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Italien auf der Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt

von Caroline Kanter, Silke Schmitt

Giorgio Napolitano wird sein Amt niederlegen

Der 89jährige italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat in seiner Neujahrsrede angekündigt, sein Amt in Kürze niederzulegen. Sein Rücktritt wird nach der Rede des Ministerpräsidenten Matteo Renzi am 13. Januar vor dem Europäischen Parlament in Straßburg erwartet. Knapp neun Jahre hatte er das formal höchste Amt der italienischen Republik inne. Im April 2013 hatte er sich nach der erfolglosen Wahl eines neuen Kandidaten zu einer weiteren Amtszeit überreden lassen. Nun muss Matteo Renzi einen geeigneten Kandidaten finden, um sich selbst als Regierungschef zu behaupten.

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Staatspräsident Giorgio Napolitano, der im Juni 90 Jahre alt wird, hatte schon vor mehreren Monaten angekündigt, dass er diesen Freudentag gerne als Privatperson feiern würde. Er ist der erste italienische Staatspräsident, der eine zweite Amtsperiode wahrgenommen hat. Schon in seiner Antrittsrede im April 2013 machte er deutlich, dass er die nächsten sieben Jahren keinesfalls zum Ende bringen werde, sondern zurücktrete sobald es die politische Situation im Land erlaube.

Kompetenzen des Staatspräsidenten

Neben den repräsentativen Aufgaben, räumt die italienische Verfassung dem Staatspräsident die Möglichkeit ein, in das politische Geschehen einzugreifen. So kann er ein Gesetzgebungsverfahren durch ein „suspensives Veto“ blockieren und so seine Missbilligung zum Ausdruck bringen. Er ernennt nicht nur ausgewählte Staatsbeamte sondern auch den Regierungschef und auf dessen Vorschlag die Minister. Die beiden Parlamentskammern kann er bei fehlender Legitimation auflösen und er kann Neuwahlen ausrufen.

Giorgio Napolitano hat die ihm von der Verfassung eingeräumten Möglichkeiten genutzt, um das Land zu leiten und Stabilität zu schaffen. 2011 legte er dem damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi den Rücktritt nahe und beauftragte den damals unabhängigen Mario Monti mit der Bildung einer „technischen Regierung“.

Als es PD-Spitzenkandidat Pierluigi Bersani nach den Wahlen im Februar 2013 nicht gelang eine Regierung zu bilden, beauftragte er nach Bersanis Rücktritt Enrico Letta mit dieser Aufgabe. Nach dem innerparteilichen Sturz Lettas, ernannte er Matteo Renzi, der nun seit 10 Monaten im Amt ist – beide Regierungschefs waren nicht durch Wahlen bestätigt worden.

Gerade die zweite Amtszeit von Giorgio Napolitano zeigte, dass der italienische Staatspräsident vor allem in Krisenzeiten wichtige Funktionen wahrnimmt und großen Einfluss hat. So hat er bei der Wahl des Nachfolgers von Federica Mogherini in das Amt des italienischen Außenministers eine entscheidende Rolle gespielt: Matteo Renzi habe seine vier Wunschkandidatinnen nicht durchsetzen können. Napolitano habe eine erfahrene Persönlichkeit verlangt, die mit den derzeitigen Problemen wie der Russland-Ukraine-Krise umgehen könne, auf der internationalen Bühne sicher auftreten könne. Die Wahl fiel letztlich auf Paolo Gentiloni, der seit 2001 als Abgeordneter tätig ist und von 2006 bis 2008 in der Regierung von Romano Prodi als Minister für Kommunikation zuständig war. Glaubt man den Medien, so war Gentiloni das Ergebnis langwieriger Diskussionen und unzähliger Telefonate zwischen Matteo Renzi und Giorgio Napolitano – wobei letzterer seine Forderungen offensichtlich realisieren konnte.

Wahl des Staatspräsidenten

Beide Parlamentskammern wählen in gemeinsamer Sitzung und geheimer Abstimmung den Staatspräsidenten für eine Amtsperiode von sieben Jahren. An der Wahl nehmen außerdem für jede der 20 Region drei vom Regionalrat gewählte Vertreter teil. Mit dem Einreichen des Rücktritts des Staatspräsidenten müssen die 1008 Wahlberechtigten innerhalb von zwei Wochen zusammentreten, um einen Nachfolger zu finden. Um die Wahl zu gewinnen, muss der Kandidat zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinen. Wenn in den ersten drei Wahlgängen diese Mehrheit ausbleibt, genügt ab dem vierten Wahlgang eine absolute Mehrheit mit 505 Stimmen. Das Wahlverfahren macht deutlich, dass der Staatspräsident „von der Verfassung als möglichst breit legitimierte und über den Parteien stehende Institution gedacht ist, die die Einheit der Nation repräsentieren soll“. Prinzipiell ist jeder Bürger wählbar, der das 50. Lebensjahr vollendet hat.

