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Flickr / Gerald R. Ford School of Public Policy University of Michigan / CC BY-ND 2.0 DEED

Nachruf

„Deutschland verliert einen engen Freund und Partner“

Würdigung des verstorbenen ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger

Die letzte Begegnung mit Henry Kissinger fand im Februar statt. Anlässlich des Besuchs von Prof. Dr. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen a.D. und Mitglied des Vorstands der Konrad-Adenauer-Stiftung, trafen wir uns mit dem früheren US-Außenminister per Zoom im KAS-Büro in New York. Nur Monate zuvor hatte der damals 99-Jährige sein neues Buch „Leadership – Six Studies in World Strategy“ herausgegeben. Auf gut 400 Seiten stellt Kissinger darin sechs Persönlichkeiten vor. Das erste Kapitel beschreibt das Leben und Wirken von Konrad Adenauer. Ab 1957 bis zu dessen Tode ein Jahrzehnt später hatte Kissinger eine ganze Reihe an persönlichen Gesprächen mit Adenauer. Facettenreich und mit vielen Zitaten erinnert er in seinem Buch an die Bemühungen des ersten deutschen Bundeskanzlers für eine Aussöhnung mit Frankreich, die Stärkung der Beziehungen zum Westen und insbesondere zu den Vereinigten Staaten als Schlüssel für die Wiederherstellung der Position Deutschlands in der Welt. Anschaulich zeichnet Kissinger den überaus schwierigen Prozess bis zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel nach. Adenauers Vision von einem vereinten Deutschland in einem vereinten Europa bezeichnet der Republikaner als „The Strategy of Humility“, die Strategie der Demut.

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Henry Kissinger wurde 1923 unter dem Namen Heinz Alfred Kissinger in Fürth geboren. Seine jüdische Familie floh 1938 in die USA. Er studierte in Harvard, später wurde er dort Professor. In den 1960er Jahren begann sein Engagement in der Politik, zunächst in einem Beraterkreis von Präsident John F. Kennedy, 1969 ernannte ihn Präsident Richard Nixon zum Sicherheitsberater. 1973 wurde er schließlich Außenminister. Kissinger erarbeitete sich einen Ruf als erfolgreicher Diplomat; er verhandelte Friedensabkommen und Abrüstungsverträge. Entscheidend war seine Rolle in der Entspannungspolitik mit China: Er reiste in geheimer Mission nach Peking, um Nixons Reise in die Volksrepublik vorzubereiten. Kissinger verhandelte einen Waffenstillstand für den Vietnam-Krieg; dafür bekam er zusammen mit seinem nordvietnamesischen Verhandlungspartner den Friedensnobelpreis. Völlig einverstanden war Kissinger mit dem Preis nicht: Er fuhr nicht zur Verleihung und versuchte, ihn nach dem Fall von Saigon zwei Jahre später wieder zurückzugeben. Kissinger war als effizienter Verhandler geachtet und bewundert – gleichzeitig warfen ihm seine Kritiker vor, zu pragmatisch und skrupellos zu sein. In einem Interview im Jahr 2022 wurde er gefragt, ob er eine seiner Entscheidungen zurücknehmen wolle, wenn er könnte. Er sagte, die Empfehlungen, die er gemacht habe, seien die besten, zu denen er damals fähig gewesen sei. Nach seinem Ausscheiden aus der US-Regierung blieb Kissinger ab 1977 bis zu seinem Tode ein scharfsinniger Beobachter der internationalen Politik und weltweit gefragter Gesprächspartner, der auch bei strittigen Themen an seinen Überzeugungen festhielt. Noch im Juli traf er sich mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping in Peking.

 

Deutschland verliert mit Henry Kissinger einen engen Freund und Partner. Der „Jahrhundert-Diplomat“ hat den Deutschen die Hand ausgestreckt und sich unermüdlich für eine Stärkung der transatlantischen Beziehungen eingesetzt. Kissingers Unterstützung für die Politik der Westbindung und für ein vereintes Europa sind und bleiben für die Konrad-Adenauer-Stiftung Grundpfeiler ihres Wirkens.

 

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