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U.S. Mission / Eric Bridiers / flickr / CC BY-ND 2.0

Länderberichte

Zwischen Hiobsbotschaften und Hoffnungsschimmern

von Dr. Olaf Wientzek, Diana Peters, Sarah Ultes

Wochenspiegel zu Vorgängen im multilateralen Genf zu COVID-19 (28.5.-11.6.)

Während sich der Fokus in der EU auf das Herunterfahren einschränkender Maßnahmen und den Neustart der Wirtschaft verlagert, erinnern Vorgänge in den multilateralen Organisationen in Genf daran, dass die Corona-Pandemie weltweit nichts von ihrer Gefahr und ihrer verheerenden Wirkung auf Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft verloren hat.

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Zwischen Hiobsbotschaften und Hoffnungsschimmern

Austrittsankündigung der USA aus der WHO

Für die WHO liegen in diesen Wochen hoffnungsvolle Fortschritte und Hiobsbotschaften eng beieinander.

Zu letzteren ist die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump am 29. Mai zu zählen, die Beziehungen der USA mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beenden zu wollen, verbunden mit der Behauptung, dass "China die vollständige Kontrolle über die Weltgesundheitsorganisation" habe.

Die Begründung: Die WHO habe es versäumt, die von Trump geforderten Reformen durchzuführen —daher werden nun die Mittel auf andere globale öffentliche Gesundheitsbedürfnisse umgeleitet. Dieser Schritt kam nicht einmal elf Tage nach Trumps — am Rande der WHA veröffentlichtem — Brandbrief, in welchem er der WHO eine 30-Tage Frist eingeräumt hatte, um nicht näher genannte Reformen durchzuführen. Unklar ist, ob es für den US-Präsidenten überhaupt ohne Zustimmung des Kongresses möglich ist, den Austritt aus der WHO zu vollziehen. Vor einem Austritt stünde wohl auch die Zahlung aller ausstehenden Beiträge an die Behörde an. Der Schritt des Präsidenten wurde von führenden Politikern der EU und von vielen Gesundheitsexperten in den USA und im Ausland kritisiert: ein Rückzug sei kontraproduktiv für die Ziele der USA. Innerhalb der WHO wird der Schritt als Wahlkampfmanöver Trumps bewertet. Offene Kritik aus der WHO gab es keine — getreu ihrer Maxime, ihre Mitgliedstaaten nicht öffentlich zu schelten. Vielmehr lobte WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Ghebreyesus den "immensen" und "großzügigen" Beitrag der USA zur globalen Gesundheit, mit der Hoffnung, die langjährige Zusammenarbeit fortsetzen zu können. Die WHO hatte die US-Entscheidung nur aus den Medien erfahren, ein formelles Austrittsgesuch wurde bislang nicht hinterlegt. Beobachter berichten von Hintergrundgesprächen zwischen der US-Vertretung in Genf und der WHO, wie der Vollzug eines Austritts noch vermieden werden kann.

Neue Initiative "C-TAP"

Parallel zur Ankündigung Trumps startete der von Costa Ricas Präsident Carlos Alvarado initiierte COVID-19 "Technology Access Pool" (C-TAP) der WHO, einer Initiative, die Impfstoffe, Tests, Behandlungen und andere Gesundheitstechnologien, die zur Bekämpfung von COVID-19 benötigt werden, weltweit zugänglich machen soll und die von rund 37 Ländern (1) unmittelbare Unterstützung erhielt. Die Länder verpflichten sich, Patente und Daten für COVID-19-Behandlungen und Impfstoffe als "globale öffentliche Güter" frei verfügbar zu machen. Die Initiative wird vor allem von Ländern des globalen Südens, aber auch von vier EU-Ländern und Norwegen gestützt. Gleichwohl fehlen zahlreiche zentrale Akteure wie die USA, die Milliarden in die COVID-19-Impfstoffforschung investiert haben.  Ebenfalls abwesend: das Vereinigte Königreich, die Schweiz und andere wichtige Länder der Europäischen Union, in denen viele der weltweit größten Pharmakonzerne angesiedelt sind, wie Frankreich, Deutschland und Italien. Die Staats- und Regierungschefs der drei letztgenannten Länder haben kürzlich gefordert, dass jeder COVID-19-Impfstoff als "globales öffentliches Gut" behandelt werden müsse, jedoch gehen ihnen einzelne Aspekte der Initiative bislang zu weit. China und Indien haben ebenfalls noch nicht ihre Unterstützung zugesagt.  

Gleichzeitig baten die WHO und die Co-Sponsorenländer auch Geber, Forscher, Industrie und Zivilgesellschaft, sich der Initiative anzuschließen und sie zu unterstützen. "Der Aufruf geht weit über den Anwendungsbereich von Patenten hinaus und fordert dazu auf, im Wesentlichen alles zu teilen, was notwendig ist, damit weitere Unternehmen auch jene Produkte herstellen können, die sich als wirksam gegen COVID-19 erwiesen haben", sagte ein Sprecher von Unitaid, Gründer des Patentpools für Arzneimittel und einer der wichtigsten Partner der WHO bei der Initiative. Die Reaktion der Pharmaindustrie war hingegen abweisend. Kritisch werden Forderungen im Rahmen des Aufrufs gesehen, die auf eine globale Lizenzvergabe, u.a. den Verzicht auf geistige Eigentumsrechte, drängen.

C-TAP ist eine Schwesterinitiative zu dem Ende April von der Europäischen Kommission und der WHO angekündigten "Accelerator Access to COVID-19 Tools (ACT)", der über 7,4 Milliarden Euro für die Entwicklung und Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen aufgebracht hat.

WHO-Stiftung gegründet

Parallel zur Rücktrittsankündigung Trumps erfolgte auch die Gründung der neuen WHO-Stiftung (2) am 27. Mai. Die Stiftung mit Sitz in Genf, die rechtlich von der WHO getrennt ist, wird Beiträge der breiten Öffentlichkeit, einzelner Großspender und Unternehmenspartner der WHO zugänglich machen, um die globalen Bedürfnisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu unterstützen. Ziel ist es, die Spenderbasis der WHO zu verbreitern und auf eine nachhaltigere und vorhersehbarere Finanzierung hinzuarbeiten. Nach mehr als zwei Jahren Vorbereitung wird Thomas Zeltner die Stiftung leiten, ehemaliger Gesundheitsminister der Schweiz und Generaldirektor der Schweizerischen Gesundheitsbehörde.
Steigende Zahl von Neuinfektionen

Der WHO wurden inzwischen fast sieben Millionen Fälle von COVID-19 und fast 400.000 Todesfälle gemeldet. Obwohl sich die Situation in Europa verbessert, verschlechtert sie sich weltweit zunehmend. Am 7. Juni wurden mehr als 136.000 Fälle gemeldet, bisher die höchste Zahl an einem einzigen Tag. Fast 75% davon wurden aus Nord- und Südamerika und Südasien gemeldet. Entsprechend mahnte Tedros, dass es nach mehr als sechs Monaten Pandemie für kein Land der richtige Zeitpunkt sei, "den Fuß vom Pedal zu nehmen". In den meisten Ländern der afrikanischen Region ist nach wie vor ein Anstieg der Zahl der neuen COVID-19-Fälle zu verzeichnen, ebenso in Teilen Osteuropas und Zentralasiens.  Gleichzeitig sind in mehreren Ländern positive Entwicklungen zu beobachten. Dort ist laut Tedros allerdings die größte Bedrohung die Selbstzufriedenheit. Die WHO drängt weiterhin auf eine aktive Überwachung von Fällen um sicherzustellen, dass sich das Virus nicht wieder ausbreitet, insbesondere da in einigen Ländern wieder Massenansammlungen stattfinden.

Angesichts der Tatsache, dass Millionen von Menschen bei Protesten gegen Rassismus auf die Straße gehen, unterstreicht die WHO die Bedeutung der Beachtung von Abstands- und Hygieneregeln bei einer Teilnahme.(3)

Empfehlungen für Maskennutzung

Unterdessen veröffentlichte die WHO am 5. Juni in einer separaten Pressekonferenz aktualisierte Leitlinien für die Verwendung von Masken (4) zur Verhinderung der Übertragung von COVID-19 in der Öffentlichkeit und im Gesundheitswesen. Regierungen in Gebieten mit weit verbreiteter COVID-19-Übertragung sollten die Verwendung nichtmedizinischer Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Geschäften und an anderen Orten, an denen eine physische Entfernung schwierig ist, fördern, empfiehlt die WHO in einem aktualisierten Leitfaden. Zum ersten Mal veröffentlichte die WHO auch Anweisungen zur Herstellung von Stoffmasken zur Verwendung durch die Allgemeinheit, die einen angemessenen Schutz vor einer Weiterübertragung des Virus bieten würden. Gleichwohl betont die WHO weiterhin, dass Masken Teil einer umfassenden Strategie von Maßnahmen zur Unterdrückung der Übertragung und zur Rettung von Leben sein müssten. Die Verwendung einer Maske allein reiche nicht aus, um einen angemessenen Schutz gegen COVID-19 zu bieten. Nötig sei auch ein physischer Mindestabstand von mindestens einem Meter zu anderen Personen, häufiges Händereinigen und die Vermeidung der Berührung von Gesicht und Maske. Umfassendere Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit wie Kontaktverfolgung ("test & trace"), Quarantäne und Behandlung von Fällen sowie die Isolierung von Verdachtsfällen dürften nicht aufgegeben werden.

