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Länderberichte

Der Friedensprozess im Nahen Osten geht nicht voran

Bisher gibt es keine substantiellen Fortschritte in den Verhandlungen. Der anhaltende Raketenbeschuss aus Gaza auf israelische Städte und der eskalierende militärische Konflikt haben die Gespräche zusätzlich belastet und stellen eine Einigung noch in diesem Jahr weiter in Frage.

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Erstmals wurden nicht nur in immer kürzer werdenden Abständen Qassamraketen von Terroristen aus dem Gazastreifen auf direkt angrenzende israelische Städte wie Sderot abgefeuert und richten dort zunehmend Schaden mit bisher 11 Toten an. Nun ist auch die große Hafenstadt Ashkelon (ca. 110 000 Einwohner) in die Reichweite von in den Gazastreifen geschmuggelten Katjusha-Raketen gekommen. Seit dem gewaltsamen Durchbruch der Grenze Gaza-Ägypten gelangen noch mehr Waffen in die Hände der Hamas. Trotz der militärischen Intervention der Israelischen Armee hat der Raketenbeschuss nicht aufgehört. Diese aktuellen Entwicklungen stellen den politischen Verhandlungsprozess weiter in Frage.

Nach dem Beginn der israelischen Militäraktion im Gazastreifen zur Bekämpfung des anhaltenden Qassam-Beschusses hat zudem Palästinenserpräsident Abbas die Gespräche ausgesetzt. Condoleezza Rice übte bei ihrem Besuch in diesen Tagen auf beide Seiten Druck aus, die Gespräche möglichst schnell wieder aufzunehmen.

Gleichzeitig hat Abbas Vermittlungen zwischen Israel und der Hamas angeboten. Israelische Kommentatoren weisen allerdings darauf hin, dass Abbas in der Westbank selbst unter dem zunehmenden Druck der Hamas stehe und gegenüber dem Gazastreifen ohnehin nicht handlungsfähig sei.

Zwar wird offiziell noch an dem Zeitrahmen für eine Vereinbarung bis Ende 2008 festgehalten. Condoleezza Rice hat dies bei ihrem Besuch in der Region in diesen Tagen noch einmal bekräftigt. Die Gründung eines Palästinenserstaates in dieser Zeit wird ohnehin in der Region nicht als realistisch eingeschätzt. Aber selbst die Chance auf ein Abkommen, welches später umgesetzt werden soll, wird in der Öffentlichkeit stark bezweifelt. Israelische Kritiker Olmerts sehen in einem „shelf-agreement“ nicht den End-, sondern neuen Ausgangspunkt für zukünftige Verhandlungen. D.h. selbst wenn die israelischen Verhandlungsführer jetzt weitgehende Zugeständnisse für ein Abkommen machen würden, könnten in Zukunft weitere palästinensische Forderungen gestellt werden, wenn dieses Abkommen dann jemals umgesetzt werden sollte. Bei den Verhandlungsführern Olmert und Abbas ist mit einem konkreten Abkommen die Hoffnung verbunden, dass die derzeit fehlende politische Unterstützung durch die Mehrheit der israelischen und palästinensischen Bevölkerung für Kompromisse in den Kernfragen dann durch ein Referendum oder eine Wahl erreichbar wäre.

Die kürzliche Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hat hier zwar auch Diskussionen ausgelöst – nicht zuletzt weil Yasser Abed Rabbo, der Generalsekretär der PLO die einseitige Ausrufung eines Palästinenserstaates wieder ins Spiel brachte. In einem ausführlichen Interview mit der israelischen Tageszeitung HAARETZ hat er diese Idee noch einmal konkretisiert. Seine Hoffnung ist, dass die internationale Gemeinschaft einen palästinensischen Staat schnell anerkennen würde und die palästinensische Position in den Verhandlungen damit gestärkt würde.

Allerdings wird das Kosovo weder von der israelischen noch von der palästinensischen Öffentlichkeit und (bis auf Abed Rabbo) auch nicht von Politikern ernsthaft als Modellfall für die Palästinenser gesehen. Offiziell wird eine Verhandlungslösung angestrebt.

Unter Palästinensern wird nun immer offener darüber diskutiert, einen gemeinsamen Staat zwischen Jordan und Mittelmeer anzustreben. Dies würde dann das Ende des israelischen Staates als jüdischen Staat bedeuten, den die Mehrheit der Palästinenser bislang so nicht anerkennt. Auf israelischer Seite nimmt die Sorge zu, dass nun wieder die Legitimität und die Gründung eines Staates für die Juden vor 60 Jahren in Frage gestellt werden.

Generell gibt es kaum ernsthafte Alternativmodelle für den Fall, dass die bislang angestrebte Zwei-Staaten-Lösung nicht umsetzbar ist.

Jedoch nehmen die Diskussionen darüber in letzter Zeit zu: Minister Rafi Eitan, der auch Mitglied im Sicherheitskabinett ist, sieht die Notwendigkeit eines stärkeren Engagements Ägyptens und Jordaniens, insbesondere, was die Versorgung betrifft, aber auch in Sicherheitsfragen. (Erst in den letzten Tagen wurde Jericho ans Stromnetz von Jordanien angeschlossen - zuvor seit 1967 israelisches Stromnetz.)

Mit einem stärkeren Engagement Jordaniens in der Westbank sehen israelische Gesprächspartner einerseits die Notwendigkeit einer stärkeren Bindung des Gazastreifens an Ägypten, für andere wäre dann unter jordanischer Aufsicht auch eine „safe passage“ zwischen Westbank und Gaza denkbar. Gleichzeitig wird stärker das Engagement internationaler Truppen – unter Beteiligung vor allem von arabischen Staaten – für den Gazastreifen, aber auch in der Westbank diskutiert. Dies ist allerdings nur mit dem Einverständnis der Konfliktparteien denkbar und deshalb im Moment kaum realistisch.

Innenpolitisch hat sich die Regierung nach der Veröffentlichung des Berichts der Winograd-Kommission vorläufig stabilisiert. Preis dafür waren u. a. hohe Zugeständnisse an den Koalitionspartner Shas. Shas hält indes weiterhin daran fest, aus der Koalition auszusteigen, falls in den israelisch-palästinensischen Gesprächen über Jerusalem verhandelt werden sollte.

Olmert und die Kadima-Partei gewinnen in aktuellen Umfragen derzeit zwar leicht an Zustimmung (derzeit 14%), der Likud liegt aber nach wie vor mit Abstand klar in Führung (27%), vor der Arbeitspartei (19%). Wahlen – die dann der Likud wohl gewinnen würde – sind zwar im Moment nicht wahrscheinlich, aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Weder die Koalitionsparteien Shas und Arbeitspartei haben Interesse an einer Auflösung der Knesset, noch Kritiker Olmerts in der Kadima-Partei. Derzeit wäre davon auszugehen, dass ca. die Hälfte der Abgeordneten der Kadima-Partei ihr Mandat verlieren würde.

Insgesamt dürften wohl in der nächsten Zeit kaum große Durchbrüche in den Verhandlungen mit den Palästinensern erwartet werden. Dies hängt nicht zuletzt mit der ungelösten Situation im Gazastreifen zusammen: auch da sind Fortschritte kaum zu erwarten – zu stark ist dieser Konflikt auch an regionale Entwicklungen gebunden.

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