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Historische Wahl in Australien

Labors Erdrutschsieg und Chaos bei den Konservativen

In derselben Woche, in der Kanada wieder überraschend nach links schwenkte, erlebt Australien ein noch eindeutigeres Wahlergebnis. Nur zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale – um 20:25 Uhr am 3. Mai – erklärte ABC News offiziell den Wahlsieg der Australian Labor Party (ALP) und die zweite Amtszeit von Premierminister Anthony Albanese. Eine rote Welle fegte über das Land und bescherte der Liberal-Nationalen Koalition ihre schlimmste Niederlage in ihrer Geschichte. Der Verlust war sowohl in seinem Ausmaß als auch mit Blick auf die Symbolik bedeutsam: Oppositionsführer Peter Dutton verlor seinen eigenen Sitz im Parlament, den er 24 Jahre lang gehalten hatte.

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Eine historische Wahl

Premierminister Albanese trotzte den Umfragen und Prognosen vor der Wahl und erzielte den deutlichsten Sieg der ALP aller Zeiten.Während Meinungsumfragen zwar einen Wahlsieg der ALP vorhergesagt hatten, hatten sie gleichzeitig auf ein Parlament ohne klare Mehrheit als wahrscheinlichstes Ergebnis hingedeutet.[i] Doch schon direkt nach Schließung der Wahllokale, zeigte sich ein landesweiter Umschwung zugunsten der Labor-Partei. Weniger als drei Stunden später erklärte ABC News, dass die ALP die nächste Regierung bilden würde.

Die Wahl markiert einen historischen Moment für die ALP in mindestens drei wichtigen Aspekten.

Erstens wird Albanese der erste amtierende Premierminister, der seit John Howard im Jahr 2004 aufeinanderfolgende Wahlen gewinnt, und durchbricht damit den sogenannten „Amtsinhaber-Fluch“, der mehrere australische Premierminister in den letzten zwei Jahrzehnten geplagt hat. Er ist zudem der erste Premierminister der Labor-Partei seit Bob Hawke (1983–1991), der wiedergewählt wurde.

Zweitens zeichnet sich nach knapp 80% der ausgezählten Stimmen ab, dass die ALP mindestens 85 der 150 Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen wird und damit eine klare Mehrheit weit über der notwendigen Schwelle von 76 Sitzen. Im Gegensatz dazu liegt die Koalition mit nur 39 Sitzen deutlich zurück.[ii] Dies verschafft der ALP eine eindeutige Mehrheit, die über die für eine einfache Mehrheit erforderlichen 76 Sitze hinausgeht. Die Anzahl der Sitze, die die ALP bei dieser Wahl errungen hat, übertrifft nicht nur die 77 Sitze, die sie bei der letzten Wahl im Jahr 2022 erreicht hatte, sondern die Mandatszahl in jeder Wahl in ihrer Geschichte.

Drittens schrieb auch die Liberal-Nationale Koalition Geschichte – wenn auch in enttäuschender Weise. Zum ersten Mal überhaupt hat ein australischer Oppositionsführer seinen Sitz im Parlament verloren. Peter Dutton, der 2001 ins Parlament einzog und seinen Wahlkreis Dickson 24 Jahre lang vertreten hatte, wurde von der ALP-Kandidatin Ali France besiegt. Experten hatten Dickson lange als „den am meisten umkämpften Sitz in Queensland für die Liberale Partei“ identifiziert. [iii] Duttons Ausscheiden aus dem Parlament wirft grundsätzliche Fragen über die zukünftige Ausrichtung und Führung sowohl der Liberalen Partei als auch der breiteren Liberal-Nationalen Koalition auf. Während er in seiner Rede am Wahlabend die volle Verantwortung für die Niederlage übernahm, hat er sich zu seiner eigenen politischen Zukunft oder die Führungssituation in der Partei bisher noch nicht geäußert.

 

Wie kam es zu diesem historischen Ergebnis?

Das Ergebnis dieser Wahl ist in vielerlei Hinsicht überraschend und unerwartet. Die Frage ist: Wie kam es dazu? Welche internen und externen Faktoren haben das Ergebnis dieser Wahl beeinflusst?