Suche nach einem starken Nachfolger

Die Regierungspartei „Partito Democratico“ (PD) und die Koalitionsparteien „Nuovo Centro Destra“ (NCD), „Unione di Centro (UDC), „Scelta Civica“ (SC), Popolari per l’Italia (PPL) und weitere kleine Parteien kommen gemeinsam auf dem Papier mit 547 Stimmen nur auf eine einfache Mehrheit. Da Renzi seit Monaten mit dem linken Flügel seiner Partei zu kämpfen hat, kann er nicht unbedingt mit deren Zustimmung rechnen. Es sei denn, er findet einen Kandidaten, der ihren Vorstellungen entspricht. Hier könnte es wiederum zu Konflikten mit den Koalitionspartnern kommen.

Um in den ersten drei Wahlgängen einen Kandidaten durchzuboxen, braucht der Regierungschef Matteo Renzi auf jeden Fall die Zustimmung der Opposition. Gelänge ihm dies, wäre es ein deutliches Zeichen der Stärke und des Zusammenhalts der Renzi-Regierung. In der TV-Talkshow „Otto e Mezzo“ kündigte Matteo Renzi am vergangenen Freitag an, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall sein werde. Er schätze, dass man erst im vierten Wahlgang einen neuen Staatspräsidenten wähle.

Im Rahmen einer Pressekonferenz am Jahresende sagte Matteo Renzi, man wolle ein Debakel wie bei der Wahl im Frühjahr 2013 vermeiden. Damals hatte der linke Flügel der PD unter der Führung von Pierluigi Bersani versucht, den ehemaligen Ministerpräsidenten Romano Prodi durchzubringen. Im vierten Wahlgang scheiterte dieser an der einfachen Mehrheit, da selbst die Wahlberechtigten der PD nicht auf Parteilinie wählten und die Unterstützung der „Fünf-Sterne-Bewegung“ (M5S) unter Beppe Grillo ausblieb. Italien erlebte damals eine politische Blockade, die das Land wochenlang lähmte: Bei der Parlamentswahl Ende Februar 2013 hatte Bersanis Bündnis zwar die Mehrheit im Abgeordnetenhaus, nicht aber im Senat für sich vereinen können. Eine Regierungsbildung war unmöglich. Da Giorgio Napolitano die letzten sechs Monate seiner Amtszeit angetreten hatte, konnte er keine Neuwahlen veranlassen – dazu brauchte es einen Nachfolger. Da dieser Aufgrund der politischen Situation unwählbar schien, trat man nach dem Rücktritt Bersanis an Giorgio Napolitano mit dem Wunsch heran, dass er einer zweiten Amtszeit zustimmte. Diese gewann er mit 738 Stimmen.

Renzis Wunschkandidat

Renzi nannte bislang öffentlich keine Namen möglicher Kandidaten. Die Suche nach einem geeigneten Kandidaten und nach den zur Wahl notwendigen Mehrheiten findet hinter verschlossenen Türen statt. Die Medien berichten, Renzi sei mit dem wegen Steuerhinterziehung verurteilten Präsidenten der Mitte-Rechts-Partei Silvio Berlusconi (FI) im Gespräch, um die Mitte-Rechts Opposition mit ins Boot zu holen und sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Berlusconi darf seit August 2013 aufgrund seiner Verurteilung kein öffentliches Amt bekleiden. Der italienische Staatspräsident könnte ihn theoretisch begnadigen. Dies hatte Napolitano jedoch stets abgelehnt. Daher wäre es in Berlusconis Interesse, ein ihm wohlgesinntes Staatsoberhaupt für das oberste Staatsamt zu wählen. Der ehemalige Regierungschef Berlusconi machte deutlich, dass er dieses Mitspracherecht mit einer erhöhten Kooperationsbereitschaft für die Reformen der Regierung entlohnen würde. Dies ist wiederum im Interesse Matteo Renzis, der die Grabenkämpfe in der eigenen Partei langsam leid ist. Er will und muss seine Reformversprechen unbedingt einhalten um glaubwürdig zu bleiben.

