Fragile Energiesicherheit
Der Krieg zwischen dem Iran und Israel hat gezeigt, wie fragil unsere Energiesicherheit ist. Denn nicht nur eskalierende Energiepreise rückten in greifbare Nähe, sondern auch der Extremfall von Versorgungsengpässen erschien plötzlich denkbar. Erneut wurde offensichtlich, dass die bisher zu wenig auf Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit ausgerichtete Energiewende dies nicht kompensieren kann.
Es entstand der trügerische Eindruck, dass sich Deutschland und die EU in einer starken Energiesicherheitsposition befinden. Deutschland importiert nämlich weder iranisches Öl noch Gas und die ersten im Zuge der Auseinandersetzung über den globalen Energiemarkt nach Deutschland getragenen Preiserhöhungen fielen vergleichsweise moderat aus. Zugleich hat die Europäische Union (EU) in den vergangenen Jahren zahlreiche Initiativen zur Verbesserung der Energiesicherheit angestoßen, insbesondere um die Abhängigkeit von Russland zu verringern. Beispiele hierfür sind die Verpflichtung zur Bildung von Gasreserven, die Förderung des Ausbaus und der Nutzung erneuerbarer Energien sowie die Diversifizierung der Energieimportländer.
Extremszenario einer Blockade
Anfällig für Energieschocks sind wir aber immer noch. Denn mit der Diversifizierung geht auch eine stärkere Abhängigkeit von den globalen Energiemärkten einher. Das Extremszenario einer Blockade der Straße von Hormus, über die rund 20 Prozent des weltweiten Öls und 15 Prozent des LNG-Handels laufen, wurde offen diskutiert. Für Deutschland wäre das eine enorme Belastung. Denn obwohl die Öl- und Gasreserven in Deutschland relativ robust aufgestellt sind, hängt die Versorgungssicherheit stark von intakten Importflüssen, funktionierenden Importmöglichkeiten und stabilen Lieferketten ab.
Zwar ist Deutschland heute besser als 2022 gegenüber langanhaltenden und extremen Störungen gerüstet, es bleibt aber verwundbar. Hinzu kommt, dass für Deutschland zunehmend wichtigere Energieexporteure wie Katar im Nahen Osten oder die USA nun mehr Gas an die EU exportieren. Beides bringt jedoch angesichts der Krise im Nahen Osten auch neue Herausforderungen mit sich. So könnten Energieimporte aus Katar durch instabile regionale Verhältnisse beeinträchtigt werden und die Abhängigkeiten gegenüber den USA steigen.
Energiepreise, Infrastruktur und Lieferrouten
Unabhängig davon, wie sich die Lage im Nahen Osten weiterentwickelt: Die Entlastung unserer Energiepreise erhält dadurch eine neue Dringlichkeit. Niedrige Strompreise machen Deutschlands Wirtschaft nicht nur wettbewerbsfähiger, sondern gegenüber externen Schocks robuster. Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat Deutschland gezeigt, dass es große Energieinfrastrukturprojekte wie die Einrichtung von LNG-Terminals in Rekordzeit umsetzen kann. Dieses Tempo sollte auch bei den bereits angekündigten großskaligen Energieinfrastrukturen wie Wasserstoff-Terminals, Wasserstoffnetzen, Elektrolysefabriken und entsprechenden Speicherkapazitäten aufgebracht werden. Nur so kann die Nutzung heimischer erneuerbarer Energien zeitnah und effektiv zur Energieversorgungssicherheit beitragen.
Ein besonderes Augenmerk gilt es auf den Bereich verlässlicher Lieferrouten für Flüssiggas und Wasserstoff zu legen. Deutschland sollte gemeinsam mit der EU gezielt in die Resilienz seiner Energieimporte investieren: durch eine strategisch ausgerichtete Diversifizierung von Lieferpartnern und -routen, den Auf- und Ausbau physisch geschützter und technologisch abgesicherter Transportinfrastrukturen sowie die Verstärkung energiediplomatischer Beziehungen mit Fokus auf stabile und langfristige Wasserstoff- und Gaslieferverträge.