 

Die schwierige Wahlkampagne der Liberal-Nationalen Koalition

Die Liberal-Nationale Koalition konnte nicht nur keinen Wahlsieg erringen, sondern die aktuellen Prognosen des Wahlergebnisses zeigen einen erheblichen Rückgang ihrer Sitze im Repräsentantenhaus – von 53 bei der vorherigen Wahl auf möglicherweise weniger als 45. Das historisch schwache Ergebnis reflektiert die erheblichen Schwächen der Koalition im Rahmen ihres Wahlkampfes, insbesondere in Bezug auf ihre Kampagnenbotschaften, die politische Ausrichtung und Gesamtstrategie.

Im Vorfeld der Wahl schien die Koalition schlecht vorbereitet zu sein und führte eine ineffektive Kampagne mit unklaren Botschaften und einer Reihe taktischer Fehltritte. Sie versäumte es, eine kohärente, konsistente Erzählung zu entwickeln, die bei der Wählerschaft Anklang finden konnte. Das Auftreten von Oppositionsführer Peter Dutton verschärfte diese Schwächen zusätzlich. Mehrere schwerwiegende Fehler verstärkten die Wahrnehmung unter australischen Wählern, dass er – und seine Partei – nicht zum Regieren geeignet waren.

 

Zu den deutlichsten Patzern gehörten:

  1. Ein Hin und Her in der umstrittenen Frage zum Recht auf Home-Office[iv];
  2. Die Ankündigung und dann Rücknahme von Forderung nach einem massiven Jobabbau im Öffentlichen Dienst[v];
  3. Eine unpopuläre und vage Nuklearenergiepolitik[vi]; und
  4. Ein diplomatischer Fehltritt im Zusammenhang mit Indonesien, den Dutton während einer Fernsehdebatte vor laufenden Kameras einräumen musste.[vii]

 

Diese Fehler, alle innerhalb des sehr kurzen Wahlkampfzeitraums, zeigten eine Kampagne, der es an strategischer Koordination und Disziplin sowie einer klaren Botschaft mangelte. Letztendlich gelang es Dutton nicht, sich selbst oder seine Partei als eine tragfähige alternative Regierung zu präsentieren, insbesondere in einer Zeit globaler Unsicherheit, in der die Wähler Stabilität und Klarheit suchten.

 

Eine anti-Trump-Stimmung?

Innerhalb einer Woche haben sich zwei große Demokratien – Kanada und Australien – entschieden nach links gewendet und konservative, rechtsgerichtete politische Alternativen abgelehnt. Am vergangenen Montag verlor der kanadische Oppositionsführer Pierre Poilievre die Wahl und seinen Parlamentssitz. Am Samstag ereilte Peter Dutton in Australien dann dasselbe Schicksal. Dutton hatte ein hartes Image gepflegt, sich für umstrittene Beschränkungen in der Einwanderungspolitik eingesetzt und Elemente von Donald Trumps DOGE-Strategie übernommen, einschließlich vorgeschlagener Kürzungen im öffentlichen Dienst. Dieses Branding brachte ihm nicht nur den Spitznamen „Temu-Trump“ (nach dem chinesischem Billighändler Temu) ein, sondern scheint ihn letztendlich die Wahl und seine Chance auf das Amt des Premierministers gekostet zu haben.

Die Ergebnisse der kanadischen und australischen Wahlen signalisieren eine breitere Ablehnung eines polarisierenden Regierungsstils durch die Bevölkerung. Analysten haben auf den „Trump-Faktor“ als einen wichtigen externen Einfluss hingewiesen, der die Wähler gegen rechtsgerichtete Oppositionsparteien beeinflusst. Im aktuellen Kontext globaler Unsicherheit – geprägt von geopolitischen Spannungen, wirtschaftlicher Instabilität und den anhaltenden Auswirkungen von Trumps Handelskriegen – scheinen die Wähler eher geneigt zu sein, den Status quo beizubehalten. Anstatt unbekannte Veränderungen zu riskieren, entschieden sich viele für Kontinuität und Stabilität unter den amtierenden Regierungen.