Globaler Impfstoffgipfel

Der von Großbritannien ausgerichtete globale Impfstoff-Gipfel am 4. Juni brachte 8,8 Milliarden US-Dollar von 32 Geberregierungen und zwölf Stiftungen, Unternehmen und Organisationen auf und übertrifft damit deutlich das Ziel von 7,4 Milliarden US-Dollar. Der Gipfel ist die dritte Geberkonferenz für die Impfstoffallianz Gavi und folgt auf den erfolgreichen Berliner Gipfel im Januar 2015. Die Staats- und Regierungschefs der Welt zeigen angesichts der COVID-19-Pandemie ein bemerkenswertes Engagement für gerechte Impfkampagnen und globale Gesundheitssicherheit. Neben der Unterstützung der routinemäßigen Impfung von Hunderten von Millionen Kindern in einkommensschwächeren Ländern gegen Infektionskrankheiten wie Masern, Polio und Diphtherie soll die neue Unterstützung auch dazu dienen, einkommensschwächeren Ländern bei der Bewältigung der Herausforderung der Coronavirus-Pandemie zu helfen, indem die Gesundheitssysteme und die Verteilung von Impfstoffen gestärkt werden.

Menschenrechte

Nachdem der 43. Menschenrechtsrat Mitte März COVID-bedingt unterbrochen werden musste, ist die Wiederaufnahme — physisch und virtuell — für den 15. Juni vorgesehen, bevor sich am 22. Juni unmittelbar die 44. Sitzung des Rates anschließen soll. In den vergangenen Wochen hatten die Sonderverfahren (Special Procedures) bis zu 90 Statements veröffentlicht und der Rat selbst drei virtuelle Sitzungen abgehalten. Zuletzt wurde eine Erklärung zu COVID-19 (5) verabschiedet, welche die umfassenden Leitlinien (6) der Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, zur Kenntnis nimmt und sie mit der Untersuchung der Auswirkungen der Pandemie auf Menschenrechte weltweit beauftragt.

Auch mit Blick auf die aktuellen weltweiten Proteste gegen Rassismus fordern rund 30 Experten des Menschenrechtsrats systemische Reformen und Gerechtigkeit ein, da nicht zuletzt COVID-19 die überproportionale Benachteiligung von Menschen afrikanischer Herkunft verdeutliche. Da ethnische Minderheiten nicht nur in den USA, sondern auch in Brasilien, Frankreich oder Großbritannien unverhältnismäßig stark von den COVID-19 Auswirkungen betroffen seien, forderte Bachelet Regierungen auf, Daten nach ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht zu erheben, sowie mit diesen in Dialog zu treten.

Gemeinsam mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker (ACHPR), Solomon Dersso, warnte sie zudem vor der Hoffnung, dass COVID-19 am afrikanischen Kontinent vorbeiziehen werde. Der Virus sei bereits in allen 54 afrikanischen Staaten angekommen, hunderte Millionen Menschen stünden in Gefahr insbesondere durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus mittellos zu werden.   

Humanitäres – Jemen am Rande des Abgrunds

"Ist die Welt bereit zuzusehen, wie der Jemen in den Abgrund stürzt?", fragte Mark Lowcock, Leiter des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), auf der diesjährigen Geberkonferenz für den Jemen am 2. Juni, welche traditionell in Genf tagt und dieses Jahr erstmals virtuell zusammentrat — auf Einladung der UN und Saudi-Arabiens (!). Seit Jahren gilt das Land als die größte humanitäre Krise weltweit; 24 Millionen Menschen, rund 80% der Bevölkerung, sind auf lebensrettende Hilfe angewiesen. Zu dem seit 2015 wütenden internationalisierten Bürgerkrieg, dem Ausbruch von Cholera, Malaria, dem Dengue-Fieber, zu Massenvertreibungen und verheerenden Überschwemmungen, trifft nun noch COVID-19. Mit einem Gesundheitssystem, welches sich im Zusammenbruch befindet und kranke Menschen abweist, zählt die Sterblichkeitsrate bereits jetzt zu den höchsten weltweit. Mehr als 30 von 41 UN-gestützten Programmen drohe die Schließung, so Lowcock. Noch nie sei so spät im Jahr so wenig Geld vorhanden gewesen. Von einem Bedarf von 2,41 Mrd. US-Dollar bis Ende des Jahres (mindestens aber den 2,3 Mrd., dem Betrag vom letzten Jahr), kamen letztlich nur 1,35 Mrd. US-Dollar an Zusagen zusammen, von welchen Saudi-Arabien gut die Hälfte zuschoss, gefolgt von den USA, Großbritannien und Deutschland. (7)

Die Rolle Saudi-Arabiens als Co-Ausrichter der Konferenz und aktive Kriegspartei, welcher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, u.a. das Aushungern der Bevölkerung und die Bombardierung von zivilen Einrichtungen inklusive Krankenhäusern, vorgeworfen werden, (8) stieß im Vorfeld auf Kritik. OCHA verteidigte dies mit dem Verweis, dass das Königreich der größte humanitäre Geber für den Jemen sei.

Wirtschaftlicher "Neustart" in Davos?

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) kündigte unlängst einen Doppelgipfel zum Thema "Der Große Neustart" für Januar 2021, d.h. zum 51. Jahrestreffen des Forums in Davos, an. Hier sollen in persönlichen und virtuellen Dialogen führende Vertreter aus Politik und Wirtschaft mit Vertretern der Zivilgesellschaft und insbesondere der jungen Generation in einen Austausch treten.  Das Format soll mithin erheblich geöffnet werden. Diskutiert werden sollen die Grundlagen für neue Wirtschafts- und Sozialsysteme, die den Weg in eine gerechtere, nachhaltigere und resilientere Zukunft ebnen. Ebenso wird ein neuer Gesellschaftsvertrag gefordert, in dessen Mitte Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit verankert sind. Im Vorfeld sind bereits erste virtuelle Dialoge geplant.

Handel –  Sorge um Nachhaltigkeit und Nahrungsmittellieferketten

Die WTO hat nach der Rücktrittsankündigung ihres Generaldirektors Roberto Azevedo zum 31. August turbulente Wochen hinter sich. (9) Obwohl die Suche nach der Nachfolge Ressourcen bindet, ist man auch dort mit Überlegungen zum "wirtschaftlichen Neustart" nach der Krise befasst. Als ein mögliches Instrument zur Stärkung der Nachhaltigkeit im Bereich des Handels gilt ein mögliches Abkommen zur Liberalisierung des Handels von Umweltgütern und Dienstleistungen. Viele Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, drängen zudem auch auf eine Fortführung der Diskussionen über Regeln für den elektronischen Handel, dessen Bedeutung im Rahmen der Krise überdeutlich wurde.

Nach wie vor ist die WTO jedoch auch mit dem Monitoring handelsbeschränkender Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Krise beschäftigt. Am 29. Mai stützten 55 Länder einen von Kanada lancierten Aufruf, sich für offenen Handel von landwirtschaftlichen Produkten einzusetzen, um eine Beeinträchtigung von Lebensmittelsicherheit durch Preisschwankungen und Lebensmittelknappheit zu vermeiden. Entsprechend verpflichten sich die Unterstützer, Lebensmittellieferketten aufrechtzuerhalten, von Exportbeschränkungen und anderen Handelsbarrieren Abstand zu nehmen. Zudem wolle man bei Maßnahmen darauf achten, dass sie zielführend, zeitlich begrenzt, verhältnismäßig und transparent sind. Unter den Unterstützern findet sich neben der EU auch die USA, Australien, zahlreiche lateinamerikanische Länder und Taiwan — nicht aber China. Insgesamt decken die Unterzeichnerländer 67% der globalen Exporte landwirtschaftlicher Produkte ab.

Bis zum 5. Juni hatten die Mitglieder insgesamt 151 Handelsmaßnahmen bei der WTO gemeldet. Bei den meisten handelt es sich entweder um technische Handelsbeschränkungen (60), gesundheitliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (40) oder um quantitative Handelsbeschränkungen (27). Nur bei wenigen handelt es sich um handelserleichternde Maßnahmen. (10)

Ein am 10. Juni von der WTO publiziertes Papier warnt, dass die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) zu den wirtschaftlich am schwersten von der Pandemie betroffenen Ländern zählen könnten. Ein Grund: einige dieser Länder sind stark von Exporten in Länder abhängig, die wiederum besonders intensiv von COVID-19 heimgesucht worden waren.

