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Country Reports

Nachfolger für Staatspräsident Göncz gefunden

by Josef Duchac
Die Partei der Kleinlandwirte (FKgP) hat nach dem Koalitionsvertrag das Vorschlagsrecht für den Kandidaten zur Wahl des Staatspräsidenten; der größere Koalitionspartner hat das Vetorecht. Davon mußte er keinen Gebrauch machen. Mit der Kandidatur des parteilosen Ferenc Mádl wurde auch die Einheit der Regierungskoalition wiederhergestellt.

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Seit Jahren ist Staatspräsident Àrpád Göncz die Nr. 1 auf der Liste der beliebtesten Politiker Ungarns. Nach zwei Amtsperioden kann er nun nicht mehr kandidieren.

Sein Nachfolger wird an ihm gemessen, das erschwert die Suche nach einem geeigneten Kandidaten. Einerseits soll er dem Bild der harmoniebedürftigen Ungarn entsprechen andererseits soll er das Land international würdig vertreten.

Als im Jahr 1998 die Partei der Kleinlandwirte (FKgP) im zweiten Wahlgang zu den Parlamentswahlen mehr als 80 Kandidaten zurückzog und damit den Weg freimachte, damit FIDESZ-MPP stärkste Fraktion werden und den Ministerpräsidenten stellen konnte, war der Preis dafür die Aussage in der Koalitionsvereinbarung, dass die Kleinlandwirte das Vorschlagsrecht für die Kandidaten des Staatspräsidenten erhalten.

Der größere Koalitionspartner behielt zwar das Vetorecht, aber allgemein wurde erwartet, dass die Partei der Kleinlandwirte (FKgP) ihren Vorsitzenden József Torgyán nominieren würde. Hinter den Kulissen begann der Machtkampf um die Nachfolge in der Partei und mit Spannung wurde der Landesparteitag am 29. April 2000 als Nominierungstag erwartet. Torgyán, der im Lande dafür bekannt ist, dass er eher spaltet als vereint, war deshalb nicht der Wunschkandidat der Mehrheit. Der kleinste Koalitionspartner, das Ungarische Demokratische Forum (MDF), kündigte an, dass die Fraktion einen eventuellen Vorschlag Torgyán nicht mittragen würde. Auch einzelne Parlamentarier der FIDESZ-Fraktion wollten nicht mitstimmen.

Ein Kandidat benötigt im Parlament zu seiner Wahl im ersten und zweiten Wahlgang eine Zweidrittel-Mehrheit, im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit. Aber auch die schien für den Vorschlag Torgyán nicht mehr sicher. Der Koalition drohte eine Zerreißprobe und alle fragten sich, wie Ministerpräsident Orbán das Problem lösen würde. Ungeachtet der zu erwartenden Schwierigkeiten in der Koalition haben die 2000 Delegierten des Landesparteitages der Kleinlandwirte (FKgP) am 29. April 2000 mit einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen ihren Vorsitzenden Dr. József Torgyán zum Kandidaten gekürt. Dieser hat sich für das Vertrauen bedankt und die Frage gestellt: "Ist in unserer Heimat die national-konservative, ökumenisch-christliche Richtung so stark, dass der Parteivorsitzende der FKgP sich aus der Politik zurückziehen kann?" Da für ihn die Antwort "nein" ist, muß aus seiner Sicht alles getan werden, um gemeinsam mit FIDESZ-MPP die "Zukunft des Ungartums" über die Wahlen 2002 hinaus sicher zu stellen.

Nicht ohne Seitenhiebe gegen den kleinsten Koalitionspartner (MDF) und seine Vorsitzende Ibolya Dávid, teilte er dem Landesparteitag mit, dass er gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten einen Kandidatenvorschlag machen würde.

Der Kandidat soll national-konservativ, ökumenisch-christlich verpflichtet sein und sich im Recht gut auskennen. Auf welchen FKgP-Politiker treffen diese Kriterien zu? Das war die Frage der Medien, die unter anderen auch Verteidigungsminister Szabó ins Spiel brachten.

