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Präsident Chávez schließt Rechtsmittel gegen einen Spruch der Obersten Wahlbehörde nicht aus

von Michael Lingenthal

Eine weitere Verzögerung des Abberufungsreferendums wäre die Folge

Die Vorbereitungen für den 14. Februar gehen weiter. Ob es ein „Valentinstag“ wird bleibt fraglich. Präsident ''Chávez'' zeigt sich gegenüber der Auslandspresse staatsmännisch besorgt über den Superwahlbetrug der Opposition. Diese hält an ihrem Plan fest, ihren Protest gegen die Verschleppung des Referendums bis zur Obersten Wahlbehörde voranzubringen. Das Innenministerium sieht alle Verantwortung für eventuelle Ausschreitungen bei der Opposition, weil diese sich bislang weigert, ihren Marsch außerhalb des Stadtzentrums zu beenden. OAS und Carterzentrum fordern Vernunft aller Beteiligten ein, weil die Oberste Wahlbehörde zugesagt hat, die Prüfung bis Ende Februar zu beenden. Sie fordern aber auch, dass der erkennbare Wille der Bürger über technische Finessen und extreme Normen gestellt wird.

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Präsident Chávez hatte eine Pressekonferenz einberufen, um in der Art des besorgten Landesvaters sich zum „Megabetrug“ der Opposition zu äußern. Kein Vergleich in Kleidung, Ton und Inhalt zu dem Chávez, der derzeit seine Kampagne in Caracas und den Provinzen in aller Schärfe führt. Die größte persönliche Sorge des Präsidenten ist sein Leben, weil man ihn ermorden will. Dies stellte er vor der nationalen und internationalen Presse fest. Sonst gilt seine Sorge nur noch dem Land, Gerechtigkeit und Frieden.

Seine Revolution will keine Gewalt, keinen Krieg. Dies sind die Ziele der putschistischen Opposition, die am 14. Februar wieder auszieht, um blutige Konfrontation zu suchen.

Präsident Chávez legte vermeintlich falsch ausgefüllte Unterschriftenlisten vor, um seinen ständigen Vorwurf des Megabetruges zu unterstreichen. Wenn angesichts dieser Beweislage die Oberste Wahlbehörde dennoch das Abberufungsreferendum festsetzt, wird er Rechtsmittel vor dem Obersten Gerichtshof einlegen. Erst einem Spruch dieses Gerichts will er sich beugen.

Wieder wird seiner Meinung nach die Weltöffentlichkeit durch Medien und Opposition über die wahren Ereignisse in Venezuela getäuscht. Er selbst ist bereit, den Staatsmännern der Welt seine Beweismittel zur Verfügung zu stellen, damit alle Welt sehen kann, welches betrügerische Spiel die Opposition treibt.

Neue Angriffe richtete Chávez gegen die USA und beschuldigte die Sprecher der Bush-Administration der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas. Er erwartet, „dass die USA nicht wieder gewaltsame Lösungen unterstützt“.

Eine Suspendierung der Grundrechte wollte er nicht ausschließen, weil immer eine Situation eintreten könne, bei der dies notwendig würde.

Die Pressekonferenz nutzte er auch, um zu verkünden, dass ein weiterer General als Gouverneur kandidieren wird. Nach General Acosta in Carabobo, von der Presse hier „General Rülps“ genannt, wird in der strategisch (Grenzgebiet zu Kolumbien) und wirtschaftlich wichtigen Ölprovinz Zulia General Alberto José Gutiérez antreten. Beide Generäle werden als Pensionäre in den politischen Wettbewerb gehen. Der Stil der Verkündigung entspricht dem früherer Zeiten, als Parteien ihre Spitzenkandidaten auch einsetzten und innerparteiliche Willensbildung bei der Kandidatenauswahl oft fehlte. Gerade diese Praxis hatte der Präsidialkandidat und der Präsident Chávez immer wieder kritisiert. Heute ist er dabei diese schlechte frühere Praxis noch zu übertreffen.

Proteste bleiben nicht aus. Segundo Chirinos, selbst Pre-Kandidat der Revolution in Zulia, verurteilt den Alleingang von Chávez. Gutiérez sei erst seit einem Jahr in der Region und kenne die Probleme nicht. Außerdem sei die innere Einheit und Demokratie außer Kraft gesetzt. Im Grunde keinen neuen Töne in der Regierungspartei. 1998 hatte Chávez seinen Vater als Kandidaten für den Posten des Gouverneurs im Bundesstaat „Bolívar“ durchgesetzt, ohne Rücksicht und gegen das Votum der Partei. Aber wer wurde letztendlich Gouverneur: Vater Chávez.

