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Parlamentswahl in Schweden – Schwedendemokraten werden drittstärkste Kraft

von Corinna Röver

Fredrik Reinfeldts Regierung abgewählt

Fredrik Reinfeldts bürgerliche Partei Moderaterna muss nach acht Jahren ihre Regierungsverantwortung abgeben. Die Sozialdemokraten gehen als stärkste Partei aus der Wahl am 14. September 2014 hervor. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten konnten ihre Stimmen mehr als verdoppeln und ziehen als drittstärkste Kraft in den schwedischen Reichstag ein, während die Feministisk Initiativ knapp an der 4% Hürde scheiterte.

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Bei der diesjährigen Parlamentswahl erzielten die Sozialdemokraten 31,3% der Stimmen und lagen damit nur knapp über ihrem Wahlergebnis von 2010, bei dem sie mit 30,66% ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Jahrzehnten erlebten. Dennoch reichen dieses Mal die 114 Sitze um stärkste Kraft im Reichstag zu werden. Fredrik Reinfeldts Moderaterna erhielt 23,2% der Stimmen, was 84 Parlamentssitzen und einem Verlust von etwa 7% gegenüber der letzten Wahl entspricht.

Die Allians, eine Vier-Parteien Koalition der bürgerlichen Parteien Moderaterna, Folkpartiet (5,4%), Centerpartiet (6,1%) und Kristdemokraterna (4,6%), stellte in der letzten Legislaturperiode eine Minderheitsregierung und erreichte diesmal 39,3%, was 142 von insgesamt 349 Parlamentssitzen entspricht. Somit büßt sie gegenüber der Wahl 2010 etwa zehn Prozent der Stimmen ein.

Trotz ihres Wahlerfolgs bei der Europawahl im Mai und dem Einzug ins Europäische Parlament verpasste die Feministisk Initiativ mit einem Wahlergebnis von 3,1% knapp den Einzug ins schwedische Parlament. Die Vorsitzende Gudrun Schyman kündigte an, die Partei werde auf kommunaler Ebene aktiv bleiben und strebe langfristig an, im schwedischen Reichstag vertreten zu sein.

Wahlbeobachtern zufolge wanderten insbesondere ehemalige Moderaterna-Wähler bei dieser Wahl zu den rechtspopulistischen Sverigedemokraterna ab, die nun mit 12,9% und 48 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament werden. Der Vorsitzende der Schwedendemokraten, Jimmie Åkesson, äußerte sich daher zuversichtlich, die bisherige völlige Isolation seiner Partei im Parlament beenden zu können: „Die anderen Parteien können uns nicht länger ignorieren.“

Genau dies möchte der sozialdemokratische Parteivorsitzende Stefan Löfven versuchen. Dem künftigen Ministerpräsidenten steht nun die schwierige Aufgabe bevor, eine Regierung zu bilden. Die grüne Miljöpartiet (6,8%) nannte Löfven in der Wahlnacht einen natürlichen Partner, und auch mit der Vänsterpartiet (5,7%) wäre eine Zusammenarbeit möglich. Gemeinsam erreichen die drei Parteien 43,6% der Stimmen und 159 Sitze im Parlament – auch hier wurde keine Mehrheit erreicht. Eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten schloss Löfven trotzdem aus: „87% der Schweden haben sich gegen die Schwedendemokraten entschieden. Ihre Ziele unterscheiden sich zu sehr von den Unsrigen.“

Seit den 1950er Jahren bilden die schwedischen Sozialdemokraten kaum Koalitionen, sondern regieren in der Regel allein in Form einer Minderheitsregierung. Somit betritt Löfven in den kommenden Koalitionsverhandlungen relatives Neuland. Dabei schließt Löfven die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien nicht aus. Spielraum für Sondierungen sieht Löfven unter anderem bei der Folkpartiet, mit der es unter anderem Übereinstimmungen in der künftigen Bildungspolitik geben kann.

