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Renzis Rahmenbedingungen

Italien auf dem Weg zu einer neuen Regierung

Die Bildung einer neuen italienischen Regierung unter dem designierten Premierminister Matteo Renzi steht kurz bevor. „Jeden Monat eine Reform“, kündigt Matteo Renzi bereits an. Bis das Regierungsprogramm steht, lohnt es sich, die politischen Rahmenbedingungen einer neuen italienischen Regierung unter Matteo Renzi zu betrachten.

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Nach dem Rücktritt von Enrico Letta als italienischer Premierminister am 14. Februar 2014 begannen umgehend die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung. Bereits nach drei Tagen erteilte Staatspräsident Napolitano ein exploratives Mandat zur Regierungsbildung an den Vorsitzenden („it. Segretario“) der Partito Democratico (PD, dt. „Demokratische Partei“), Matteo Renzi. Dieser nahm Gespräche mit den Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien auf. Am morgigen Samstag (22. Feb.) soll die neue Regierung vorgestellt und anschließend vereidigt werden. Ab Montag (24. Feb.) wird sich Matteo Renzi dann als Premierminister einer Vertrauensabstimmung in beiden Kammern des Parlaments stellen.

Ein straffer Zeitplan. Noch ist unklar, wie die Regierungsmannschaft Matteo Renzis aussehen und wie das Regierungsprogramm gestaltet sein wird. Dennoch: Eine Regierung Renzi schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern hat spezifische politische Rahmenbedingungen.

Der Faktor „Renzi“

Die FAZ übertitelte einen Artikel zu Matteo Renzi mit „Fast jedermanns Liebling“ (14.02.2014). Mindestens seit dem Ende der Regierung Berlusconi im November 2011 fiel immer wieder der Name des 39-jährigen Bürgermeisters von Florenz, wenn es um die politische Zukunft Italiens ging. Noch bevor Matteo Renzi das Amt des PD-Vorsitzenden übernahm, war er bereits laut Umfragen der beliebteste Politiker des Landes nach Staatspräsident Napolitano. Die Begeisterung schwappte über den Politikteil der Zeitungen hinaus. Matteo Renzis Leidenschaft für den AC Florenz widmete sich die Presse dabei genauso wie seinem legeren Kleidungsstil und dem Umstand, dass er oft im Zug zwischen Rom und Florenz oder auf dem Fahrrad gesichtet wird. Legendär ist das Cover der Klatschzeitschrift „Oggi“, auf dem Matteo Renzi mit seinen beiden Großmüttern zu sehen ist. Matteo Renzi versteht das Interesse der Medien an seiner Person virtuos zu nutzen. Im Fernsehen hat er auf diese Weise bereits eine visuelle Omnipräsenz erreicht: Jeden Abend sitzt Matteo Renzi via Bildschirm mit in den italienischen Wohnzimmern.

Mit der Äußerung, die alte politische Elite gehöre verschrottet, trug sich Matteo Renzi den Spitznamen „il rottomatore“ (dt. „der Verschrotter“) ein. Nach der Ablösung Pier Luigi Bersanis als PD-Vorsitzender und Enrico Lettas als Premierminister zweifelt niemand mehr daran, dass Matteo Renzi nicht nur über einen ausgeprägten Willen sondern auch über Talent zur Macht verfügt. Innerhalb von wenigen Monaten kaperte er die ihm anfangs noch mehrheitlich skeptisch gesinnte PD und brachte sie fest hinter sich. Dies gelang ihm, indem er den unter Enrico Letta zu kurz gekommenen post-kommunistischen und sozialdemokratischen Flügeln der Partei mehr Teilhabe versprach. Hier wird Matteo Renzi liefern müssen, ohne es sich jedoch mit seinem Koalitionspartner in spe, Angelino Alfano aus dem Mitte-Rechts Lager, zu verscherzen – was durchaus schwierig werden dürfte.

Aus der PD heißt es, das Gespann Matteo Renzi und Enrico Letta sei vor allem an unterschiedlichen „Geschwindigkeitswahrnehmungen“ gescheitert. Matteo Renzi sagt von sich, es falle ihm schwer, Geduld zu haben. Enrico Letta verwies in den letzten Wochen immer wieder auf die positive Bilanz seiner Regierung, während Matteo Renzi einfach nichts schnell genug voran ging.

Matteo Renzi ist dabei in seinem starken Wunsch nach politischen Reformen sehr authentisch. Und deshalb wird er von vielen Italienern als Hoffnungsträger wahrgenommen. Seine brachiale Durchsetzungskraft – wie eben bei der Aushebelung Enrico Lettas demonstriert führt bei einigen Italienern jedoch auch zu der Sorge, Matteo Renzi könnte sich als „Berlusconi II“ entpuppen.

Eine am 19. Februar 2014 veröffentlichte Umfrage des Instituto Piepoli spiegelt diese Ambivalenz: 46% der Befragten gaben an, einer Regierung Renzi „sehr“ oder „ausreichend“ zu vertrauen, 49% jedoch „wenig“ oder „überhaupt“ nicht. Lediglich 5% äußerten keine Meinung. Zudem sehen viele Italiener den Ablauf des Regierungswechsels kritisch: Nur 26% der Befragten beurteilen diesen als „normal“. 65% werten den Regierungswechsel als Schlag gegen die Demokratie. 9% äußerten keine Meinung.

Der Regierungswechsel in Rom birgt vor allem aufgrund der Persönlichkeit Matteo Renzis – des sogenannten „Renzi-Faktors“ Potenzial für eine neue Reformdynamik in Italien. Hinzu kommt: Italien braucht tiefgreifende Strukturreformen dringender denn je.