Vizepräsident Rangel gibt sich vor der Presse, anders als Präsident Chávez, so wie immer. Für ihn steht fest, dass die Opposition die öffentliche Ordnung stören will, „so wie sie es 2002 sowohl mit dem Staatsstreich, als auch mit der Terroraktion im Dezember (gemeint ist hier der Generalausstand, Anm.d.Verf.) getan hat“. Rangel erhebt den Vorwurf der Beleidigung der Streitkräfte und des Versuchs, sie durch Propaganda zu Ungehorsam und gegen die staatlichen Institutionen zu beeinflussen. Gefragt, wie er die Drohungen von Lina Ron (vgl. frühere Berichte), gewaltsam gegen die Opposition vorzugehen, beurteilt, zieht er sich mit Unkenntnis über Aussagen und Berichten dazu aus der Affäre. Drohungen der Regierungsparteien kennt er nicht, aber sehr wohl die Äußerungen der Opposition.

Ändert die Opposition nicht ihre Marschwege, trägt sie laut Innenministerium die Verantwortung für eventuelle Ausschreitungen

Das Ministerium fordert, dass der Marsch der Opposition nicht zur Wahlbehörde zieht, sondern außerhalb des Zentrums am „Botanischen Garten“ endet. Das Innenministerium ist besorgt über die Sicherheitslage um die Wahlbehörde. Aber nicht, weil dort bewaffnete, militante Chávez-Anhänger eine Art „Dauerbelagerung“ begonnen haben, sondern weil die Opposition um jeden Preis am 14. Februar zur Wahlbehörde gelangen will, mindestens aber sehr nahe heran.

Eben dahin, wo die Chávez-Anhänger Position bezogen haben. Der stellvertretende Innenminister stellt fest, dass diese Gruppen die Regierung unterstützen wollen, er bedankt sich ausdrücklich dafür, aber er bittet sie auch mitzuhelfen, dass es zu keinen Auseinandersetzungen kommt. Sicherheitskräfte von Armee und Polizei haben bereits seit den Morgenstunden des 13. Februar einige kritischen Punkte der Stadt eingenommen. Besonders dort, wo sich die Opposition versammeln will und wo der Oficialismo Volksmärkte etc. abhalten will.

Das Innenministerium hat die entsprechenden Stadtverwaltungen gebeten, auf diese Aktionen zu verzichten, damit es keine unnötige Konfrontation mit der Opposition gibt. An einigen Plätzen jedoch steht nicht nur das Militär, sondern bereits Anhänger der Revolution. Es bleibt abzuwarten, ob der Empfehlung des Innenministeriums gefolgt wird.

Das Innenministerium hat nicht verstanden, warum die Opposition seinen Vorschlag abgelehnt hat, dass am 14. Februar eine von der „Coordinadora Democrática“ ausgewählte Delegation unter Schutz der „Guardia Nacional“ zur Wahlbehörde gelangt, um dort einem Beauftragten des Direktoriums ein Dokument übergeben zu können. Das Innenministerium erinnert an das Alkohol- und Waffenverbot, an das Verbot der Mitnahme von Kindern und Jugendlichen bei Demonstrationen und weist der Opposition jede Verantwortung für Zwischenfälle und Gewalt zu.

Wieder einmal ist festzustellen, dass die Regierung alle Normen und Verbote immer dann unterstreicht, wenn es um Demonstrationen der Opposition geht. Gleiche Feststellungen und Forderungen vor Kundgebungen der Revolution sind nicht so feststellbar. Einseitige Anwendung von Rechtsvorschriften gegen die Opposition, siehe auch Bannmeile vor dem Parlament, scheinen Alltag zu werden.

OAS und Carter-Zentrum suchen Vernunft und Besonnenheit zu stärken

OAS und Carter-Zentrum haben die Einhaltung der Normen und Zeitpläne durch die Oberste Wahlbehörde eingefordert. Angesichts der Tatsache, dass die Wahlbehörde ihr Votum vor dem 28. Februar abgeben will, fordern beide Organisationen Venezuela zu Ruhe und Besonnenheit auf. Sie drängen darauf, dass die Wahlbehörde ihre Arbeit ohne politischen Druck erledigt. Physischen Druck hat die OAS selbst erfahren, als Carlos Hernández, Fahrer des OAS-Delegationsleiters im mit „OAS“ gekennzeichneten Wagen, von eben den Chávez-Anhängern tätlich angegriffen wurde, die die Wahlbehörde belagern.

