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Länderberichte

Erstmalig Kämpfer der Lord’s Resistance Army vor Gericht

von Peter Girke, Julia Madeleine Remy
Mitte Juli 2011 begann unter großer Medienaufmerksamkeit in Gulu, Norduganda, das strafgerichtliche Verfahren gegen Thomas Kwoyelo. Er war einer der führenden Köpfe der Lord’s Resistance Army (LRA), die den Norden des Landes jahrelang in Angst und Schrecken versetzte und verantwortlich für massive Menschenrechtsverletzungen war.

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Thomas Kwoyelo (39) ist früherer Kommandant der LRA und der erste Verdächtige, der vor der „International Crimes Division“ des High Court vor Gericht steht. 2007 wurde er auf die Liste der am meisten gesuchten Personen in Uganda gesetzt. Im März 2009 wurde er in der Demokratischen Republik Kongo gefasst, nachdem er bei Kämpfen mit Ugandas Armee verletzt worden war.

Die dreistündige Eröffnungsverhandlung fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Ursprünglich bestand die Anklage aus zwölf Punkten, die sich ausschließlich auf Verstöße gegen die vierte Genfer Konvention bezogen, die 1949 Richtlinien für den humanitären Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten festlegte. In der ersten Verhandlung brachte die Staatsanwaltschaft jedoch 53 zusätzliche Anklagepunkte vor, sodass sich Thomas Kwoyelo nun einer Anklage stellen muss, die 65 Straftaten umfasst. Ihm werden Mord, Geiselnahme in Verbindung mit versuchter Tötung, erhebliche Zerstörung von Eigentum während eines Angriffs auf das Dorf Abera und mehrere Körperverlet-zungsdelikte im Zeitraum von 1992 bis 2005 zur Last gelegt. Laut Anklageschrift wurden alle Taten entweder von ihm persönlich oder mit seinem Wissen ausgeführt.

Kwoyelo bestreitet seine Schuld, seine Anwälte führten zu Beginn des Prozesses an, die Verweigerung von Amnestie verstoße gegen Art. 21 der Verfassung, der Gleichbehandlung aller Angeklagten gewährleistet. Kwoyelo hatte sich 2010 gemäß dem Amnestiegesetz für eine Amnestie beworben. Während viele hochrangige Mitglieder der LRA Straffreiheit erhalten hatten, wurde Kwoyelo die Amnestie verweigert. Einige Stimmen in der Presse behaupten daher, das Verfahren sei politisch motiviert, während andere darauf verweisen, dass die strafrechtliche Ahndung von Verbrechen in einem funktionierenden Rechtsstaat geboten sei. Das Gericht hat auf die Einwände der Anwälte Kwoyelos hin die Verhandlung zunächst bis Ende Juli vertagt – bis dahin sollen die vorprozessualen Fragen geklärt werden.

Bemängelt wurde von den Anwälten auch staatliches Versagen im Hinblick auf die Bereitstellung von Beweisen und Zeugen, die trotz eines entsprechenden Urteils des Verfassungsgerichts bisher nicht erfolgt sind. Fraglich ist auch, ob die „International Crimes Division“ den ugandischen „Geneva Conventions Act“ überhaupt anwenden kann, da dieser an sich nur für Konflikte zwischen zwei Staaten geschaffen wurde.

Bei Eröffnung der Verhandlung erklärte der vorsitzende Richter, dass der ugandischen Bevölkerung und der internationale Gemeinschaft vermittelt werden müsse, dass Recht gesprochen werde. Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, viele Bürger fanden keinen Platz mehr und konnten die Verhandlung nicht verfolgen. Zurzeit wird geplant, den Prozess auf einem der Öffentlichkeit zugänglichen Bildschirm zu übertragen. Die Tatsache, dass die Gerichtsverhandlung in Gulu stattfindet, wo die LRA die meisten Verbrechen beging und folglich ein besonderes öffentliches Interesse besteht, soll auch dazu beitragen, eine Akzeptanz der neu erschaffenen „International Crimes Division“ sicherzustellen.

Die „International Crimes Division“ wurde erst kürzlich ins Leben gerufen. Sie wurde 2009 als Abteilung des High Court gegründet und ist infolge der 2008 zwischen der ugandischen Regierung und der LRA geführten Friedensverhandlungen zustande gekommen. Die „International Crimes Division“ ist zuständig für Verfahren gegen Privatpersonen, denen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Norduganda vorgeworfen werden.

Die LRA ist eine paramilitärische Gruppe, sie wird von den USA als terroristische Organisation eingestuft. Sie hat in Norduganda für die Errichtung eines Gottesstaates gekämpft und dabei zahlreiche schwere Verbrechen begangen. Der vierundzwanzig Jahre lange Konflikt zwischen LRA und Regierung hat über 30.000 Menschen das Leben gekostet; fast zwei Millionen sind durch die Kämpfe zu Binnenvertriebenen geworden. Der Anführer der LRA, Joseph Kony, ist zwar vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagt, konnte aber nach wie vor nicht festgenommen werden.

Der Konflikt in Uganda fand erst im Jahr 2006 ein Ende, als der Friedensprozess mit den so genannten „Juba Talks“ initiiert wurde. De facto ist die LRA jedoch bis heute in benachbarten Staaten wie der Demokratischen Republik Kongo, dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik aktiv und begeht weiterhin Gewalttaten. So kamen im Juni 26 Menschen in der Demokratischen Republik Kongo ums Leben, 21 Menschen wurden entführt.

Die Fortsetzung des Prozesses gegen Thomas Kwoyelo wird in Uganda genau beobachtet werden. Insgesamt sollen 80 bis 90 Zeugen gehört werden. Während Thomas Kwoyelo vor der „International Crimes Division“ angeklagt wird, müssen sich Joseph Kony, der Kopf der LRA, und weitere zwei seiner noch lebenden Gefolgsleute vor dem internationalen Strafgerichtshof verantworten. Grundsätzlich ist der internationale Strafgerichtshof gegenüber nationalen Gerichten subsidiär zuständig und begrüßt es, wenn die nationalen Gerichte die Strafverfolgung selbst übernehmen (können). Im Fall Kony und seiner damals vier höchstrangigen Kämpfer fehlte es diesbezüglich anscheinend nicht am politischen Willen, denn Uganda war das erste Land, das aus Eigeninitiative diese Fälle von Kriegsverbrechen im Jahr 2003 an den Internationalen Strafgerichtshof verwies, woraufhin dieser 2005 schließlich Anklage erhob.

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