Generalüberholung benötigt

Tobias Piller schreibt am 16.02.2014 in der FAZ: „Er übernimmt ein Land das general-überholt werden muss“. Diese Analyse ist in Italien völlig unbestritten. „Jeden Monat eine Reform“, kündigte Matteo Renzi daher diese Woche schon einmal vorsorglich an. Auch Mario Monti und Enrico Letta kann man keine Untätigkeit vorwerfen und doch waren ihre Maßnahmen gegen die italienische Wirtschaftskrise einfach nicht erfolgreich. Sie erstickten regelmäßig in politischen Grabenkämpfen und im Klein-Klein der italienischen Administration.

Zu den wohlgemeinten Reformpaketen der letzten zweieinhalb Jahre fehlen noch fast 500 Ausführungsbestimmungen. Auf diesem Feld muss Matteo Renzi nun Erfolge erzielen, wenn er Italien wirklich verändern will. Nur: Matteo Renzi war bislang Bürgermeister der eher überschaubaren Stadt Florenz. Die Ministerialbürokratie Roms und den italienischen Verwaltungsapparat kennt er nicht. Nicht wenige politische Analysten verorten jedoch irgendwo in den labyrinthischen Verwachsungen der Administration mit der Politik die wahre Ursache für die Lähmung Italiens. Gelingt es Matteo Renzi nicht, die Tiefenstruktur des italienischen Staates zu reformieren, muss er sich darauf beschränken, kleine Gesetzesvorhaben voranzubringen und diese dann groß zu verkaufen.

Parteipolitische Konstellationen

Ein „Ass“ hat Renzi im Gegensatz zu seinen Vorgängern jedoch noch im Ärmel: Silvio Berlusconi – um den sich noch immer das politische Mitterechts-Lager Italiens dreht. Mario Monti war die persönliche Nemesis Silvio Berlusconis. Und Enrico Letta durfte nach seiner Auseinandersetzung mit Silvio Berlusconi über dessen Ausschluss aus dem Senat nicht mehr auf eine Unterstützung seitens der „Forza Italia“ (dt. „Vorwärts Italien“) für Reformprojekte hoffen. Matteo Renzi hingegen hat einen guten Draht zum langjährigen italienischen Premierminister, der wiederum keinen Hehl aus seiner persönlichen Sympathie für den jungen Florentiner macht.

Eine Rückkehr zur großen Koalition zwischen PD und Forza Italia schloss Silvio Berlusconi zwar aus, bot Matteo Renzi im Rahmen der Regierungsfindungsgespräche jedoch „absolute Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei Fragen des Arbeitsmarkts, der Steuern und der Justiz“ an. Einbegriffen ist darin auch die anstehende Wahlrechtsreform. Silvio Berlusconi und Matteo Renzi haben sich bereits vor Wochen auf deren Grundzüge geeinigt: Mit einer 8%-Hürde sollen die kleinen Parteien – vom „Nuovo Centro Destra“ (NCD, dt. „Neue Mitterechts“), der Lega Nord, der Unione del Centro (UDC, dt. „Union des Zentrums“), der Scelta Civica (dt. „Bürgerliche Wahl“) bis hin zur Sinistra Ecologia e Libertà (SEL, dt. „Linke, Ökologie, Freiheit) – in Wahlbündnisse mit den großen Parteien gezwungen werden. Ziel ist ein bipolares System um den starken Mittelinks-„Pol“ PD auf der einen und die Forza Italia auf der anderen Seite.

Angelino Alfano, der die Regierung Letta im November 2013 vor dem vorzeitigen Ende und das Land vor Neuwahlen bewahrte, indem er sich mit den PDL-Ministern und einer Gruppe von Abgeordneten gegen Silvio Berlusconi stellte, findet sich nun mit seiner NCD zwischen Hammer und Amboss wieder. Die NCD muss Zeit gewinnen, um einen Ausweg aus dem sich abzeichnenden politischen Dilemma zu finden. Da Matteo Renzi ohne die NCD eine Minderheitenregierung führen oder sich Neuwahlen stellen muss, deutet alles auf eine Fortführung der bisherigen Koalition hin. Denn: Das „Movimento 5 Stelle“ (M5S, dt. „Bewegung 5 Sterne“) steht ganz sicher nicht als Koalitionspartner für Matteo Renzi zu Verfügung.

Das M5S läuft Sturm gegen die geplante Wahlrechtsreform und auch gegen Matteo Renzi, der diese als Ko-Autor mitverantwortet. Einen ersten Vorgeschmack auf den Stil der politischen Auseinandersetzung der nächsten Wochen lieferten bereits die Regierungsfindungsgespräche dieser Woche. Beppe Grillo beschimpfte Matteo Renzi in einem Monolog als „Vertreter des alten Systems“. „Dieses System will ich ausschalten“, so Grillo weiter. Grillo gab zu, nicht am demokratischen Dialog interessiert zu sein und Renzi schlug zurück: „Diejenigen, die Dich gewählt haben, verdienen Besseres“. Fest steht: Das M5S wird für Matteo Renzi sicherlich die härteste und unangenehmste Opposition im Parlament. Der „Verschrotter“ Renzi wird sich vom M5S immer wieder an seinem eigenen Anspruch messen lassen müssen, mit dem „alten Italien“ aufzuräumen.

Nach dem Vertrauensvotum am Montag (24. Feb.) kann die Regierung Renzi ihre Arbeit aufnehmen. Es wird abzuwarten sein, wie sich die hier aufgezeigten Rahmenbedingungen in der Tagespolitik niederschlagen. Mehrere Soll-Bruchstellen werden jedoch ganz sicher dazu führen, dass die italienische Politik alles andere als langweilig.

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