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"Südkoreas Präsidentin unter Druck"

Wer wird neuer Premierminister?

Innerhalb weniger Wochen hat auch der zweite Kandidat für das Amt des südkoreanischen Regierungschefs seinen Rückzug verkündet. Ein schwerer Schlag für Präsidentin Park, sagt Korea-Experte Norbert Eschborn aus Seoul.

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Deutsche Welle: Herr Eschborn, noch immer steht nicht fest, wer künftig Regierungschef in Südkorea sein wird. Die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye ist bei ihrer Kabinettsumbildung erneut gescheitert. Beide von ihr vorgeschlagenen Kandidaten sind aufgrund verschiedener Vorwürfe, die ihre Vergangenheit betreffen, so sehr unter Druck geraten, dass sie freiwillig auf das Amt verzichtet haben. War es aus Ihrer Sicht in beiden Fällen der einzig mögliche und logische Schritt, zu verzichten - oder hat Sie das überrascht?

Norbert Eschborn: Wenn man die Kultur und die Befindlichkeiten der koreanischen Öffentlichkeit kennt, dann war das nicht überraschend. Das Land ist seit dem Untergang des Fährschiffs "Sewol" am 16. April sehr aufgewühlt. In der Innenstadt von Seoul stehen noch immer an verschiedenen Stellen Traueraltäre. Die offizielle Untersuchung zur Klärung der Ursachen und Verantwortlichkeiten hat noch nicht begonnen, aber die Öffentlichkeit möchte - auch befeuert durch die Medien - dass die Regierung Zeichen setzt und Schritte einleitet, um ein professionelleres Handeln auf allen Ebenen in Zukunft sicherzustellen.

Der alte Regierungschef hatte ja im Zusammenhang mit dem Fährunglück die politische Verantwortung übernommen und seinen Rücktritt erklärt. Jetzt ist in der Rolle des künftigen Regierungschefs natürlich jemand gefordert, der einen Neuanfang symbolisiert. Das aber war bei den beiden vorgeschlagenen Kandidaten überhaupt nicht der Fall. Die hiesigen Medien kritisieren derzeit sehr stark, dass es offensichtlich im konservativen Lager keine geeignete Persönlichkeit für den Posten gibt. Das liegt natürlich auch an der Art und Weise, wie die Präsidentin ihr Führungspersonal auswählt.

Das heißt?

Ein wesentliches Kriterium ist eine enge Beziehung zu der entsprechenden Person. Das ist sehr koreanisch - und das würde wahrscheinlich jeder Präsident machen. Dazu kommt natürlich die ideologische Nähe. Es muss eine Persönlichkeit sein, die natürlich aus dem Saenuri-Lager der Regierungspartei kommt, die aber in der Lage ist, über Parteigrenzen hinweg die Bevölkerung zusammenzuführen. Und natürlich sollte es jemand sein, dem man auch zutraut, die Vorgaben der Präsidentin bei der Führung der Ministerien eins-zu-eins in praktische Politik umzusetzen. Das ist hier in Korea die Aufgabe des Premierministers.

Wie ist es zu erklären, dass entsprechende Stolpersteine in der Biografie der potenziellen Kandidaten nicht vorher aufgefallen sind?

Die Überprüfung der Kandidaten ist nur sehr oberflächlich geschehen und offenbar auch in großer Hektik, weil man nach dem ersten gescheiterten Kandidaten schnell einen zweiten präsentieren wollte. Das ist ein großer Mangel, vor allem im Hinblick auf die bereits zitierten Befindlichkeiten.

Schon seit einigen Jahren herrscht eine sehr anti-japanische Stimmung im Land, und Moon Chang Keuk, der Kandidat, der jetzt zurückgezogen hat, ist durch öffentliche Äußerungen aufgefallen, in denen er sich nicht absolut kritisch zur japanischen Kolonialherrschaft in Korea geäußert hat. Das ist im Moment ein absolutes No-Go. Alles, was zu pro-japanisch wirkt, ist ein Ausschlusskriterium für die Nominierung einer hochrangigen politischen Persönlichkeit. Das hatte man in diesem Fall schlichtweg nicht überprüft. Die Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen waren aber sehr schnell bei der Hand mit der Vorlage der entsprechenden Belege, was dann natürlich ein ganz entscheidender Grund dafür war, dass Herr Moon zurückziehen musste.

