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Politisches Unwetter in Kroatien

von Reinhard Wessel

Sanader-„Putsch“ gescheitert - Ex-Premier und Ehrenvorsitzender aus „seiner“ HDZ ausgeschlossen

Was sich bereits seit längerem am politischen Horizont Kroatiens abzeichnete, sollte sich am letzten Sonntag bewahrheiten: Die Rückkehr des am 1. Juli 2009 völlig überraschend zurückgetretenen Premierministers Dr. Ivo Sanader in die Politik.

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Auf einer unter fast konspirativen Umständen einberufenen „Pressekonferenz“ in der Parteizentrale der größten Regierungspartei, der christlichdemokratisch-konservativen HDZ (Kroatische Demokratische Union) teilte er der begrenzten Zahl tatsächlicher oder vermeintlicher Anhänger, darunter Parlamentsabgeordnete und HDZ-Vorstandsmitglieder, mit, seine Entscheidung zum Rückzug aus der Politik sei „vollständig falsch“ gewesen. Zugleich warf er der neuen Führung der Partei „schwere Versäumnisse“ vor und bezog sich dabei auf das schlechte Abschneiden des Parteikandidaten Andrija Hebrang bei den Wahlen zum Staatspräsidenten, der den Einzug in den zweiten Wahlgang nicht geschafft hatte. Außerdem kündigte er an, sein Parlamentsmandat Mitte Januar wieder wahrzunehmen und fortan die Ehrenpräsidentschaft seiner Partei zu „aktivieren“. Über weitere politische Ambitionen sagte er nichts Konkretes, außer, das „alles möglich“ sei. Im übrigen unterstütze er die Arbeit seiner Amtsnachfolgerin Jadranka Kosor, wenngleich er geltend machte, sie kümmere sich zu wenig um die Partei.

Die Reaktionen der anderen politischen Akteure waren mehr als heftig. Kurzzeitig erschien der Zusammenbruch der Regierungskoalition möglich und damit auch Neuwahlen, da die Koalitionspartner bereits im Vorfeld damit gedroht hatten, die Regierung zu verlassen, sollte der Expremier in die Politik zurückkehren.

Auch in der HDZ war die Nachricht wie eine Bombe eingeschlagen. Auffallend war allerdings, dass auf der ominösen Pressekonferenz kein einziges Regierungsmitglied erschienen war. Lediglich Parteifunktionäre der zweiten und dritten Reihe waren anwesend, von denen anschließend einige erklärten, sie seien in eine Art Falle gelockt worden. Im Verlaufe des Montags reduzierte sich der „Sanader-Fanclub“ noch weiter, auch nachdem die erste Riege der Partei und die HDZ-Regierungsmitglieder sich demonstrativ - bis auf eine Ausnahme - hinter und vor „ihre“ Premierministerin gestellt hatten. Auf der Sitzung des Parteivorstands am Montag, dem 4.Januar, beschlossen die Mitglieder, den 56-jährigen Expremier Sanader wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Partei auszuschließen. Von den Anwesenden stimmten 16 für den Ausschluss, drei dagegen und zwei enthielten sich. Der Ausschluss ist nicht ganz so einfach zu bewerkstelligen, da die HDZ-Statuten vorsehen, dass eine Ehrenpräsidentschaft lebenslang gültig ist. Die Lösung dieses Problems dürfte allerdings das kleinste sein, mit dem sich die Parteiführung jetzt auseinandersetzen muss. Ihr fiel der Entschluss nicht ganz so schwer, weil selbst dann, wenn Sanader im Sabor mit anderen ihm ergebenen Abgeordneten eine eigene Fraktion oder Gruppe bilden könnte, die Koalitionsmehrheit (z. Zt. noch 88 von 153) nicht gefährdet sein würde.

Die ersten Reaktionen der politischen Kommentatoren lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass Sanader sich mit seinem Putschversuch endgültig ins politische Abseits manövriert hat und erklären Jadranka zur Siegerin. Sie rätseln darüber, wie ein Vollblutpolitiker vom Schlage Sanaders sich und „seine“ Partei in eine derartige Lage bringen konnte, die ihr keine andere Wahl als den Ausschluss ließ. Sie vergleichen diesen Vorgang mit anderen Vorgängen in den Annalen der HDZ, mit der sie sich jeweils in erruptiven Ausbrüchen ihrer politischen „Altlasten“ entledigte und verweisen darauf, dass nun Kroatien die Chance hat, ein neues Kapitel seiner demokratischen Entwicklung und der Korruptionsbekämpfung zu schreiben.

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29. Dezember 2009
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