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Country Reports

Misswirtschaft und Korruption führen zum Amtsenthebungsverfahren des Präsidenten

by Dr. Willibold Frehner
In vielen Ländern der sogenannten "Dritten Welt" wird Misswirtschaft und Korruption als fester Bestandteil von Politik und Wirtschaft gesehen. Man bedauert zwar die negativen Folgen, die sich für die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft ergeben. Nur wenige wehren sich ernsthaft dagegen, da allgemein das Gefühl vorherrscht, dass es das schon immer gegeben hat und immer geben wird.

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So ist es nicht verwunderlich, dass es in den Philippinen fast als normal gilt, dass 60% der Unternehmenssteuern, 50% der Einkommensteuer und rund 50% der Mehrwertsteuer nicht bezahlt werden.

Für die Entwicklung des Landes fehlen diese Gelder zwar, aber nur wenige scheint es ernsthaft zu bewegen, dass wegen des geringen Steueraufkommens keine Programme zur Behebung der Misere der knapp 40% der Bevölkerung, welche unter der Armutsgrenze leben, aufgelegt werden können.

Durch Misswirtschaft und Korruption gehen nach Schätzungen in den Philippinen rund 50% der Entwicklungsfonds und insgesamt rund 25% des Staatsbudgets verloren.

Die verbliebenen Gelder reichen meist gerade aus, um die kärglichen Gehälter der Lehrer, der Beamten und der Soldaten zu bezahlen.

Für die Entwicklung des Landes, für Infrastrukturprojekte, für die Förderung der Landwirtschaft, für die Entwicklung des Tourismus reicht es meist nur zu blumigen Ankündigungen der Verantwortlichen.

Der Cronyismus, die philippinische Variante der Vetternwirtschaft, erblühte erneut seit dem Machtantritt des Präsidenten Estrada im Sommer 1998.

Spielbanken und Lotterien wurden von Vertrauten des Präsidenten übernommen und betrieben, Schmuggelgeschäfte, Geldwäsche und Drogenhandel weiteten sich aus, dubiose Import- und Exportgeschäfte wurden von Freunden des Präsidenten getätigt.

Speziellen Freunden, die den Grossteil seines Wahlkampfes finanzierten, wurden spezielle Privilegien zuteil: Lucio Tan brauchte mit Hilfe der Intervention Estradas seine milliardenschweren Steuerschulden nicht zu bezahlen.

Er erwarb dafür weitere 35% der Anteile der Philippine National Bank, bei der er nun 45% der Anteile hält. Zusammen mit den 30% Anteilen, welche die Regierung hält, ist eine Dominanz bei der Bank sicher, bei der seine Fluglinie Philippine Airline hoch verschuldet ist.

Er genießt weitere Privilegien: seine Fluglinie darf den neu erbauten Terminal exklusiv nutzen und im Luftraum der Philippinen haben seine Flugzeuge eine Monopolstellung.

Ein weiterer enger Freund des Präsidenten, Herr Cojuangco, der vor zwei Jahren den Lebensmittelkonzern San Miguel übernahm, sträubt sich mit Hilfe des Präsidenten erfolgreich dagegen, rund 2 Milliarden DM, die aus Abgaben der Kleinbauern angespart wurden, aus dem Coconut Levy Fund an die notleidenden Kleinbauern auszubezahlen.

Im Laufe des Jahres 2000 reihten sich weitere Skandale aneinander: Zugunsten eines Geschäftsfreundes, der Insidergeschäfte an der Börse betrieb, intervenierte der Präsident der Philippinen und verhinderte eine Strafverfolgung.

Konfiszierte Luxusautos aus dem Zoll wurden an "bedürftige" Kabinettsmitglieder verteilt.

Die Frau des Präsidenten wurde von einer Ordensschwester beschuldigt, Gelder für wohltätige Zwecke veruntreut zu haben.

Allen Abgeordneten des Kongresses wurden Gelder ausbezahlt, um ein Gesetz beschleunigt zu verabschieden.

Der Berater des Präsidenten bei der Geiselnahme in Sulu zweigte Lösegeldzahlungen, bestimmt für die Freilassung der Geiseln, für sich selber ab.