Die Fünf-Sterne-Bewegung scheint Matteo Renzi zum jetzigen Zeitpunkt nicht in die Verhandlungen um einen möglichen Staatspräsidenten einzubeziehen. Selbst Regierungspartner Angelino Alfano (NCD) soll nach Angaben der Medien angemahnt haben, die Wahl des nächsten Staatspräsidenten dürfe keine „exklusive Frage zwischen Renzi und Berlusconi“ werden. Offensichtlich scheint sich Renzi jedoch auf diesen möglichen Weg zu konzentrieren. Immerhin käme er – stets auf dem Papier – auf 589 mögliche Stimmen wenn seine eigene Partei und die Forza Italia geschlossen für einen Kandidaten stimmen würden.

Mögliche Namen

Neben den ehemaligen Regierungschefs Giuliano Amato, Massimo D’Alema und Romano Prodi sind Namen wie die des jetzigen Finanzministers Pier Carlo Padoan im Spiel. Auch den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, könnten sich viele Medien als Staatspräsidenten vorstellen. Dieser hat jedoch deutlich gemacht, dass das Amt für ihn derzeit nicht in Frage käme. Manche würden den Gouverneur der „Banca d’Italia“, Raffaelle Cantone gerne an der Spitze des Landes sehen. Er hatte sich in seiner Laufbahn gegen Korruption eingesetzt. Andere wünschen sich hingegen eine weibliche Besetzung des wichtigen Amtes der italienischen Republik und bringen Personen wie die ehemalige Außenministerin Emma Bonino, die ehemalige Justizministerin Paola Severini, die jetzige Verteidigungsministerin Roberta Pinotti oder aber die derzeitige Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, ins Spiel. Auch der ehemalige Parteichef der PD, Pierluigi Bersani ist neuerdings im Spiel, da er sowohl für Berlusconi als auch für den linken Parteiflügel der PD akzeptabel wäre.

Wer am Ende der nächste italienische Staatspräsident wird ist heute offen. Wohlmöglich wird es einen lachenden Dritten geben, dessen Namen bislang im öffentlichen Diskurs noch nicht genannt wurde. Nicht nur die letzte Wahl des Staatspräsidenten zeigte, dass die italienische Politik immer wieder für eine Überraschung gut ist.

Napolitano als Garant

Bei seiner Antrittsrede im Mai 2006 setzte sich Giorgio Napolitano als neuer Staatspräsident das Ziel, auf das Vertrauen der Italiener zählen zu können – egal welcher politischen Richtung sie angehörten. Er wusste, dass er sich dieses Vertrauen erarbeiten musste, war er doch, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Carlo Azeglio Ciampi, ausschließlich von der linken Mehrheit gewählt worden. Außerdem herrschte ein politisches Klima, gekennzeichnet durch starke Spannungen und nicht durch Konsens. Dies gelang ihm auch: Knapp drei Jahre nach Amtsantritt bescheinigte das Meinungsforschungsinstitut demos & Pi dem aus dem süditalienischen Neapel stammenden Staatspräsidenten, dass die Italiener - auch die Norditaliener – ihn offensichtlich ins Herz geschlossen hätten: 73,3 Prozent der Italiener gaben an, dem Staatspräsidenten sehr viel bis viel Vertrauen zu schenken.

Dies hat sich im Laufe seiner Amtszeit kaum geändert. Gerade in politischen Krisenzeiten genoss er meist als einziger das Vertrauen der Italiener. Er galt als Garant – auch wenn die politische Stabilität ins Wanken kam. Allerdings zeigen die neuesten Zahlen, dass auch der Staatspräsident von der allgemeinen Unmutsstimmung der Italiener langsam erfasst wird. Im Dezember 2014 gaben 44% der Italiener an, dass sie dem Staatspräsidenten ihr Vertrauen schenken – fünf Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. 2010 waren es noch 71%.

Herausforderungen für Renzi

Wie Matteo Renzi selbst in der Talkshow „Otto e mezzo“ des Senders La7 bestätigte: Eine Wahl des Staatspräsidenten in den ersten drei Wahlgängen wird es aufgrund der jetzi-gen Stimmenverhältnisse kaum geben. Matteo Renzi wird verhindern müssen, dass sein Wunschkandidat in den ersten drei Wahlgängen „verbrannt“ wird. Ein Zusammenschluss mit Berlusconi scheint offensichtlich – er ist auch für das Durchbringen wichtiger Reformvorhaben von Bedeutung, die vom linken Flügel der Regierungspartei nicht getragen werden. Die italienische Bevölkerung wünscht sich einen Kandidaten, der nicht nur von Renzi, sondern auch von den anderen politischen Kräften im Land getragen wird. Alle Politiker stehen nun in der Verantwortung eine starke Persönlichkeit zum nächsten Präsidenten zu wählen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Vertrauen und das Ansehen in die politische Klasse noch weiter sinkt.

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