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Präsident Petro Poroschenko zwei Jahre im Amt

Eine vorsichtige Bilanz

In den letzten Wochen ist es Petro Poroschenko gelungen, seine Position als Staatspräsident nach über einem Jahr wachsender Kritik wieder zu festigen.

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Ausschlaggebend hierfür waren nach monatelanger Regierungskrise und lange erwartetem Rücktritt von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk die Neubildung der Koalition im April sowie die Wahl von Wladimir Hrojsmann, einem langjährigen Mitstreiter von Poroschenko, zum neuen Ministerpräsidenten.

Am 25. Mai 2014 war Poroschenko mit einem herausragenden Ergebnis von 54,7% im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt worden und im ersten Jahr seiner Amtszeit der mit Abstand populärste ukrainische Politiker gewesen. Im zweiten Jahr dann waren die Umfragewerte infolge wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung über den viele Menschenleben fordernden Krieg im Osten des Landes sowie über die andauernde Reformkrise und die Defizite bei der Korruptionsbekämpfung auf nur noch 13,5% gesunken.

Umfragen sehen Julia Timoschenko und ihre Partei “Batkiwschtschyna” vor Poroschenko

Wären heute Präsidentschaftswahlen, so könnte Timoschenko mit einer Unterstützung von 22%, Poroschenko mit 14% rechnen. Auch bei Parlamentswahlen würde Timoschenkos Partei “Batkiwschtschyna” gemäß Umfragen 22% erhalten, während Poroschenkos “BBP -Solidarnist” nur noch auf 13% kommen würde. Andere Umfragen gehen allerdings von einem etwas ausgewogenerem Feld aus: So liegen “Batkiwschtschyna” und “BBP-Solidarnist” nach Umfragen des International Republican Institute mit 13% und 9% weniger stark auseinander, allerdings würde es eine politische Partei von Micheil Saakaschwili, dem ehemaligen georgischen Staatspräsidenten und derzeitigen Gouverneuer des Oblast Odessa, aus dem Stand auf 10% bringen. Wenn es die Partei denn geben würde.

Nach neuesten Umfragen des Kiewer Soziologischen Instituts bewerteten noch im Mai 70% der Befragten die Tätigkeit des Präsidenten negativ und 76% waren der Meinung, dass ihr Land sich in der falschen Richtung entwickelt (2014: 51%). Gleichzeitig hatten nur 4% Vertrauen in die Arbeit des nationalen Parlaments, der Werchowna Rada. Kommunalpolitiker wie Bürgermeister genießen dagegen zunehmend mehr Ansehen in der Bevölkerung, 47% bewerten ihre Arbeit nach den genannten Umfragen als positiv.

Erfolge Poroschenkos in der Außen- und Verteidigungspolitik

Trotz schlechter Umfragewerte hat das Land unter seinem Präsidenten Poroschenko nicht wenige Erfolge vorzuweisen. Zu den außenpolitischen Erfolgen Poroschenkos zählen die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens sowie die Umsetzung der Verpflichtungen für die Visaliberalisierung mit der EU. Auch die militärische Deeskalation in der Ostukraine und die Stärkung der noch Anfang 2014 völlig maroden Armee gelten als Erfolge seiner Amtszeit. Ein weiterer Vormarsch der von Russland gesteuerten Separatisten bis Mariupol und darüber hinaus konnte gestoppt werden. Gleichzeitig sind die Verhandlungen zu einer Lösung des Konflikts im Donbass festgefahren, es gibt keinen stabilen Waffenstillstand, die Zahl der getöteten Zivilisten und Soldaten lag im Mai 2016 bei 9371.

Auch die innen- und außenpolitisch umstrittenen Diskussionen um einen Sonderstatus der Region sowie die Durchführung von Lokalwahlen sind Punkte, die Poroschenkos Bilanz eintrüben. Aktuell bemüht sich eine Gruppe von Abgeordneten der Fraktion “BPP-Solidarnist” in Zusammenarbeit mit Experten des Menschenrechtsbüros von ODIHR um einen Entwurf für ein Gesetz zur Durchführung von Lokalwahlen im besetzten Teil des Donbass. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die für die Ukraine wesentlichen Punkte wie die Teilnahme von ukrainischen Parteien, die garantierte freie Berichterstattung durch ukrainische Medien sowie die Möglichkeit zur Abstimmung von (Binnen-) Flüchtlingen weder von den Separatisten noch von Russland akzeptiert werden.

