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„Geschichte kann auch Spass machen!“

von Caroline Lasserre

Welfen auf Englands Thron – Die Personalunion

Zur Begrüßung wies der Vertreter der KAS, Reinhard Wessel, auf das übergroße Interesse an dem Vortrag hin, der bereits mehrere Wochen vor Beginn ausgebucht gewesen sei. Über 200 Interessierte folgten im vollbesetzten Vortragssaal im Leineschloss-Restaurant den eloquenten Ausführungen Jürgen Gansäuers über die Personalunion zwischen dem Kurfürstentum Hannover und dem Königreich England.

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„Wenn man die Zusammenhänge der Personalunion verstehen möchte, kann man nicht mit 1714 anfangen“, leitete der ehemalige Landtagspräsident seinen Vortrag ein. Und Gansäuer entspann einen weiten Bogen der historischen Entwicklung Englands von der Römerzeit bis ins 20. Jahrhundert, in dem er die wichtigsten und einschneidenden Ereignisse und Entwicklungen in ihren historischen Kontext einordnete. Dazu gehörte u.a. die Besiedlung bzw. Eroberung Englands durch die Angelsachsen, die Raubzüge der Wikinger im 9. Jahrhundert sowie die Schlacht bei Hastings 1066. Ein der wichtigsten historischen Einschnitte ereignete sich 1215, dem Jahr, in dem die Adligen der Insel König Johann Ohneland (1167-1216) dazu zwangen, die „Magna Charta“ zu unterzeichnen. Sie nutzten die damalige schwierige Lage des Königs aus, um den monarchischen Herrschaftsanspruch des Königs zu beschneiden und wichtige Rechte des Adels abzusichern. Die Charta wurde damit die Basis der freiheitlichen und demokratischen Verfassung Großbritanniens.

Besonders bedeutend für die Entwicklung eines spezifischen englischen (National-)Bewußtseins war die Herrschaft von Königin Elisabeth I. (1533, reg. 1558-1603), in welcher England einen wichtigen Schritt zur Entwicklung einer maritimen und wirtschaftlichen Großmacht tat. Bereits Elisabeths Großvater Heinrich VII. (1457-1509) gelang es durch seine Heirat mit Elisabeth von York, den verheerenden Rosenkrieg zwischen den Häusern Lancaster und York zu beenden und England zu vereinen. Natürlich gehörten dazu auch die erfolgreiche Abwehr der spanischen Invasion 1588 und die Vernichtung der spanischen Armada. In dieser Epoche begann das englische Volk, als Nation zu denken und zu handeln. Zudem war Elisabeth nach ihrem Vater Heinrich VIII. (1491-1547) die erste protestantische Herrscherin, nachdem sie sich gegen ihre katholische Schwester Maria I (1516-1558) durchgesetzt hatte.

Gleichzeitig begann der wirtschaftliche Aufstieg des Inselreichs und der kontinuierliche Auf- und Ausbau eines riesigen Kolonialreichs. Seit Elisabeth I. sind England und Großbritannien immer der Spur des Geldes gefolgt, so Gansäuer. „Es ist für die Briten bis heute schwer zu akzeptieren, dass England keine Weltmacht mehr ist“, schmunzelte der CDU-Politiker. Er sehe darin auch den Hauptgrund für die negative Einstellung der Briten zu Europa. Doch während die Wirtschaft durch Rohstoffimport und Sklavenhandel florierte, wurde England in den Jahrzehnten nach Elisabeths Tod von politischen und religiösen Umbrüchen erschüttert. Sowohl Elisabeths katholischer Neffe Jacob I., der ihr 1603 auf den Thron folgte, als auch dessen Sohn Karl I. (1600-1649) versuchten, den Einfluss von Parlament und Adel zurückzudrängen, jedoch ohne Erfolg. Dafür musste Karl I. mit seinem Kopf büßen. Doch auch sein Nachfolger Karl II. (1630-1685) und erst recht nicht Jacob II. konnten den konfessionellen Gegensatz zwischen Anglikanischer (Staats-)Kirche und Katholizismus nicht nur nicht ausgleichen, sondern versuchten das Land zu rekatholisieren.

„Doch England war damals nicht nur im ökomischen Sektor führend, es hat auch politische Neuerungen eingeführt, die auf dem Kontinent unmöglich schienen und z.T. erst hunderte von Jahren später eingeführt wurden“, lobte Gansäuer die Politik damaligen britischen Parlaments. So wurde Jacob II. nach der „Glorreichen Revolution“ 1688/1689 entmachtet und das Parlament übernahm wieder die unangefochtene Rolle der Exekutive. Am 13.2.1689 folgte die Verabschiedung der sog. Bill of Rights. Dieses Gesetz sicherte dem Parlament seinen Vorrang gegenüber dem König zu und verwandelte England de facto in eine konstitutionelle Monarchie. Auch die Justiz war von nun an vom König unabhängig und Parlamentier genossen Immunität und Redefreiheit.