Was war das Problem mit dem ersten Kandidaten?

Der vorhergehende Kandidat war ein hoher Richter, der sich wegen einer Kontroverse über seine hohen Einkünfte nach dem Ausscheiden aus dem Amt zurückgezogen hatte. Er galt zwar als kompetent, aber eben nicht als integer. Und genau das - mangelnde Integrität und Professionalität - hat man als zwei der Hauptursachen des Fährunglücks identifiziert. Somit können Personen, die dafür stehen, natürlich unmöglich in solche Ämter berufen werden. Die öffentliche Wirkung wäre verheerend. Und sie würden auch die Nominierungs-Anhörungen im Parlament nicht überstehen.

Was bedeutet das für die Präsidentin - wie sehr steht sie unter Druck?

Sie ist natürlich unter Druck. Das Ganze wirkte schon sehr unprofessionell. Es ist ihr auch nicht zum ersten Mal passiert. Nachdem sie zur Präsidentin gewählt worden war, hatte sie im Frühjahr 2013 ihren ersten Premierminister-Kandidaten nominiert, und auch er ist durchgefallen. Diese Fehlnominierungen haben also schon eine Geschichte in der Administration Park Geun Hye. Das macht es jetzt doppelt schwer in der öffentlichen Wirkung.

Was kann oder muss Präsidentin Park jetzt tun, um jetzt noch einen Kandidaten zu finden?

Es ist meiner Meinung nach überall schwierig, einen passenden Kandidaten zu finden. Es ist nicht so, dass alle Kandidaten, die dem Regierungslager nahe stehen, mit Fehlern behaftet sind, sondern die Ausschlussgründe, die zum Rückzug der beiden Kandidaten geführt haben, würden wahrscheinlich auch wirksam werden, wenn die Opposition an der Regierung wäre. Ausschlusskriterien sind weniger parteipolitischer oder ideologischer Art, sondern liegen in allgemeinen Verhaltensweisen, die mit der politischen Kultur Koreas zusammenhängen.

Kurz nach der Sewol-Tragödie haben Sie die Frage, ob es eine politische Krise in Südkorea gebe, mit "nein" beantwortet. Wie beurteilen Sie die Situation jetzt?

Es ist mittlerweile schon anders zu bewerten. Mit der Nominierung des nächsten Kandidaten muss der Präsidentin wirklich ein Treffer gelingen. Wenn sie das nicht schafft, hätten wir die Situation, dass eine für eine fünfjährige Amtszeit gewählte Präsidentin nach noch nicht einmal zwei Jahren bereits den Status einer "lahmen Ente" hätte. Man muss sich fragen, wie viel politische Durchsetzungskraft sie dann in der verbleibenden Amtszeit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Dezember 2017 noch hätte.

Denn natürlich haben diese Nominierungsprobleme viel von ihrem Ruf als durchsetzungsfähige und eigentlich auch in ihren politischen Entscheidungen sichere Persönlichkeit gekostet, als die man sie wahrgenommen hat, als sie Parlamentsabgeordnete und Parteivorsitzende war. Jetzt wird von ihr als Staatsoberhaupt in einem Präsidialsystem erwartet, dass irgendwann Entscheidungen getroffen werden, die Bestand haben, weil sie gut vorbereitet sind.

Das ganze System kann Schaden nehmen, und die Person der Präsidentin hat bereits Schaden genommen. Es gibt hier und da schon Stimmen von der "verlorenen Präsidentschaft". Das ist nicht zu überhören, und das sind Warnsignale für den Präsidentenpalast, die unbedingt beachtet werden müssen.

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