Westausrichtung in der Außenpolitik

In zwei Jahren hat Poroschenko 46 offizielle Auslandsbesuche angetreten - ein Vielfaches seiner Vorgänger. Er legte einen klaren Schwerpunkt darauf, die Interessen der Ukraine bei den wichtigsten Verbündeten zu vertreten und die Unterstützung der westlichen Partner zu sichern. Allein in Brüssel war Präsident Poroschenko sechsmal innerhalb der letzten zwei Jahre, gefolgt von fünf Reisen nach Deutschland, vier nach Frankreich sowie drei nach Polen und in die USA. Diese Ausrichtung von Poroschenkos Außenpolitik spiegelt den Wunsch der Bürger wider. Eine Studie des Razumkow-Zentrums ergab im Frühjahr 2016, dass deutlich mehr als die Hälfte der Ukrainer die Beziehungen mit der EU als absolute Priorität ansehen. Nur noch 11% legten Wert auf starke Beziehungen mit Russland, das Poroschenko aufgrund der Krimannexion und dem Konflikt in der Ostukraine in seiner Amtszeit nicht besuchte. Auch wenn ein NATO-Beitritt aktuell keine Mehrheit findet, unterstützen ihn doch 44% der Bevölkerung, während ein Viertel dagegen ist. Auch das unterstreicht den Wunsch, stärker in den euro-atlantischen Raum eingebunden zu werden.

Verfassungsänderungen im Justizbereich

Weder die Polizeireform noch die in den letzten zwei Jahren verbesserte Antikorruptionsgesetzgebung können greifen, so lange das Justizsystem nicht grundlegend reformiert und von den alten korrupten Seilschaften befreit wurde. Zu Beginn des dritten Jahres in Poroschenkos Amtszeit wurde diese Schlüsselreform nun auf den Weg gebracht. Die am 2. Juni 2016 mit der nötigen Mehrheit von 335 Stimmen im Parlament verabschiedete Verfassungsänderung verringert die Anzahl der Instanzen von vier auf drei. Kompetenzen zur Einrichtung und Umstrukturierung von Gerichten werden vom Präsidenten auf das Parlament übertragen. Die Reform sieht außerdem die Reduzierung der Richterschaft um 1800 Personen sowie die Überprüfung aller Richter vor. Darüber hinaus werden die Gehälter der Richter erhöht. Anders als die Justizreform findet die Verfassungsänderung zur Dezentralisierung derzeit keine Mehrheit. Der mit ihr verbundene Punkt eines Sonderstatus für den Donbass hat dazu geführt, dass die Verfassungsänderungen politisch nicht durchsetzbar sind.

Kaum Ergebnisse im Kampf gegen Korruption

Die Reformen im Kampf gegen Korruption sind ein Bereich, in dem Poroschenko nicht punkten kann. Dabei sind sie ein Thema, das bei den Wählern gut ankommt und bei dem von der Bevölkerung Fortschritte vehement eingefordert werden. Mehr als die Hälfte der Ukrainer sehen es als erste Priorität und unterstützen die Schaffung neuer Antikorruptionsinstitutionen. Bisher wurden unter anderem das Nationale Antikorruptionsbüro und die Nationale Agentur zur Korruptionsprävention geschaffen, die für die EU-Visaliberalisierung und die Kredite des Weltwährungsfonds erforderlich sind. Bei den gesetzlichen Grundlagen zur Korruptionsprävention und -bekämpfung wurden große Fortschritte erzielt, doch kritisieren Beobachter, dass es bei der Implementierung und Strafverfolgung an politischem Willen mangelt. Es bleibt abzuwarten, ob der neue Generalstaatsanwalt Juri Luzenko, der am 12. Mai 2016 auf Vorschlag von Präsident Poroschenko ernannt wurde, Korruptionsfälle ernsthaft verfolgen wird. Nach der Wahl Luzenkos hat sich der ehemalige Minister für Kohle und Gas unter Janukowitsch und Vorsitzende des “Oppositionsblocks” Juri Boiko, dessen Verhaftung seit über einem Jahr in der Generalstaatsanwaltschaft vorbereitet wurde, nach Monaco abgesetzt. Eine der erfolgreich umgesetzten Antikorruptionsmaßnahmen ist das transparente Vergabesystem für öffentliche Aufträge „ProZorro“, das vom ehemaligen Wirtschaftsminister Abromavičius eingeführt wurde. Mit Hilfe von „ProZorro“ konnten bereits in der Pilotphase tausende Aufträge elektronisch ausgeschrieben und dadurch über 16 Millionen Euro an Steuergeldern eingespart werden. Ab April 2016 gilt das System landesweit für die öffentlichen Aufträge aller Behörden.

Aufgaben für die nächsten drei Jahre

Die wichtigsten Aufgaben für die verbleibenden drei Amtsjahre Poroschenkos sind dementsprechend neben der Implementierung der Justizreform eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung, die Ergebnisse zeigt und Strafverfolgung ermöglicht. Auch die Öffnung der Wirtschaft und ihre weitere Annäherung an die EU über da Assoziierungsabkommen bleibt eine vorrangige Aufgabe für die nächsten Jahre. Außenpolitisch wird Poroschenko den einmal gewählten Kurs der Annäherung an die Europäische Union und das transatlantische Bündnis fortsetzen. Die Ukraine hat sich in den letzten zwei Jahren dramatisch verändert und trotz aller Kritik mehr Reformen durchgeführt als in 25 Jahren zuvor. Von einem autoritär geführten Russland wird sie sich immer weiter entfernen.

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