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Die Reform der höheren Bildung in den USA

OBAMAS ANSATZ ZUR NOVELLIERUNG DES HIGHER EDUCATION

Das Hochschulrahmengesetz (Higher Education Act, HEA) aus dem Jahre 1965 legt die gesetzliche Grundlage für die Bildungsressourcen amerikanischer Universitäten sowie die finanzielle Unterstützung für Studenten durch den Staat. Die derzeitigen Regelungen (Novelle 2008) laufen Ende 2013 aus. Bis dahin muss sich der US Kongress über einen neuen Rahmen verständigt haben. Zeit für Präsident Obama, die Reform des kränkelnden Hochschulsystems in den USA zur persönlichen Mission zu erklären.

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Grund zur Sorge bereitet derzeit vor allem die in den letzten Jahren rasant angestiegene Verschuldung von Hochschulabgängern angesichts stetig höherer Studiengebühren: „Wir erleben eine Krise der Bezahlbarkeit von Hochschulen und der Verschuldung von Studenten.“ Im Rahmen einer zweitätigen Busfahrt durch die Staaten Pennsylvania und New York stellte Präsident Obama nun seine Reformpläne vor, mit deren Hilfe er die Finanzierbarkeit von Hochschulbildung in den USA zu verbessern sucht - insbesondere für die Mittelschicht. Letztlich geht es auch um einen verbesserten Zugang zu Hochschulbildung.

Nach Angaben der US-amerikanischen Statistikbehörde sind die Gebühren für eine vierjährige Ausbildung an einer öffentlichen Hochschule in den letzten drei Jahrzehnten um 250% angestiegen, wohingegen das durchschnittliche Familieneinkommen im selben Zeitraum lediglich um 16% angewachsen ist. Der zuletzt anhaltende Rückgang der Bildungsausgaben in den Staaten um durchschnittlich 13 Prozent zwischen 2006 und 2011 lässt die Studiengebühren weiterhin ansteigen und führt zu höheren finanziellen Belastungen der privaten Haushalte. Berechnungen der Federal Reserve Bank New York zur Folge, hat sich die Höhe der ausstehenden Studiendarlehen in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht und beläuft sich derzeit auf nahezu eine Billionen US-Dollar. Damit ist die Verschuldung innerhalb einer Dekade um 310% gestiegen. Im Jahre 2012 waren 66% der eingeschriebenen Studenten verschuldet. Die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung eines Hochschulabsolventen liegt gegenwärtig bei über 26.000 US-Dollar - mit steigender Tendenz.

Besonders stark trifft die Schuldenlast Hochschulabbrecher, deren Zahlungsverzugs- und Kreditausfallraten aufgrund der geringen Berufsaussichten weitaus höher liegen als die von Hochschulabsolventen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt. In den USA erlangen lediglich 56% der eingeschriebenen BachelorStudenten ihren akademischen Abschluss. Im internationalen Vergleich belegen die USA nach Angaben der OECD damit den letzten Platz. Zwar geben die USA im internationalen Vergleich weiterhin das meiste Geld pro Kopf für Bildung aus (7,3% des BIP), doch das Bildungssystem ist insgesamt zu kostenintensiv und bringt dennoch nicht die benötigte Qualität der Absolventen hervor, um langfristig im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Diese Ansicht teilt auch die amerikanische Bevölkerung, von der 80% laut einer Umfrage der TIME/Carnegie Corporation der Meinung sind, dass die Qualität des universitären Unterrichtes nicht den hohen Gebühren entspreche.

Zwar postulieren Politik und Hochschulverbände gleichermaßen, dass ein Studium weiterhin mit einer positiven finanziellen Rendite einhergehe. Dies wird auch von der OECD bestätigt, wonach Absolventen mit einem vierjährigen Bachelor Abschluss im Vergleich zu Berufstätigen ohne tertiäre Bildung ein 77% höheres Lebenseinkommen erwarten können. Doch die angeführten Zahlen verdeutlichen, dass die Nachhaltig-keit der amerikanischen Hochschulfinanzierung zunehmend an ihre Grenzen stößt. „Wenn die Kosten um 250% steigen, Steuereinnahmen nicht um 250% steigen dann geht der Regierung irgendwann das Geld aus“, verdeutlichte Obama in seiner Rede an der Universität von Buffalo.

