenüber den chinesischen Konkurrenten, die Kohle verwenden. Die Mitglieder dieser Partnerschaft sind im Moment die wichtigsten Unterstützer der schnellstmöglichen Einführung eines CO2-Regulierungssystems in Russland.

Solche Initiativen lassen sich schwer als ausreichend vorbereitet bezeichnen und es ist nicht verwunderlich, dass sie auf Widerstand eines anderen Teils der Wirtschaft treffen. Die Gegner der Kohlenstoffregulierung, unter ihnen auch die Kohle- und Stahlunternehmen, kritisieren solche Initiativen und warnen sogar vor der Ratifizierung des Pariser Abkommens als Bedrohung für den russischen Energiesektor und damit für die gesamte Wirtschaft.

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Quelle: Zusammenstellung des Autors, Daten: UNFCCC, WIOD(The World Input-Output Database)

INTERNATIONALE MÄRKTE ALS TRIEBFEDER

Wahrscheinlich wird in den nächsten Jahren die private Klimafinanzierung in Russland allmählich erweitert werden. Wenn Unternehmen in den führenden Ländern auf ein CO2-Management entlang der Wertschöpfungsketten achten, werden sie zwangsläufig anspruchsvoller gegenüber ihren Partnern. In den letzten Jahren erhalten russische Unternehmen von ihren ausländischen Kunden und Investoren immer öfter Anfragen zur Offenlegung von Informationen über ihre Emissionen. Als Reaktion auf diesen Trend beteiligen sich jährlich etwa zehn russische Unternehmen am Carbon Disclosure Project (CDP), das die Bildung einer Rangliste der Unternehmen im Bereich der Klimaberichterstattung zum Ziel hat. Darin enthalten ist nicht nur das traditionell klimaschutzaktive Unternehmen Archangelsky TSBK, sondern auch Riesenfirmen wie Gazprom, Novatek und Lukoil.

Allmählich wird nicht nur die Qualität der Berichterstattung über Emissionen zu einem grundlegenden Kriterium für die Partner zur Entscheidung über künftige Kooperationen. Auch das Emissionsvolumen als solches wird zunehmend als Maßstab für eine mögliche Zusammenarbeit bewertet. Mögliche Geschäftspartner bewerten ebenfalls den jeweils aktuellen Verschmutzungsgrad und lassen diesen in ihre Entscheidung mit einfließen.

Dazu werden auch die zahlreichen Bewertungen der Umweltverträglichkeit der Unternehmen beitragen, die alle notwendigen Informationen über Emissionen in systematischer und vergleichbarer Form darstellen. Schon heute gibt es immer mehr Desinvestitionen, in deren Rahmen Tausende von Investment-und Pensionsfonds, Unternehmen und Privatinvestoren ihre Investitionen aus fossilen Energieunternehmen zurückziehen.

Möglich erscheint auch die schrittweise Einführung einer Zollgebühr für den Umgang mit „Umwelt-Dumping”, insbesondere in Bezug auf die Länder, die keine staatliche Regulierung der Treibhausgasemissionen haben. Wenn solche Mechanismen einmal in Kraft träten, wären russische Unternehmen besonders davon betroffen.

IMPULSE DURCH INTERNATIONALE KLIMASCHUTZPROJEKTE?

Ein wichtiger Motor der Entwicklung der Klimafinanzierung in Russland könnte die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit sein. Das hohe Potenzial für Emissionsreduzierungen auf dem russischen Markt könnte attraktiv für die grüne Projektfinanzierung seitens der internationalen Organisationen oder Privatunternehmen sein. Neben dem ungünstigen Investitionsklima spielen die Sanktionen und die Krise in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen eine negative Rolle. Eine Reihe internationaler Organisationen einschließlich der Globalen Umweltfazilität, der Internationalen Finanz-Corporation und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung haben die Finanzierung der grünen Projekte in Russland eingestellt.

Ohne Überwindung der Konfrontation und den Abbau der finanziellen Sanktionen wird es für Russland schwierig werden, die Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit für die Entwicklung der privaten Klimafinanzierung zu nutzen. Die G20 z. B. wird gegenwärtig von der russischen politischen Elite und von den russischen Klimaexperten überhaupt nicht beachtet.Mehr Hoffnungen bestehen in Bezug auf den Arktischen Rat, in dessen Tätigkeit die Klimaproblematik eine der Prioritäten ist. Kurz- und mittelfristig vielversprechender sieht die Unterstützung von grünen Projekten in Russland im Rahmen der BRICS-Staaten aus, da die Neue Entwicklungsbank diese als einen der wichtigsten Schwerpunkte ihrer Tätigkeit behandelt.

ÜBER DEN AUTOR

Igor A. Makarov ist außerordentlicher Professor an der Higher School of Economics in Moskau.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

Arabella Advisors 2016: The Global Fossil Fuel Divestment and Clean Energy Investment Movement, in: http://bit.ly/2vdEyvx (04.07.2017).

Carbon Disclosure Project (CDP) 2016: CDP Russia-2016: Encouraging Business Leadership on Climate Change, in: http://bit.ly/2ueyhCr (04.07.2017).

Kollmuss, Anja/Schneider, Lambert/Zhezherin, Vladyslav 2015: Has Joint Implementation Reduced GHG Emissions? Lessons Learned for the Design of Carbon Market Mechanisms, Stockholm Environment Institute, Working Paper 2015-07, in: http://bit.ly/2sQpjaZ (12.07.2017).

Korppoo, Anna/Kokorin Alexey 2015: Russia’s 2020 GHG Emissions Target: Emission Trends and Implementation, in: http://bit.ly/2tf1N6R (04.07.2017).

United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC): Intended Nationally Determined Contribution (INDC) of Russia, in: http://bit.ly/2ualscG (04.07.2017).

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6. Juli 2017
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland