Als vor zweieinhalb Jahren die ersten Nachrichten einer neuartigen Lungenkrankheit auftauchten, welche in der chinesischen Region Hubei gemeldet wurden, ahnte kaum jemand, welche drastischen Folgen dieses Virus für uns alle haben sollte. Die Covid-19-Pandemie führte weltweit zu Verwerfungen und stellte das gesellschaftliche Krisenmanagement auf eine harte Probe. Auch die Menschen im Freistaat Sachsen haben im Verlauf dieser Zeit harte Einschränkungen erlebt. Politische Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionswellen mussten unter Abwägung verschiedenster Positionen vor einem kurzfristigen Zeithorizont getroffen werden – oftmals musste hierbei zwischen dem medizinisch Notwendigen und dem gesellschaftlich Erwarteten vermittelt werden, was zu Spannungen führte.
Obwohl die Pandemie noch nicht beendet ist, wie uns die aktuell wieder steigenden Infektionszahlen zeigen, ist es an der Zeit, eine erste Bilanz über unsere bisherige Reaktion auf die globale Gesundheitskrise zu ziehen. Nach den nunmehr zweieinhalb Jahren müssen Wege zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit dem Virus gefunden werden, auch um den permanenten Krisenmodus, in welchem sich unsere Gesellschaft zu befinden scheint, endlich beenden zu können.
Um diesen dringend benötigten Austausch zu ermöglichen und sich der sächsischen Corona-Politik aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern, fand am Mittwoch, den 22. Juni 2022 eine Gesprächsrunde mit Ministerpräsident Michael Kretschmer statt, zu welcher Vertreter und Vertreterinnen zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen und Regionen Sachsens eingeladen waren. Am "Runden Tisch" des Politischen Bildungsforums Sachsen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, von Ihren persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen zu berichten. Nach einer Begrüßung durch Dr. Joachim Klose hatten alle anwesenden Bürger und Bürgerinnen zunächst die Gelegenheit für ein individuelles Statement, in welchem sie ihre Wahrnehmungen, Lob und auch Kritik zum Ausdruck brachten.
Im Fokus standen hierbei zunächst die Einschränkungen, welche die Gesellschaft insbesondere in den ersten Lockdowns ereilten, während die Menschen auf eine derartige Entwicklung nicht vorbereitet waren. Die Buchhändlerin Andrea Panke aus Döbeln beschrieb das Gefühl, als die nicht systemrelevanten Einzelhändler ihre Geschäfte erstmalig schließen mussten, als würden wir alle in ein Loch fallen. Die durch den Abstand zu den Mitmenschen und die notwendige Isolation aufkommende Vereinsamung wurde von vielen der Anwesenden als großes Problem benannt. Dass die Menschen im Verlauf der Pandemie zunehmend mit psychischen Folgen der Isolation zu kämpfen hatten, betonte auch der Dresdner Superintendent Albrecht Nollau. Zudem wies er darauf hin, dass der oftmals verwendete Begriff der "Systemrelevanz" kritisch zu bewerten sei, da dieser nicht die benötigte Wertschätzung der einzelnen Menschen wiederspiegele. Auch für die Ältesten in unserer Gesellschaft brachten die Abstandsregeln große Herausforderungen mit sich, wie die Görlitzer Pflegeheimleiterin Bergit Kahl zu berichten wusste. Dass sich Sterbende oftmals nicht von ihren Angehörigen verabschieden konnten, zählt zu den größten und schmerzhaftesten Einschnitten in dieser Pandemie. Doch auch an der jungen Generation ging die Zeit nicht spurlos vorbei: Die Lehrerin Christina Milde berichtete von Schülerinnen und Schülern, welche sich während der Schulschließungen immer mehr zurückgezogen haben; der Student Alexander Franke erwähnte die Folgen der Maßnahmen für die jungen Menschen an den Universitäten, welche während der Pandemie oft vergessen wurden und denen Erfahrungen verwehrt wurden, welcher normalerweise prägend für diesen Lebensabschnitt sind. Und auch in den Sportvereinen ließ sich seit Beginn der Pandemie ein zunehmender Rückgang der Aktivitäten beobachten, wie die Jugendtrainerin Vera Blank zu erzählen vermochte.