Als dann Viktor Orbán (FIDESZ) und József Torgyán (FKgP) – bemerkenswerterweise ohne Ibolya Dávid (MDF) – vor die Presse traten und ihren Kandidaten, den parteilosen Ferenc Mádl benannten, ging ein Aufatmen durchs Land. Ohne Zweifel ist dieser Kandidat ein Nachweis für die Führungsstärke des Ministerpräsidenten Orbán. Er erfüllt alle von Torgyán genannten Kriterien, aber niemand glaubt, dass er sein Wunschkandidat ist.

Im Jahr 1995 war Mádl auf der Liste der damaligen Opposition der Gegenkandidat von Àrpád Göncz und hatte keine Chance, weil FKgP nicht mit ins Boot kam. Diese Gefahr besteht jetzt nicht, denn das MDF hat die Kandidatur des ehemaligen Ministers der Antall-Regierung sehr begrüßt und damit die Einheit der Koalition wiederhergestellt.

Der Kandidat für das Amt des Staatsoberhaupts wurde am 29.1.1931 in Transdanubien in einer ungarndeutschen Familie geboren (sein älterer Bruder ist der auch international bekannte Germanist Prof. Antal Mádl.). Er schloss seine Jurastudien an der Budapester Eötvös-Universtiät 1955 ab und wurde Gerichtsreferendar. 1961-63 konnte er an der Straßburger Universität weiter studieren. Zwischen 1956-71 wirkte er in der Sektion Rechtswissenschaften der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, zuletzt als Sektionsleiter. Ab 1971 war er Dozent der Eötvös-Universität , ab 1973 Professor, 1985 übernahm er den Lehrstuhl für Internationales Zivilrecht. 1984-90 war er Sekretär der staatlichen Behörde, die über die Zuteilung der wissenschaftlichen Grade entschied.

Er war nie Mitglied einer Partei, doch von Anfang Mitglied der Antall-Regierung. 1990-93 wirkte er als Minister ohne Portefeuille, der sich mit Wirtschaftspolitik und Koordination der Regierungsarbeit befasste. In dieser Eigenschaft hat er am 06. Februar 1992 den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa mitunterschrieben. Ab 1991 war er darüber hinaus Regierungsbeauftragter für die Donaufrage (im Streit mit der Tschechoslowakei um die Kraftwerke). 1990-92 wirkte er weiterhin als Vorstandsvorsitzender der Staatlichen Vermögensagentur und überwachte daneben das Bankwesen. 1993-94 bekleidete er in der Antall-Regierung den Posten des Ministers für Kultur.

Er trug seine eigentlich vorprogrammierte Niederlage als Kandidat des bürgerlichen Lagers bei den Präsidentschaftswahlen 1995 mit Würde, als Àrpád Göncz wiedergewählt wurde.

Dennoch wurde er nicht müde, die konservativen, christlich-bürgerlichen Werte hochzuhalten und blieb politisch engagiert. Ganz im Geiste des verstorbenen, ebenfalls gemäßigten József Antall gründete er 1996 den "Verband der bürgerlichen Zusammenarbeit", vor deren Mitgliedern Orbán schon zweimal seinen Bericht Über die Lage der Nation abgab.

Obwohl Mádl seine Wurzeln im MDF hat (darum wurde er nun von der rechtspopulitstischen MIóP abgelehnt), blieb er im regen Kontakt mit den neuentstandenen Konservativen des FIDESZ.

Es ist zu erwarten, dass die Opposition keinen Gegenkandidaten aufstellt. Am 03. August 2000 läuft die Amtszeit von Àrpád Göncz aus. Nach der Verfassung muß der Nachfolger mindestens 30 Tage vorher gewählt werden. Er wird Ferenc Mádl heißen.


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Frank Spengler

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Sankt Augustin Deutschland