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1. KLIMASCHUTZZIELE HABEN FÜR DEN PRIVATSEKTOR AN BEDEUTUNG GEWONNEN – EIN MARKTFÖRDERNDER GESETZLICHER RAHMEN SOWIE INITIATIVEN DER ÖFFENTLICHEN HAND UNTERSTÜTZEN DIESE ENTWICKLUNG.
Vom Pariser Klimaabkommen scheint eine positive Wirkung auf die Klimafinanzierung durch den Privatsektor auszugehen. Das Vertrauen der Privatwirtschaft in klimapolitische Zielvorgaben ist gewachsen und damit auch die Bereitschaft, in klimaschutzkompatible Bereiche zu investieren. Unsicherheiten hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung der formulierten Klimaziele bestehen jedoch fort. Gefragt ist daher ein klarer, verlässlicher und marktfördernder gesetzlicher Rahmen. In den verschiedenen G20-Staaten ist ein solcher Rahmen unterschiedlich stark ausgeprägt – in den Industrieländern deutlich stärker als in den meisten Schwellenländern.
Vor diesem Hintergrund etablieren immer mehr G20-Staaten CO2-Preissysteme, vor allem auch mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaften. Die Erkenntnis, dass eine ungenügende Berücksichtigung der mit Waren, Dienstleistungen und Kapitalanlagen verbundenen CO2-Emissionen auf Dauer nachteilig ist – vor allem für den Export wie auch für ausländische Direktinvestitionen –, bewegt Politik und Wirtschaft in vielen Ländern zum Handeln. Sowohl CO2-Steuern als auch Emissionshandelssysteme sind beliebte Instrumente, teilweise auch in Ergänzung oder als Ersatz für ineffizientere und marktwirtschaftlich weniger kompatible gesetzliche Regelungen wie bspw. Einspeisevergütungen. Aus unternehmerischer Sicht geht es neben Kostenfaktoren (z. B. Einsparungen durch mehr Energieeffizienz oder den Einsatz bzw. Betrieb Erneuerbarer-Energien-Anlagen) auch um Imagefragen („grüne” Produkte, unternehmerische Verantwortung etc.) sowie die Entwicklung zukunftssicherer Geschäftsmodelle (Verringerung der eigenen CO2-Intensität als Reaktion auf politische Risiken in Form zu erwartender strengerer Klimaschutzgesetzgebungen).
Abgesehen von ökonomischen Motivationen spielen bei klimarelevanten Finanzierungen in vielen G20-Staaten auch gesundheits- bzw. umweltpolitische Aspekte eine zentrale Rolle, z. B. Luftverschmutzung, weshalb u. a. China den Begriff Green Finance anstelle von Climate Finance bevorzugt. Ebenfalls zum Tragen kommen energie- (Versorgungssicherheit, Energiepreise), industrie- (Technologieentwicklung, wirtschaftliche Modernisierung), struktur- (regionale Entwicklung) oder beschäftigungspolitische („grüne” Jobs) Argumente. Von Klimafinanzierung zu sprechen, ist daher in sehr vielen Fällen nur insofern zutreffend, als von den betreffenden Maßnahmen und Investitionen neben den genannten Effekten zusätzlich eine Klimaschutzwirkung ausgeht.
Es ist zweifellos erforderlich, den internationalen Dialog zu diesen Fragen weiter zu intensivieren. Ziel muss dabei sein, die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmen der einzelnen Staaten so weit wie möglich einander anzunähern, um international agierenden privatwirtschaftlichen Akteuren unter vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen klimaschutzkompatible Investitionen zu erleichtern.
2. DIE AKTIVIERUNG DES FINANZSEKTORS IST VORAUSSETZUNG FÜR DAS ERREICHEN VON KLIMAZIELEN UND FINANZIERUNGSZUSAGEN IM KLIMASCHUTZ – DIE POLITIK MUSS HEMMNISSE BESEITIGEN.
Die Verpflichtungen bzw. Zusagen reicherer Staaten zu einer transparenten und kontinuierlich wachsenden Klimafinanzierung zugunsten ärmerer Länder bilden ein Kernelement des Pariser Klimaabkommens. Um ihre Zusagen einhalten zu können, müssen die Geberländer ihre Klimafinanzierung mit Hilfe des Privatsektors hebeln. Eine positive Tendenz ist hier in der Tat erkennbar. Auch auf den Finanzmärkten ist es während der letzten Jahre zu einer messbaren Entwicklung gekommen, abzulesen an entsprechenden Indizes sowie einer wachsenden Anzahl von Versicherungs- und Investmentgesellschaften, Banken und Fonds, die Nachhaltigkeits- bzw. Klimaaspekte berücksichtigen.
Dabei vollzieht sich diese Entwicklung in den verschiedenen G20-Staaten in unterschiedlichem Tempo. Insbesondere Großbritannien, aber auch die USA, Frankreich, China oder Indien streben in dem noch jungen Segment der Klimafinanzierung nach internationaler Führung. Green Bonds liegen dabei im Trend, bilden allerdings noch einen Nischenmarkt. Dessen Ausweitung wird in vielen G20-Schwellenländern aufgrund der dort allgemein schwach entwickelten Kapitalmärkte erschwert. Weitere generelle Hindernisse für mehr Klimafinanzierung sind – neben der unzureichenden Datenverfügbarkeit und Messbarkeit klimarelevanter Wirkungen – mangelnde Rechtssicherheit sowie teilweise politische und wirtschaftliche Instabilitäten.
