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Konfliktsituation gefährdet den Frieden zwischen Kosovo und Serbien

von Anja Czymmeck, Kristina Viciska
Nachdem im Juli diesen Jahres der Grenzkonflikt zwischen Serbien und Kosovo ausgebrochen war, wurden von Seiten der Europäischen Union (EU) und der NATO-Schutztruppe KFOR zahlreiche Bemühungen unternommen, um diesen beizulegen. Den aktuellen Entwicklungen nach jedoch ohne nachhaltigen Erfolg.

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Nach dem tödlichen Angriff im Juli 2011 auf einen kosovarischen Grenzpolizisten durch Serben bei Auseinandersetzungen an der kosovarisch-serbischen Grenze im Norden des Kosovo (vgl. KAS-Länderberichte von August 2011), war jüngst – am 27. September – erneut eine Auseinandersetzung ausgebrochen. Die serbische Seite reagierte heftig auf die Einsetzung kosovarischer Grenzpolizei und Zollbeamter. Verletzt wurden dabei neun KFOR-Soldaten und sieben Serben. Die zuvor von der KFOR entfernten Grenzbarrikaden in Form von Betonblockaden wurden wieder durch die serbische Seite errichtet. Dieses Ereignis stellt einen erneuten Rückschlag für das friedliche Miteinander der beiden Staaten dar.

Erst am 4. September 2011 war die Einigung im Zollstreit verkündet worden. Der nach Außen kommunizierte Konfliktgegenstand, der Handelsstreit zwischen Kosovo und Serbien aufgrund der Nicht-Anerkennung des kosovarischen Zollstempels durch Belgrad, galt als beigelegt. Eine latente Gefahr ging jedoch weiterhin von den grundlegenden, zwischenstaatlichen Problemen aus. Dies wurde bereits von dem serbischen Verhandlungsführer, Borislav Stefanovic, befürchtet. Er äußerte öffentlich, dass die serbische Seite auch weiterhin den Einsatz kosovarischer Zollbeamter an den Grenzübergängen Jarinje und Brnjak nicht tolerieren würde. Dass Stefanovic mit seiner Aussage Recht behalten sollte, verdeutlicht das hohe Konfliktpotenzial der aktuellen Situation am Grenzübergang.

Seit der verkündeten Einigung Anfang September war die Situation an der Grenze Kosovos zu Serbien instabil, genau genommen an einem 80 Kilometer langen Abschnitt, der insgesamt 350 Kilometer langen Grenze. Immer wieder waren stellenweise Blockaden aufgestellt worden, die die KFOR-Truppen entfernen mußten. Hintergrund der Proteste war der Unwillen der serbischen Bevölkerung, die im Norden Kosovos die Mehrheit stellt, das Rechtssystem des seit 2008 unabhängigen Kosovos anzuerkennen. Die Regierung in Pristina unter Premierminister Hashim Thaci sieht diesen Unwillen als eine durch Belgrad angestiftete Einschränkung der Souveränität Kosovos an und betrachtet die Stationierung kosovarischer Grenzbeamter als Schritt zum Schutz der nationalen Souveränität.

Die derzeitige Lage stellt eine komplexe Konfliktsituation dar. Die kosovarische Regierung sieht sich herausgefordert, die erkämpfte, nationale Souveränität zu wahren. Innenpolitisch sowie außenpolitisch hätte die Unterbindung des Einflusses Belgrads auf den Norden Kosovos eine stärkende Wirkung für den neuen Staat und die Regierung Thaci, für die dies strategisch wichtig wäre.

Für die serbische Regierung ist das Thema Kosovo ebenfalls innen- und außenpolitisch relevant. Nach Innen ist es vor allem wichtig aufgrund der zugezogenen serbischen Kosovaren und der national geprägten Wählerschaft, die von Belgrad eine Lösung erhoffen. Außenpolitisch ist das Thema nicht zuletzt wesentlich für den künftigen EU-Beitritt Serbiens. Als mögliche Lösung des Problems sieht Serbien die Aufteilung des Kosovos an. Unter der Bedingung den Norden an Serbien anzuschließen, wäre Belgrad bereit, Kosovo anzuerkennen. Da die neuere Geschichte des Balkans jedoch zeigte, dass derartige Aufteilungen selten friedlich verlaufen, wird eine solche Lösung von EU und der internationalen Staatengemeinschaft nicht gewünscht.

Bei dem Serbienbesuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ende August, gab sie Belgrad mehr als deutlich zu verstehen, dass künftige Beitrittsgespräche nur stattfinden, wenn von der Idee der Aufteilung des Kosovos abgesehen wird.

Ein schwer einzuschätzender Faktor für die Stabilität des Friedens ist überdies der Einfluss krimineller Gruppen und mafiöser Strukturen im Gebiet der Grenzübergänge. Inwiefern diese die Auseinandersetzungen hervorgerufen haben oder unterstützen, darüber lässt sich nur spekulieren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ungesicherte Grenzen lukrativ sind und der Konflikt somit nicht ausschließlich ein politischer ist.

Die KFOR-Schutztruppe und die europäische EULEX-Mission haben nach wie vor die Sicherheitsaufsicht über das Kosovo. Sie nehmen die Absicherung und Schließung irregulärer Grenzen vor. Nach Afghanistan ist Kosovo mit einem Truppenkontingent von knapp 1400 Soldaten der zweitgrößte Einsatzort Deutschlands. Um aber eine dauerhafte Stabilität zu erreichen und den Konflikt zu lösen, wäre die Fortführung des Dialogs zwischen Prishtina und Belgrad wesentlich. Dieser wird sowohl von der UN, als auch von der EU aktiv gefördert. Nach den letzten Ausschreitungen allerdings war der Dialog Kosovos und Serbiens über Kataster- Telekommunikations- und Energiefragen sowie Anerkennung von Schul- und Universitätsabschlüssen, der von der EU vermittelt wurde, von serbischer Seite abgebrochen worden. Der ganze Prozess stagniert nun und es ist völlig unklar, ob die Regierungen den Dialog wieder aufnehmen werden. Die EU ist in dieser Situation mehr gefragt als zuvor und es bleibt nur zu hoffen, dass eine Lösung gefunden wird, die die Souveränität des Kosovos schützt und von EU Seite auch Serbien nochmals in die Pflicht nimmt, einen konstruktiven Beitrag zu leisten und Einfluss auf die serbische Bevölkerung im Norden zu nehmen, so dass ein friedliches Zusammenleben irgendwann möglich wird.

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5. August 2011
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