Das Kernstück Obamas Reformagenda ist die Einführung eines neuen Bewertungssystems für Universitäten (College Scorecard). Die neuen Standards sollen es Studenten ermöglichen, ab dem Schuljahr 2015 die Leistung der Universitäten anhand von Daten über Zugangschancen, die Bezahlbarkeit und den Erfolg der Hochschule zu vergleichen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Steuergelder in Form von Studienförderungen nicht mehr nur nach quantitativen, sondern qualitativen Maßstäben vergeben werden. Die rund 220 Milliarden US-Dollar staatlicher und bundesstaatlicher Förderung pro Jahr sollen demnach nicht mehr wie bisher anhand von Einschreibungsraten vergeben, sondern an Abschlussraten und Lerninhalten und somit an einen konkreten Mehrwert gekoppelt werden. Aber auch Kreditempfänger müssen sich auf neue Anforderungen einstellen. So ist die Einführung einer gesetzlichen Regelung geplant, die die Auszahlung finanzieller Staatshilfen an den akademischen Fort-schritt der Studenten bindet.

Präsident Obama setzt weiterhin auf die Förderung von Innovation und Wettbewerb zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung an Universitäten. Dazu zählen unter anderem Maßnahmen die das universitäre Kursangebot durch öffentliche Online Kurse (Massive Open Online Courses, MOOCs) neu gestalten und Internet basierte Lernplattformen etablieren. Dahinter verbirgt sich die Idee, Leistungen anhand von erlerntem Wissen und nicht wie bisher anhand von Anwesenheit zu beurteilen.

Schließlich verspricht die Obama Administration, Studenten bei der Rückzahlung ihrer Schulden zu unterstützen. Hier sieht die Reform vor, die Kreditrückzahlungen flexibler zu gestalten und bei 10% des monatlichen Einkommens zu deckeln (Pay As You Earn). Außerdem sollen Kreditnehmer besser über die verschiedenen Rückzahlungsoptionen informiert werden.

Die Reformagenda der höheren Bildung in den USA ist Teil Präsident Obamas landesweiter Kampagne, fünf Jahre nach dem Beginn der Rezession die wirtschaftliche Sicherheit der amerikanischen Mittelklasse wieder herzustellen. Für Obama ist höhere Bildung „die mit Abstand wichtigste Investition, die Studenten in ihre Zukunft tätigen können“ und heute mehr denn je die sicherste Fahrkarte in die Mittelschicht der amerikanischen Gesellschaft. Höhere Bildung darf nach Ansicht Obamas daher kein Luxusgut sein, sondern ist vielmehr eine ökonomische Notwendigkeit, dessen Zugang jeder Familie in den USA ermöglicht werden muss.

Da Bildung ebenso ein entscheidender Faktor für ökonomische Mobilität von Arbeitnehmern darstellt, spielen in den Reformvorhaben neben dem sozialen Aspekt der höheren Bildung auch wirtschaftspolitische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Über die letzten Jahre hinweg haben die USA zuneh-mend an internationaler Wettbewerbsfähigkeit unter Hochschulabsolventen eingebüßt. In der amerikanischen Arbeiterschaft befinden sich schon jetzt weitaus weniger Hochschulabsolventen als beispielsweise in China oder Indien. Dieser Trend wird sich nach einer Projektion des TIME Magazines bis zum Jahre 2030 noch deutlicher verstärken. Der Handlungsdruck der Regierung wird zudem dadurch erhöht, dass bis 2020 ca. 65% aller Arbeitsplätze in den USA eine postsekundäre Ausbildung verlangen. Die USA liegen im OECD-Vergleich zwar noch über dem Durchschnitt von Hochschulabgängern in der Altersgruppe der 25-34 Jährigen. Doch ein guter Abschluss verspricht aufgrund des internationalen Wettbewerbs nicht mehr automatisch einen guten Arbeitsplatz. Obamas Appell lautet daher: „Wenn Amerika im 21. Jahrhundert weiterhin eine Führungsrolle übernehmen soll, so gibt es nichts Wichtigeres, als jedem die beste Bildung zu ermöglichen“. Vor dem Hintergrund dieses Credos sind auch die bereits erfolgten Bildungsreformen auf bundesstaatlicher Ebene zu verstehen. In 45 der 50 US-Bundesstaaten wurden bereits landesweit verbindliche Bildungsstandards in den Fächern Mathematik und Englisch eingeführt, um Schülerinnen und Schüler optimal auf ihre Hochschullaufbahn vorzubereiten und das Bildungsniveau insgesamt zu steigern.