Die sprichwörtliche Geduld der Philippinos war dann überstrapaziert, als Mitte Oktober ein weiterer schwerer politischer Skandal das Land erschütterte:

Der Gouverneur von Ilocos Sur, Luis Chavit Singson, ein früherer enger Freund des Präsidenten behauptete, dass Estrada von November 1998 bis August 2000 über 400 Millionen Pesos oder umgerechnet rund 20 Millionen DM aus halblegalen Glücksspielen (Lotterie) und aus dem Aufkommen der Tabaksteuer bekommen und für private Zwecke verwendet hat.

Weitere rund 10 Millionen DM flossen nach Angaben des Gouverneurs an Familienmitglieder des Präsidenten und an zwei Senatoren.

Der Präsident der Christdemokraten (Lakas-NUCD-UMDP-KAMPI), Senator Guingona, beschuldigte vor dem Hintergrund dieser Behauptungen in einer Sitzung des Senates den Präsidenten der Philippinen der Korruption und der Veruntreuung von öffentlichen Geldern.

In verschiedenen Sondersitzungen des Senates werden seitdem Zeugen vernommen, die den Sachverhalt weitergehend bestätigten.

Heherson Alvarez, Kongressabgeordneter und Generalsekretär der Christdemokraten, leitete im Kongress ein Verfahren ein, um den Präsidenten Estrada abzusetzen.

Korruption, Veruntreuung von Geldern und Missachtung der Verfassung sind die Grundlage des Verfahrens.

1/3 der Mitglieder des Kongresses (73 Abgeordnete) müssen diesem Absetzungsverfahren zustimmen, damit es an den Senat weitergeleitet werden kann, der dann mit einer 2/3 Mehrheit (16 von 22 Senatoren) über eine Absetzung zu befinden hat.

Bei den Mehrheitsverhältnissen im Kongress galt es als schwierig, ein solches Verfahren durchzusetzen, da die Regierungskoalition 80% der Mitglieder umfasste und der Präsident seine Getreuen mit Zuwendungen in seinem Lager hielt.

Allerdings gab es viele Austritte aus der Regierungskoalition und eine Weiterleitung des Verfahrens an den Senat scheint nun sicher zu sein.

Kardinal Sin sprach dem Präsidenten der Philippinen das moralische Recht ab, weiter zu regieren, und forderte Estrada auf, zurückzutreten. Die Mehrheit der Bevölkerung ist überzeugt, dass der Präsident Bestechungsgelder angenommen hat.

In den letzten Wochen häufen sich die Protestdemonstrationen im Lande gegen Präsident Estrada. Die Demonstranten fordern den Rücktritt des Präsidenten und eine moralische Erneuerung der Werte in der Gesellschaft.

Die Vizepräsidentin Gloria Macapagal-Arroyo hat als Reaktion auf den erneuten Skandal ihren Rücktritt als Ministerin für Social Welfare and Development erklärt und verließ das Kabinett Estradas.

Dieser lange überfällige Schritt klärt endlich die verschwommenen Fronten zwischen Regierung und Opposition in den Philippinen. Gloria Macapagal-Arroyo ist National Vice-Chairman der christdemokratischen Partei Lakas NUCD-UMDP-KAMPI und aussichtreiche Kandidatin der Opposition für eine nächste Präsidentschaft.

Seit ihrem Austritt aus der Regierung versucht Gloria Macapagal-Arroyo die Kräfte der Opposition zu bündeln, um den politischen Block mit der christdemokratischen Partei zu stärken und um eine personelle Alternative zum gegenwärtigen Kabinett aufzubauen. Ein alternatives Regierungsprogramm soll ausgearbeitet werden.

Der Ablauf des Amtsenthebungsverfahrens ist zeitraubend. Wenn es die Hürde (1/3 der Abgeordneten) im Kongress genommen hat, muss im Senat nachgewiesen werden, dass es erhebliche Verfehlungen seitens des Präsidenten gegeben hat.

Ein solches Verfahren wird sich über die Dauer von mehreren Wochen erstrecken und wird wohl erst kurz vor Weihnachten beendet sein.

Frau Macapagal-Arroyo fordert deshalb, dass Präsident Estrada sofort zurücktreten soll, um weiteren Schaden vom Lande fernzuhalten.

Laut Verfassung würde sie dann für den Rest der gewählten Zeit das Amt des Präsidenten der Republik übernehmen.

Präsident Estrada weißt alle Korruptionsvorwürfe von sich und lehnt einen Rücktritt kategorisch ab. Trotz einiger Rücktritte steht das Kabinett bis auf weiteres zu ihm.

Mitglieder des Kongresses und des Senates wurden bisher durch Projektgelder und Programme für ihren Wahlkreis oder durch Geldzuwendungen an ihn gebunden.

Mit dieser Taktik der gezielten Zuwendungen konnte der Präsident bisher alle Skandale überstehen.

Erhebliche Probleme zeichnen sich seit längerer Zeit allerdings im wirtschaftlichen Bereich ab. Das geringe Steueraufkommen und die exzessive Korruption führen in diesem Jahr zu einem gewaltigen Haushaltsdefizit.

Da die getätigten Ausgaben des Budgets nicht in Bildungs- oder Infrastrukturmaßnahmen münden, sind weder kurz- noch längerfristig positive Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes zu erwarten.

ADB, IWF und Weltbank haben die unsolide Haushaltsführung bereits moniert und finanzielle Zusagen für das laufende Jahr, auch wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen (Omnibus Power Bill), in Frage gestellt.

Die Auseinandersetzungen in Mindanao kosten täglich Millionen an Steuergeldern und verursachen bei der Wirtschaft in Mindanao weitere Steuerausfälle. Auch hier stehen Mehrausgaben im Budget Mindereinnahmen bei den Steuern gegenüber.

Der Krieg in Mindanao und das Geiseldrama führten in diesem Jahr zu einem starken Rückgang der Touristen und zu damit einhergehenden Devisenausfällen.

Seit diesem Jahr reduzierten sich auch die Neuinvestitionen im Lande gravierend. Ein Rückgang um 70% der Investitionen wurde alleine im ersten Halbjahr verzeichnet.

Mangelndes Vertrauen in die Politik des Landes und in die wirtschaftliche Stabilität sind wesentliche Gründe für den Rückgang der Investitionen. Geringere Investitionen bedeuten auch hier Ausfälle an Devisen.

Die bereits erwähnten Insidergeschäfte - mit Protektion des Präsidenten - an der philippinischen Börse, zogen einen gewaltigen Kursverfall der Börse nach sich und eine Verlagerung von Kapital ins Ausland.

Das Resultat all dieser Veränderungen ist ein erheblicher Kursverfall des Pesos um knapp 25% von rund 39 Pesos/Dollar auf 52 Pesos/Dollar. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht.

Durch massive Zinserhöhungen und durch Stützungsverkäufe von Dollars versuchte die philippinische Zentralbank den Verfall der Währung zu stoppen - bisher erfolglos.

Allerdings wurden durch Stützungskäufe die Währungsreserven des Landes von 14.9 Milliarden Dollar auf 13 Milliarden Dollar reduziert.

Steigende Zinsen (die Banken verleihen derzeit Kredite zu Zinssätzen zwischen 20% und 35%) und - durch den Währungsverfall mitbedingt - erneut gestiegene Energiepreise werden der philippinischen Wirtschaft am Jahresende erheblich zu schaffen machen.

Der Verfall der philippinischen Währung um knapp ein Viertel zieht weitere schwerwiegende Konsequenzen nach sich.

Die Philippinos, die im Ausland arbeiten, halten ihre Dollars zurück, die sie sonst vor Weihnachten an ihre Familien schicken. So gehen der Volkswirtschaft weitere 6 Milliarden Pesos verloren. Zumindest solange bis sich der Peso und die Wirtschaft wieder stabilisiert haben.

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Dr. Peter Köppinger

Representative of the Konrad-Adenauer-Stiftung in the Philippines

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Sankt Augustin Deutschland