„[…] Heute haben die Australier für australische Werte gestimmt. In dieser Zeit globaler Unsicherheit haben sich die Australier für Optimismus und Entschlossenheit entschieden. Die Australier haben sich dafür entschieden, globalen Herausforderungen auf australische Weise zu begegnen.“

Premierminister Anthony Albanese während seiner Rede im ALP-Wahlkampfhauptquartier nach dem Wahlsieg.

 

Was bedeutet das Ergebnis für Europa?

Wichtige außenpolitische Themen – wie AUKUS, erhöhte Verteidigungsausgaben und internationaler Handel – spielten während der australischen Wahl eine herausragende Rolle. Vor dem Hintergrund der US-Zollpolitik haben Australien und die Europäische Union (EU) viel zu gewinnen, wenn sie ihre Partnerschaft vertiefen. Die zweite Amtszeit von Premierminister Albanese bietet vor diesem Hintergrund die Gelegenheit, die Bemühungen zum Abschluss des seit langem ins Stocken geratenen Freihandelsabkommens zwischen Australien und der EU wiederzubeleben. Die Verhandlungen wurden seit der fünfzehnten Runde im Jahr 2023 ausgesetzt, aber ein erneutes Engagement beider Seiten könnte jetzt endlich den Weg für eine robustere Handelspartnerschaft ebnen. [viii]

Im Bereich Verteidigung und Sicherheit hat die von der ALP geführte Regierung Australiens Verteidigungshaushalt während ihrer ersten Amtszeit um 50 Milliarden Dollar erhöht, mit dem Ziel, die Verteidigungsausgaben bis in die 2030er Jahre auf 2,3 Prozent des BIP anzuheben. Dies steht im Einklang mit den aktuellen Bestrebungen der EU, ihre eigenen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken. Diese Angleichung strategischer Prioritäten zwischen beiden Partnern schafft auch im verteidigungs- und sicherheitspolitischen Bereich Potenzial für eine engere Zusammenarbeit. Kurz gesagt, das Wahlergebnis signalisiert Kontinuität in Australiens strategischer Ausrichtung und eröffnet Gelegenheiten für eine vertiefte Zusammenarbeit mit der EU.

 


 

[i]     Rania Yallop, “What if no one wins? What to know about a minority government”, SBS News, 28 March 2025. https://www.sbs.com.au/news/article/what-if-no-one-wins-what-to-know-about-minority-government/v6swmoisl

[ii]      ABC News, "Australian federal election lives 2025 results“, 04 May 2025. https://www.abc.net.au/news/elections/federal/2025/results?sortBy=latest&searchQuery=&filter=all&selectedRegion=all&selectedParty=all&partyWonBy=all&partyHeldBy=all

[iii]      Gavin Butler, “Australian opposition party realing after Albanese’s landslide election win”, BBC News, 04 May 2025. https://www.bbc.com/news/live/cevdw14r1mgt

[iv]     ABC News, "Peter Dutton partially walks back public service work-from-home vow“, 05 April 2025. https://www.abc.net.au/news/2025-04-05/dutton-walks-back-public-service-wfh-plan/105141758

[v]     ABC News, "Dutton confirms public service cut limit to Canberra, which labor say impossible“, 24 April 2025. abc.net.au/news/2025-04-24/dutton-confirms-public-service-cuts-limited-to-canberra/105211946  

[vi]     The Guardian, "Australians’ support for nuclear power ban rises despite Dutton’s best efforts to sell atomic future, survey finds“, 01 May 2025. https://www.theguardian.com/australia-news/2025/may/01/australians-support-for-nuclear-power-ban-rises-despite-duttons-best-efforts-to-sell-atomic-future-survey-finds

[vii]     The Guardian, "Dutton admits he made mistake on Indonesia in ABC leaders’ debate as Albanese evasive on electricity price“, 16 April 2025. https://www.theguardian.com/australia-news/2025/apr/16/dutton-admits-he-made-mistake-on-indonesia-in-abc-leaders-debate-as-albanese-evasive-on-electricity-prices

[viii]     Department of Foreign Affairs and Trade, Australian Government, "Australia-EU FTA – report on 15th negotiation round, 24-28 April 2023“, n.d. https://www.dfat.gov.au/trade/agreements/negotiations/aeufta/aeufta-news/negotiating-round-fifteen-24-28-april-2023

 

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25. April 2025
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