ILO:  Testen und Nachverfolgung verringert Beschäftigungsrückgang

Ende Mai veröffentlichte Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) illustrieren die erheblichen Auswirkungen der Pandemie auf die globale Beschäftigungsquote und die Arbeitswelt. (11) Für das 2. Quartal 2020 ging die Zahl der Arbeitsstunden weltweit gegenüber dem 4. Quartal 2019 um insgesamt 10,7% zurück (das Äquivalent von 305 Millionen Jobs). Besonders betroffen sind die ILO-Regionen Nordamerika (17%) und Südeuropa (17,3%), doch auch in den meisten übrigen Regionen sind Rückgänge von 8-14% zu verzeichnen. Überproportional betroffen sind junge Menschen (die ILO warnt vor einer „Lockdown-Generation“), da sie häufiger im besonderes betroffenen informellen Sektor beschäftigt sind. Wichtig: Die ILO befürwortet mit Nachdruck den bereits seit Monaten von der WHO proklamierten Ansatz von „Testing & Tracing“, also Ausweitung von Tests und Nachverfolgung von Kontakten. Schätzungen der ILO suggerieren, dass diese Strategie die Zahl der verlorenen Arbeitsstunden um bis zu 50% reduzieren kann.

Chance für neuen Ansatz gegenüber Migranten und Geflüchteten?

Auf der Basis zahlreicher Empfehlungen von Genfer Organisationen, wie der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO), dem Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), stellte UN-Generalsekretär Guterres neue Leitlinien (12) zu Flucht und Migration vor. COVID-19 stelle eine Chance für Gesellschaften dar, ihren Umgang mit Migranten und Geflüchteten zu überdenken. Auch das bisherige System von Familienüberweisungen stehe vor einer Zäsur. Allein im vergangenen Jahr wurden 554 Mrd. US-Dollar (13) an 800 Millionen Menschen in mehr als 125 Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen überwiesen. Würde sich der erwartete Rückgang von Transfers um ca. 20% (110 Mrd. US-Dollar) aufgrund von COVID-19 materialisieren, könnten mehrere zehn Millionen Menschen unter die Armutsgrenze fallen. In Kooperation mit IOM setzte sich die Schweiz daher mit Großbritannien für niedrigere Transaktionskosten ein.(14)

Kommentar

Im Kampf gegen die Pandemie aber auch bei der Wiederankurbelung der Wirtschaft können internationale Organisationen wie die WHO oder auch die WTO eine entscheidende Rolle spielen, wenn man ihnen den Raum lässt. Nicht zuletzt die Austrittsankündigung des größten Beitragszahlers der WHO ist eine Erinnerung daran, wie dringlich die Frage ihrer nachhaltigen Finanzierung und größeren Unabhängigkeit von geopolitischen Großwetterlagen und Launen einzelner Staatschefs ist. Auch dies muss zentraler Teil der Gesamtevaluierung der Krisenreaktion sein. Internationale Organisationen durch Blockaden und Finanzkürzungen zu besseren Think Tanks zu degradieren, wäre auch mit Blick auf künftige Krisen ein gefährlicher Schritt.

 

1 Zentrale Elemente der Initiative und die Liste der 37 Unterstützer finden sich hier.
2 Mehr Informationen hier.
3 Empfehlungen zum Verhalten bei Massenansamm- lungen sind hier abrufbar.
4 Fragen und Antworten zu Masken und COVID-19 sind hier zu finden. Informationen zur Nutzung von Masken finden sich hier.
5 Das komplette Statement findet sich hier
6 Die Leitlinien der UN-Hochkommissarin finden sich hier
7 Eine Übersicht über die Zusagen findet sich hier
8 Der Bericht der Expertengruppe für den Jemen findet sich hier
9 Mehr zu den Hintergründen in der letzten Genfer Großwetterlage der KAS
10 Eine komplette Aufstellung ist hier abrufbar
11 Der gesamte Bericht der ILO findet sich hier.
12 Die Leitlinien sind hier abrufbar
13 mehr als die Summe ausländischer Direktinvestitio- nen oder der offiziellen Entwicklungshilfe
14 Weitere Unterstützer des Aufrufs sind u.a. u.a. Ägypten, Ecuador, El Salvador, Jamaika, Mexiko, Nigeria, Pakistan

 

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