Bei der politischen Umsetzung muss Obama auf die Unterstützung der Republikaner setzen, da Teile seiner Reform der Zustimmung des Kongress bedürfen. Als Vorbild hierzu führt Obama die jüngste überparteiliche Einigung auf ein neues Gesetz an, das Studenten vor steigenden Zinszahlungen auf Studienkredite schützt. Doch angesichts der anstehenden fiskalpolitischen Debatten über die Schuldengrenze der USA im kommenden Herbst, scheint eine parteiübergreifende Einigung kein Selbstverständnis. Obama fordert die Republikaner daher öffentlich dazu auf, ihre ideologisch getriebene Blockadehaltung im Kongress erneut aufzugeben. „Anstatt sich darauf zu konzentrieren der Mittelklasse zu helfen, drohen sie damit die Regierungsgeschäfte still zu legen und eine neue Finanzkrise auszulösen“. Führende republikanische Kongressvertreter wie der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Arbeit im Repräsentantenhaus, John Kline (Minn.), zeigten sich in einer ersten Reaktion grundsätzlich positiv gestimmt, den Wettbewerb und Innovation zwischen den Universitäten zu steigern. Gleichzeitig stellte Kline jedoch in Frage, ob dies mittels eines neuen Bewertungssystems erzielt werden könne. Er sieht vielmehr die Gefahr bundesstaatlicher Preiskontrollen als Konsequenz des neuen Systems.

Auch amerikanische Hochschulvertreter äußern Bedenken über die Etablierung eines Systems, das die Vergleichbarkeit von Universitäten zufriedenstellend gewährleistet. Dies sei seit langem eine umkämpfte Diskussion unter Wissenschaftlern. Auf der an-deren Seite haben Hochschulen jedoch erkannt, dass sie angesichts der Sorgen in der Gesellschaft über die rasant steigenden Bildungskosten ihre Unterrichtsqualität steigern und vor allem administrative Kosten senken müssen. Vor diesem Hintergrund kann Präsident Obama auf die Kooperationsbereitschaft der Hochschulen bei der Umsetzung seiner Vorhaben hoffen.

Ausgenommen der innenpolitischen Hürden im US Kongress warnen Bildungsexperten davor, dass Washington nur über limitierte Möglichkeiten verfügt, den Trend steigender Bildungskosten für private Haushalte zu stoppen, solange die Bundesstaaten ihre Bildungsausgaben weiter kürzen. Rufe nach einem neuen Bildungsföderalismus, der die Staaten davon abhält ihre Ausgaben zu reduzieren, werden demnach lauter.

Die anstehende Novelle des Hochschulrahmengesetzes ist für Obama eine willkommene Gelegenheit, seine Agenda tatsächlich voranzubringen. Doch nur wenn es Obama gelingt, den Interessen sowohl der Gesetzgeber beider Parteien im Kongress als auch in den Staaten sowie von privaten und öffentlichen Hochschulen und der Bevölkerung im Allgemeinen im Rahmen seiner Reformen gerecht zu werden, bleibt höhere Bildung in den USA und somit die amerikanische Mittelklasse lebendig.

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Paul Linnarz

Paul Linnarz bild

Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

paul.linnarz@kas.de + 1 202 464 5840
Obama spricht über Höhere Bildung U.S. Department of Education/öffentliches Bild

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