Trotz der demonstrativen Gesprächsbereitschaft seitens des Sozialdemokraten betonte die Vorsitzende der Centerpartiet Annie Lööf bereits in der Wahlnacht, sie sehe derzeit keine Spielräume für eine stärkere Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten. Sie begegnete damit der aufkommenden Frage nach einem möglichen Zerfall der bürgerlichen Allians durch etwaige Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten.

Verstärkt wurde diese Frage durch die überraschende Ankündigung Fredrik Reinfeldts, im kommenden Frühjahr vom Parteivorsitz der Moderaterna zurückzutreten. Reinfeldts Rückzug könnte Wahlbeobachtern zufolge eine neue Situation für die politische Landschaft in Schweden schaffen und große Auswirkungen auf die Koalitionsverhandlungen haben.

Die bisherige Blockpolitik der zwei Lager im schwedischen Parlament könnte dadurch aufbrechen und neue Koalitionsmöglichkeiten eröffnen. Kritiker befürchten allerdings auch eine geschwächte Verhandlungsposition für Moderaterna, wenn der verhandelnde Parteiführer in wenigen Monaten abtritt.

Aus innenpolitischer Sicht war die hohe Arbeitslosigkeit junger Menschen ein Schlüsselthema des Wahlkampfes. Obwohl Schweden die Wirtschaftskrise unter Reinfeldt Dank vollzogener Wirtschaftsreformen relativ unbeschadet überstand und derzeit ein Wirtschafts-wachstum von 2,7% für das Jahr 2014 prognostiziert wird, beträgt die Arbeitslosenquote in Schweden 8%, wobei das Land derzeit eine besonders hohe Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 25% unter den 16 bis 24-Jährigen verzeichnet. Die Frustration über fehlende Chancen trug neben weiteren Faktoren auch zur Eskalation und den Krawallen in einigen schwedischen Vororten im Mai 2013 bei.

Die linke Opposition kritisierte die bürgerliche Allians insbesondere für eine Politik der Steuersenkungen und Privatisierungen im Bildungs- und Gesundheitssektor der vergangenen Jahre. Die so entstandenen privatisierten Friskolor führen aus Sicht der Kritiker zu verringerter Chancengleichheit und einem verstärkten Bildungsgefälle zwischen wirtschaftlich starken und schwächeren sozialen Gruppen, und wird darüber hinaus für den so genannten „Pisa-Schock“, das deutlich schlechtere Abschneiden Schwedens in der letzten Bildungsstudie des OECD, verantwortlich gemacht.

Außenpolitische Wahlkampfthemen beinhalteten die liberale Flüchtlingspolitik Schwedens, zu der sich Reinfeldt besonders zum Ende des Wahlkampfes noch einmal öffentlich bekannte. Schweden nimmt im Verhältnis zur eigenen Einwohnerzahl die höchste Zahl an Flüchtlingen in Europa auf. Die Bündnisneutralität Schwedens wird trotz eines vorgeschlagenen Nato-Beitritts durch die Kristdemokraterna und der Befürwortung erhöhter Militärausgaben durch Moderaterna kaum in Frage gestellt.

Insgesamt entstand durch den eher gemäßigten Wahlkampf der Eindruck, dass das Wahlergebnis ähnlich wie in Norwegen 2013 zwar eine Entscheidung für eine neue, aber nicht zwingend eine dezidierte Entscheidung gegen die derzeitige Regierung ist.

In seiner Rede kündigte Löfven in der Wahlnacht eine Politik der Investitionen in das Schulsystem und den Wohlfahrtsstaat an. Außerdem sprach er dem scheidenden Ministerpräsidenten Reinfeldt seine Anerkennung aus: „Ich möchte mich auch bei Fredrik Reinfeldt bedanken. Ich habe großen Respekt sowohl vor seiner Persönlichkeit als auch vor seiner Politik, und ich wünsche ihm alles Gute für die Zukunft.“

Am 30. September 2014 nimmt der schwedische Reichstag wieder formell seine Arbeit auf. Frühestens dann kann Stefan Löfven den Auftrag erhalten, eine neue Regierung zu bilden. Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten ist nicht vor dem zweiten Oktober möglich.

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