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Slowakei: Spaltung der SDKÚ

von Frank Spengler, Christoph Thanei
Die bisher stärkste slowakische Regierungspartei hat sich endgültig gespalten. Ex-Verteidigungsminister Ivan Šimko und sechs weitere Parlamentarier gaben am 8. Dezember definitiv ihren Austritt aus der "Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union" (SDKÚ) bekannt. Ein letztes Krisengespräch zur Kompromiss-Suche mit Ministerpräsident und SDKÚ-Chef Mikuláš Dzurinda war kurz zuvor gescheitert.

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Gemeinsam mit dem schon früher aus der liberalen Regierungspartei ANO ausgetretenen Ex-Staatssekretär Branislav Opaterný will die Šimko-Gruppe zunächst eine eigene Parlamentsfraktion bilden und später eine neue Partei gründen. Die Position des Premierministers und SDKÚ-Vorsitzenden Mikuláš Dzurinda ist damit wesentlich geschwächt worden.

Er kann sich schon seit Wochen nicht mehr auf eine verlässliche Parlamentsmehrheit stützen. Nur weil sich ein ursprünglich mit Šimko sympathisierender Abgeordneter (Tibor Tóth) schließlich doch für den Verbleib in der SDKÚ entschied, konnte die Partei wenigstens noch stärkste Regierungspartei bleiben. Sie verfügt nur mehr über 21 der 150 Sitze im Parlament und somit gerade um eine Stimme mehr als die von Parlamentsvizepräsident Béla Bugár mit regierende "Partei der Ungarischen Koalition" (SMK).

Die Partei der ungarischen Minderheit könnte demnächst zur stärksten Regierungspartei aufrücken, falls die SDKÚ noch weitere Abgeordnete verliert. Die Funktion des Premierministers will Bugár dennoch nicht für seine Partei reklamieren: Ein Ungar an der Regierungsspitze, dafür sei die Slowakei mit ihrem heiklen Nationalitätengefüge noch nicht reif, erklärte er gegenüber den Medien.

Sehr wohl aber fordert Bugár ein Aufschnüren der Koalitionsvereinbarung: Zusätzlich zu den derzeitigen Regierungsparteien, nämlich den drei christlich-demokratisch orientierten Parteien SDKÚ, SMK und KDH sowie der liberalen ANO solle die Šimko-Gruppe formell als fünfte Koalitionspartei anerkannt und entsprechend an Regierungsfunktionen beteiligt werden. Dzurinda selbst will aber laut Ankündigung gegenüber den Medien vermeiden, dass er Regierungsmitglieder entlassen muss, um der neuen Gruppe Ministerfunktionen abzutreten.

Vordergründig konzentrierte sich Dzurinda auch nach der Spaltung seiner Partei vor allem auf die Sacharbeit. Am Tag unmittelbar nach Šimkos Verlautbarung begann nämlich im Parlament die Debatte über den Staatshaushalt für das Jahr 2004. Der Ministerpräsident appellierte daher in seiner Parlamentsrede besonders an die „Abtrünnigen", zumindest das Staatsbudget für 2004 zu unterstützen. Von einzelnen noch abänderbaren Details abgesehen dürften sie den Budgetvorschlag der Regierung auch tatsächlich mit tragen, da sie sich weiterhin zum Regierungsprogramm bekennen.

Šimko hatte die christlich-liberale SDKÚ erst vor drei Jahren gemeinsam mit Dzurinda gegründet und war bis vor kurzem ihr stellvertretender Vorsitzender. Im September entließ ihn Dzurinda als Verteidigungsminister und ließ ihn auch von seiner Parteifunktion abberufen. Šimko hatte sich nämlich in einer wichtigen personellen Entscheidung (nämlich der von Dzurinda später durchgesetzten Absetzung des Chefs des "Nationalen Sicherheitsamtes") gegen seinen Vorsitzenden gestellt.

