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Länderberichte

Generationenwechsel an Chinas Spitze

von Regina Larkö (geb. Edelbauer)

Verschlossenheit bringt Regierung an ihre Legitimationsgrenzen

Das innerparteiliche Lobbying um einen Sitz im Ständigen Ausschuss des Politbüros (PSC, Politburo Standing Committee), das höchste Parteigremium und zentrale Machtorgan der Volksrepublik China, begleiteten nationale und internationale Medien 2012 außerordentlich ausführlich. Trotzdem bleibt der Regierungswechsel der zweitgrößten Weltwirtschaftsmacht ein undurchsichtiger Prozess, an dem nur die ranghöchsten Politiker teilhaben dürfen. Externe Beobachter sind unerwünscht. Gerade diese Verschlossenheit bringt die chinesische Regierung an ihre Legitimationsgrenzen.

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In den vergangenen Monaten hielt das Rätselraten um das Datum des 18. Parteitags, der den Generationswechsel an Chinas Spitze am 8. November 2012 offiziell einleitet, die Öffentlichkeit ebenso in Atem wie die Disziplinarermittlungen gegen hochrangige Parteikader. Das temporäre Verschwinden eines der einflussreichsten Politbüro-Mitglieder, Xi Jinping, der zwei Wochen – ohne offizielle Begründung – allen öffentlichen Terminen fernblieb, erklärten sich chinesische Blogger mit Krankheit, Autounfall oder Sportverletzung. Wenn Politskandale digital offengelegt und heftig debattiert werden, sagt ein Schweigen der Regierungsstellen mehr als tausend Worte. Die politische Machtzentrale setzte sich der Gefahr aus, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Eigendynamik medialer Informationsströme schien die Medienpolitik der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im Vorfeld des 18. Parteitags 2012 in die Defensive zu zwingen. Doch nur zeitweise.

Die chinesische Führung beschreibt ihr politisches System als verfassungsmäßig installierten, demokratischen Zentralismus. In einem Land, in dem sich die politische Entscheidungsgewalt in einem einzigen Parteigremium – dem Ständigen Ausschuss des Politbüros der KPCh – bündelt, und Regierung und Partei eigentlich dasselbe sind, möchte Peking die sogenannte „innerparteiliche Demokratie“ in den Mittelpunkt des politischen Diskurses in und über China rücken. Dieses Konzept ist mit Demokratie nach westlicher Definition (Demokratie gleich freie, öffentliche Wahl) freilich nicht gleichzusetzen.

In der Volksrepublik hat eine Partei die Regierungsführung seit Jahrzehnten inne und ist gleichzeitig die Gründerin des Staates, für den sie sich verantwortlich zeigt. Nachdem die KPCh 1949 erfolgreich aus dem chinesischen Bürgerkrieg hervorging, rief ihr Vorsitzender Mao Zedong die Volksrepublik China aus; am Anfang steht darum – zumindest in der modernen chinesischen Geschichtsschreibung – die Partei, nicht der Staat. Diese Tatsache bestimmt die heutige Verfasstheit chinesischer Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Partei durchdringt jede gesellschaftliche Schicht. Geschäftsführer von Staatsunternehmen führen den Rang eines Vizeministers, Universitätsdirektoren sind hochrangige Funktionäre und der Staatspräsident ist gleichzeitig der Generalsekretär der KPCh. Schlechte Regierungsführung darf in China mittlerweile, und in engen Grenzen, durchaus kritisiert werden, der alleinige Machtanspruch der Partei als wichtigste Identitätsstifterin allerdings nicht. In dem dualen, hierarchisch organisierten System lenken die Kommunistische Partei und der Staatsapparat die Geschicke des Landes. Würde sich die KPCh morgen auflösen, stünde ein Volk von 1,4 Milliarden Menschen mit dem Verlust seiner Staatsgründungsinstanz wohl vor einer enormen Identitätskrise.

Als sich im Vorfeld des Übergangs von der 4. Generation (Staatspräsident Hu Jintao, Premierminister Wen Jiabao) zur 5. Generation (mit großer Wahrscheinlichkeit Staatspräsident Xi Jinping, Premierminister Li Keqiang) die apokalyptischen Vorhersagen über einen Kollaps der Kommunistischen Partei – vor dem Hintergrund der Ereignisse, die als „Arabischer Frühling“ 2011 Schlagzeilen schrieben – mehrten, fiel es selbst ausgewiesenen Experten im In- und Ausland aufgrund intransparenter, innerparteilicher Entscheidungsprozesse schwer, objektive Einschätzungen über die zukünftige Richtung der weltweit am längsten agierenden Kommunistischen Partei und ihren rund 80 Millionen Mitgliedern anzubieten. Vor dem Hintergrund des Regierungswechsels am 18. Parteitag im Spätherbst 2012 muss sich China einmal mehr neu erfinden, um politisch zu überleben.

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