Die Wahlbehörde ist nach Urteil der Opposition bereits von der „Guardia Nacional“ „eingenommen“ worden. Am 13. Februar hat sie auf ausdrücklichen Wunsch des Präsidenten der Wahlbehörde verhindert, dass kein Repräsentant irgendeiner Partei das Gebäude betreten kann. Am 14. Februar werden 2.500 GN-Berufssoldaten mit neuer Ausrüstung versehen in und um die Wahlbehörde positioniert sein. Die „Guardia Nacional“ wird die Integrität der Wahlbehörde mit allen Mitteln gewährleisten, wie ihr Kommandant, Antonio Benavides Torres, feststellt.

OAS und Carter-Zentrum haben die Notwendigkeit von Transparenz und exakter Prüfung der Unterschriften unterstrichen, aber zugleich an die Worte von Expräsident Jimmy Carter erinnert, „der ausdrückliche Wille des Souverän soll über einem extensiven Technizismus stehen“ – leider ist diese Richtschnur nicht in den Normen zu Referenden enthalten, sondern erst später als Ratschlag erfolgt.

Medienkrieg

Präsident Chávez hat natürlich in seiner Pressekonferenz nicht die Angriffe auf die privaten Medien, besonders die privaten TV-Sender, ausgelassen. In politischen Magazinen des privaten TV wird die Regierung in aller Härte kritisiert und ihr vorgeworfen, Konfrontation und Gewalt zu suchen.

Manche Botschaft auch mit Witz und Ironie. SMS-Umfrage von „Globovisón“ (priv. 24Std. Nachrichtensender): „Glauben Sie, dass Spazierengehen gesund ist?“ – Abstimmung: 98% ja, 2 % nein oder „Morgen ist Valentinstag, was schenken Sie Ihrem Partner?“ – Abstimmung: Blumen 1,8%, Gedicht 1,8%, Lied 1,8%, ein schönes Essen, 5,4%, ein Paar Schuhe mit neuen Gummisohlen zum Spazierengehen 89,3%.

In den Informationsdiensten der Revolution wird verbreitet, dass „Venevisión“ (TV-Kanal der Cisnero-Gruppe) das mediale Drehbuch à la 11. April 2002 bereits vorbereitet. www.aporrea.org behauptet, dass Leonardo Ramos, Angestellter von „Venevisión“, Zeugnis von Listen über Tote sowie Spots zu „aktiver Trauer“ für den 14. Februar hat, die „Venevisión“ derzeit zusammen mischen soll.

Oberste Wahlbehörde setzt neues Höchstdatum für die Feststellung zu den Abberufungsreferenden fest und ist um Beruhigung der Lage bemüht

Jorge Rodriguéz, Direktoriumsmitglied der Obersten Wahlbehörde, versucht mit seiner Ankündigung, dass der 29. Februar „tope“ (Höchstgrenze) zur Feststellung des Ergebnisses über die Unterschriftenaktion gegen den Präsidenten sowie die Oppositionsabgeordneten ist, die Lage zu beruhigen. Er fordert energisch dazu auf, dass keine der politischen Seiten die „Einnahme“ der Obersten Wahlbehörde und ihrer Regionalfilialen zum Ziel hat.

Das Problem bei dieser Aussage über die Höchstgrenze ist die Glaubwürdigkeit der Wahlbehörde und ihrer Akteure. Zu oft hat man Ankündigungen gemacht, nicht eingehalten, Fristen verzögert. Außerdem bleibt die Opposition davon überzeugt, dass alle Seiten in der Wahlbehörde wissen, dass die Opposition mindestens 2,8 Millionen unbezweifelbarer Unterschriften eingebracht hat. Nachdem Präsident Chávez diese Information erhalten hatte, begann die Verstärkung der Überprüfungen, der Wechsel der Normen, die neuen Schwierigkeiten. Wegen aller dieser Undurchsichtigkeiten und „Weisungen unter der Hand“, ist es für die Opposition so schwierig, Vertrauen in Regierung oder Behörden zu haben.

Geschickt hat Präsident Chávez die Opposition unter Druck gesetzt. Staatsmännische Konferenz mit der Auslandspresse, Vermittlungsvorschläge des Innenministeriums zu alternativen Demo-Routen verbunden mit Ankündigung von hartem Durchgreifen, wenn diese Marschwege nicht respektiert werden. Eine „feste, zeitliche Höchstgrenze“ (29.02.) zum Abschluss der Prüfung der Unterschriften durch die unabhängige Wahlbehörde. Das positive Votum von OAS und Carterzentrum zu diesem Datum. Gezielte Gewalt am Vormittag von Chávez-Anhängern gegen Oppositionspolitiker, damit jeder weiß, was ihn erwartet und der „Volkszorn hochkocht“.

Wieder versucht die Regierung, der Opposition „den schwarzen Peter“ für alle Eskalierung der Lage zuzuschieben. Selten hatten die Führer der Opposition mehr Verantwortung, brauchen sie mehr Besonnenheit und Augenmaß, als an diesem 13. Februar.

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