Seitdem wirft er Dzurinda einen autoritären parteiinternen Führungsstil und Machtmissbrauch vor. Im November gründete Šimko mit einigen Unterstützern die Plattform „Freies Forum der SDKÚ". Diese Plattform war laut Šimko zunächst nicht als Vorstufe zur Gründung einer neuen Partei gedacht, sondern als innerparteiliches Korrektiv zur "Demokratisierung" der Parteistrukturen. Mitglieder der Plattform waren von Anfang an sieben Parlamentsabgeordnete der SDKÚ: Ivan Šimko, die Parlamentsvizepräsidentin und stellv. SDKÚ-Vorsitzende Zuzana Martináková, Peter Bódy, Alexej Ivanko, Ľubica Navrátilová, Zuzana Plháková, Jozef Hurban und Tibor Tóth. Mit Ausnahme des letztgenannten werden sie künftig zur neuen Parlamentsfraktion gehören. Zur Plattform wie zur künftigen Parlamentsfraktion bekannte sich auch der aus der ANO ausgetretene Branislav Opaterný.

Der bisher steil nach oben zeigende Kurs der slowakischen Krone, die seit Monaten sogar den Euro-Höhenflug noch überflügelte, geriet infolge der Krise bereits ins Wanken. Wirtschaftsexperten zeigten sich gegenüber den Medien dennoch optimistisch: Sollten Dzurinda und der zu seiner Partei gehörende Finanzminister Ivan Mikloš zumindest ihr Budget ohne allzu große Abstriche durchbringen, werde der Aufwärtstrend der Währung trotz Regierungskrise weiter anhalten. Denn das Investitionsklima habe sich in den vergangenen Jahren bereits nachhaltig gebessert.

Davon zeugen nicht zuletzt die Investitionen von großen internationalen Autofirmen: Nach dem bisher größten Investor Volkswagen baut auch Peugeot PSA ein Autowerk in der Slowakei. Und der südkoreanische Autokonzern Hyundai hat die Slowakei neben Polen ins Finale bei der Standortentscheidung für ein großes mitteleuropäisches Autowerk aufgenommen.

Spaltungen auch in anderen Parteien

Die traditionell instabile slowakische Parteienlandschaft erlebte mit der SDKÚ-Spaltung eine neuerliche Erschütterung. Die realen Kräfteverhältnisse im Parlament unterscheiden sich gut ein Jahr nach den letzten Parlamentswahlen bereits sehr wesentlich vom damaligen Wahlergebnis. Zuvor hatten sich nämlich auch schon andere Parteien gespalten.

Die bisher größte Spaltung betraf die Opposition: Schon kurz nach der Wahl traten elf Abgeordnete aus der bis dahin stärksten Parlamentspartei, der oppositionellen HZDS von Ex-Premier Vladimir Mečiar aus. Sie agieren seitdem im Parlament als „Klub der Unabhängigen" (KNP) und außerhalb des Parlaments als neu gegründete „Volksunion" (ĽÚ). Mit einer schon früher von der HZDS abgespaltenen außerparlamentarischen Gruppe namens „Bewegung für Demokratie" (HZD) bereiten sie eine Fusion vor, die im Januar vollzogen werden soll.

Auch an die rechtsextreme „Slowakische Nationalpartei" (SNS) nähern sich ĽÚ und HZD an. Zunächst wollen sie gemeinsam mit kleineren nationalistischen Splittergruppen die Kandidatur von HZD-Chef und Ex-Parlamentspräsident Ivan Gašparovič für die Funktion des Staatspräsidenten unterstützen. Erst am 1. Dezember erlebte auch die kleinste Parlamentspartei einen Partei-Austritt: Der Abgeordnete Herman Arvay verließ die Kommunistische Partei (KSS). Die kleine liberale Regierungspartei ANO wiederum hat außer dem bereits erwähnten Opaterný auch bereits Ex-Wirtschaftsminister Robert Nemcsics und Anton Danko verloren.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Stärkeverhältnisse im Parlament nach den Wahlen Ende September 2002 und zum gegenwärtigen Stand (10. Dezember 2003):

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