Glücklicherweise beschränkte sich die Veranstaltung nicht auf die berechtigte Kritik und den wahrgenommenen Problemfeldern, sondern die Bürgerinnen und Bürger nutzten das Gespräch ebenfalls dazu, um die gelungenen und positiven Aspekte der sächsischen Corona-Politik hervorzuheben. So wurde unter anderem die Kommunikation der Staatsregierung beispielsweise auf den regelmäßigen Pressekonferenzen gelobt. Auch die Kommunikation zwischen den Ministerien und Gesundheitsämtern wurde von einigen der anwesenden Personen positiv herausgestellt. Der Gastronom Markus Kretschmar konnte beispielsweise durch die finanzielle Unterstützung in Form der Überbrückungshilfe seine Angestellten auch trotz Schließung seines Gasthauses behalten. Auch die Zahlungen des Kurzarbeitergeldes verliefen unproblematisch. Für medizinische Einrichtungen war es hilfreich, dass es innerhalb der Vorgaben wichtige Handlungsspielräume gab, wie Katja Frühauf anmerkte, welche die Rehabilitationsstätte Gut Gamig e.V. leitet.
In der anschließenden Diskussion wurde diskutiert, inwiefern wir es in Bezug auf die lautstarken Demonstrationen in Sachsen mit einer generellen Vertrauenskrise in demokratische Institutionen zu tun haben. Der Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz schilderte, wie er während der Hochphase der Proteste regelmäßige Gesprächsangebote schuf, welche jedoch bei den "Spaziergängern" auf mäßiges Interesse stießen. Die Runde diagnostizierte im Folgenden, dass das gesellschaftliche Grundvertrauen gestört sei und ein verbindendes Element erst wieder gefunden werden müsse. Zentral hierfür sei es, uns bewusst zu machen, wie wir mit den Schwächsten der Gesellschaft umgehen wollen, forderte Stephan Wiegand. Ministerpräsident Michael Kretschmer fasste zusammen, dass es innerhalb der Gemeinschaft schon immer eine Spaltung gebe. Innerhalb einer freiheitlichen Gesellschaft müssen aber auch abwegige Meinungen ausgehalten werden. Daher sei es umso wichtiger, sagte Kretschmer, dass der Staat klare Kante gegen all jene zeige, welche diesen demokratischen Grundkonsens verlassen. Er betonte, dass der Rechtsextremismus weiterhin die größte Bedrohung für den Freistaat Sachsen darstelle.
Aus derart vielfältigen Perspektiven eine gemeinsame Bilanz zu ziehen, stellt aufgrund der Pluralität der Wahrnehmung eine gewisse Herausforderung dar. Zusammenfassend lässt sich dennoch sagen, dass die Runde sich in einigen zentralen Punkten einig war: Staatliche Regeln zur Bekämpfung der Pandemie müssen einerseits verständlich und andererseits auch durchsetzbar sein. Ohne eine reale Chance der Umsetzbarkeit verblieben diese wirkungslos. Dies sei insbesondere mit Blick auf den kommenden Herbst von Seiten der Gesetzgeber dringlich zu beachten. Auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise in Kultur oder Bildung muss unsere Gesellschaft zukünftig noch resilienter werden. Ein Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern ist zum Erreichen dieser Ziele unerlässlich. Der Runde Tisch kann somit nur ein Startpunkt für die Debatte sein, welche sich im Folgenden gesellschaftlich anschließt. Dies wurde abschließend auch im Gespräch angemerkt: "Wir sitzen doch alle im selben Boot".
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