Als im gleichen Jahr der protestantische Wilhelm III., Stadthalter der Niederlande und seine Frau Maria II., Tochter von Jacob II., den Thron bestiegen, mussten sie die Bestimmungen der Bill of Rights anerkennen. Nach Wilhelms Tod folgte ihm 1702 seine Schwägerin Anne Stuart auf den Thron. Da aber bereits lange vor ihrer Krönung klar gewesen war, dass sie keinen Thronfolger haben würde – ihre fünf Kinder waren früh verstorben – erließ das Parlament bereits 1701 den Act of Settlement. Dieses schrieb fest, dass nach Annes Tod ihre nächste protestantische Verwandte Sophie von der Pfalz die Königskrone erben sollte. Da diese jedoch vor Anne verstarb, trat ihr Sohn Georg Ludwig als Georg I. ihr Erbe 1714 an. Er verband durch diese Personalunion Großbritannien mit dem hannoverschen Kurfürstentum.

Jedoch sei klar gewesen, dass Georg I. einzig aufgrund seiner Zugehörigkeit zur „richtigen“ Konfession zum britischen Thronfolger auserkoren worden war, so Gansäuer. „London war im 18. Jahrhundert mit 600.000 Einwohnern Europas größte Stadt. Hannover war mit seinen 12.000 Einwohnern kleiner als jeder Londoner Bezirk“, verglich der Historiker die Dimensionen. Im Act of Settlement sei aber auch unmissverständliche die Trennung beider Staaten definiert. So sollte Großbritannien im Falle eines Krieges nicht verpflichtet sein, Hannover militärischen oder sonstigen Beistand zu leisten und er verbot sogar die Repräsentanz Hannovers im englischen Ober-und Unterhaus.

George I. war von dieser Form der Personalunion tief enttäuscht. Besonders die Einschränkung seiner Macht durch die Bill of Rights missfiel ihm. Er sprach sich deshalb in seinem Testament, das nach seinem Tod 1727 veröffentlicht wurde, dafür aus, Großbritannien und Hannover wieder zu trennen. Im Falle, dass er zwei Söhne habe, wünsche er, dass der Erstgeborene britischer König und der Zweitgeborene Kurfürst von Hannover werde. Doch da er nur einen Sohn, George II. (reg. 1727-1760), hatte, blieb es bei der Personalunion.

George II. konzentrierte sich –ebenso wie seine direkten Nachfolger – vollkommen auf seine Aufgaben als britischer König. Während seiner Amtszeit besuchte er Hannover gerade einmal zwei Mal. Und auch diese beiden Besuche dienten eher der „Pflege“ seiner Beziehungen zu seiner langjährigen Mätresse Amalie Sophie von Wallmoden. „Trotzdem hat Niedersachsen unter George II. Spuren in London hinterlassen“, bemerkt Gansäuer. Bis heute sei z.B. das niedersächsische Wappen über dem Hauptportal der Westminster Abbey zu sehen.

Unter George III. (1738-1820), der erste Welfen-König, der in England geboren wurde und George IV. (1762-1830) nahm der Einfluss Hannovers auf Großbritannien weiter ab und doch blieb eine Verbindung bestehen. Auf Verlangen seines Vaters heiratete George IV. 1795 seine Cousine Caroline von Braunschweig (1768-1821). Und 1815 stellte das Kurfürstentum Hannover ein Drittel der 68.000 britischen Soldaten, die gegen Napoleon in die Schlacht zogen.

Nach dem Tod von Wilhelm IV., der seinem Bruder George IV. 1830 auf dem Thorn gefolgt war, zerbrach die Personalunion 1837 aufgrund unterschiedlicher Erbfolgeregelungen. Victoria (1819-1901) wurde Königin von Großbritannien, ihr Onkel Ernst August (1771-1851) König von Hannover. Doch ganz sei die familiäre Verbindung zwischen Großbritannien und Deutschland nach dem Ende der Personalunion nicht abgebrochen. Victoria, auch die „Großmutter Europas“ genannt, sei Großmutter des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. gewesen.

Die Nachwirkungen von 123 Jahren Personalunion seien bis heute zu spüren, betonte Gansäuer in seinem Schlussstatement. „Elisabeth II. hat 1965 in ohne Grund Hannover besucht.“ Sie dokumentierte damit die historischen Bindungen beider Länder. Auch betonte der Historiker seien nach dem Zweiten Weltkrieg in Hannover Stimmen laut geworden, Großbritannien möge die Stadt annektieren. „Aber zum Glück waren die Briten viel zu schlau, um das wirklich zu tun“, gab Gansäuer lächelnd zu. Nach Jahren des Krieges und der wirtschaftlichen Rivalität wünsche er sich, dass Briten und Hannoveraner wieder zusammen stolz seien auf ihr gemeinsames historisches Erbe.

Die Zuhörer dankten dem Referenten seine launigen und unterhaltsamen Ausführungen mit einem herzlichen und langanhaltenden Applaus.

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