Ein grundsätzliches Problem bleibt zweifellos der deutliche Unterschied zwischen dem längerfristigen zeitlichen Horizont des Klimaschutzes und den kurzfristigeren Investitions- und Anlagehorizonten der Real- und Finanzwirtschaft. Auch auf politische Handlungshorizonte trifft dieses Dilemma häufig zu. Einer Annäherung dieser Perspektiven stehen allerdings auch mangelnde Messbarkeit und Transparenz im Wege. Dadurch können Klimaaspekte in vielen Fällen nicht in Finanzierungsentscheidungen einfließen, obwohl ihnen durchaus eine Relevanz aus Sicht der Entscheider zukommen könnte. Die Politik ist deshalb gefordert, zusätzlich zu der notwendigen Internalisierung der emissionsbedingten externen Kosten auch die Entwicklung und Standardisierung von Messmethoden und Berichtslegungen zu unterstützen. Die öffentliche Hand sollte darüber hinaus die Möglichkeit nutzen, Klima- bzw. Nachhaltigkeitsaspekte bei staatlichen Fonds und Anlagen mit zu berücksichtigen. Dies würde wiederum auch Entwicklungen im Privatsektor fördern. Auf absehbare Zeit dürften Investitionsanreize von staatlicher Seite, durch nationale und regionale Entwicklungsbanken wie auch durch Fonds, von zentraler Bedeutung bleiben, insbesondere in vielen Schwellenländern.
Ein wichtiges Hemmnis für mehr Klimafinanzierung stellen in vielen G20-Staaten selbstverständlich auch die Subventionierungen fossiler Energieträger dar. Zwar wurden diese Unterstützungen in einigen Staaten während der letzten Jahre zurückgefahren – erleichtert bzw. getrieben durch den weltweiten Preisverfall dieser Energieträger. Doch sind die Größenordnungen der Subventionen weiterhin immens. Hier kann durch weniger staatliche Einflussnahme (und Ausgaben) ein starker positiver Effekt für Klimafinanzierung entstehen.
3. DIE KLIMAFINANZIERUNG DES PRIVATSEKTORS KONZENTRIERT SICH BISLANG AUF ERNEUERBARE ENERGIEN – ANREIZE FÜR MEHR AUSGEWOGENHEIT SIND NOTWENDIG.
Die Fokussierung der Klimafinanzierung auf Emissionsminderungen im Stromsektor hat in vielen G20-Staaten zu einem Ungleichgewicht zwischen den Investitionen in Erzeugungsanlagen auf der einen und in Netzinfrastrukturen auf der anderen Seite geführt. Dadurch kann sauber erzeugter Strom oft nicht genutzt werden und das Abregeln von Anlagen verursacht zusätzliche Kosten. Von politischer Seite bedarf es daher gesetzlicher Regelungen, die privatwirtschaftliche Investitionen auf eine dem Gesamtsystem dienliche Weise aktivieren, sprich eine möglichst hohe (Kosten-)Effizienz bei der Energienutzung und beim Umbau des Energiesystems ermöglichen. Diese Maxime gilt sowohl unter Kosten- wie auch unter Klimaschutzgesichtspunkten. In diesem Sinne muss die Klimafinanzierung stärker als bisher auch den Gebäude-, Mobilitäts-, Land- und Forstwirtschaftssektor einbeziehen. Auch im Bereich der Energieeffizienz gibt es noch viel Potenzial.
Ein grundsätzlicheres Ungleichgewicht besteht indes darin, dass private Klimafinanzierung den Bereich der Anpassung an die Folgen des Klimawandels bisher kaum umfasst. Dabei wird mit der voranschreitenden Erderwärmung dieser Aspekt des Klimaschutzes immer wichtiger. Ein sinnvoller Ansatz, Investitionen des Privatsektors vermehrt in diesen Bereich zu lenken, sind z. B. Klimarisikoversicherungen für Nothilfen und Wiederaufbau nach Katastrophen infolge zunehmender Wetterextreme. Die als InsuResilience bezeichnete Initiative wurde auf Betreiben der deutschen Bundesregierung im Rahmen ihrer G7-Präsidentschaft 2015 ins Leben gerufen und bindet u. a. die Versicherungswirtschaft und Entwicklungsbanken ein. Gestützt durch öffentliche Mittel können auf diesem Wege neue Versicherungsmärkte entstehen, die sich wiederum förderlich auf Anpassungsmaßnahmen und die Risikovorsorge auswirken. Instrumente dieser Art sollten von politischer Seite noch sehr viel stärker ins Auge gefasst werden, um auf Klimawandelfolgen zu reagieren. Zumindest indirekt geht es hierbei auch um die Bekämpfung von Fluchtursachen.
ÜBER DEN AUTOR
Jasper Eitze ist Koordinator für Energie-, Klima- und Umweltpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung.