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Kabinett 4.0

von Stefan Samse, Hannes Bublitz, Akim Enomoto

Premierminister Shinzo Abe stellt die Weichen für die Zukunft der Liberaldemo-kratischen Partei

Am 10. Juli 2016 fuhr Abes Liberaldemokratische Partei (LDP) bei den Oberhauswahlen einen beeindruckenden Sieg ein. Wie für die LDP-Führung nach wichtigen Wahlen üblich, folgte nur wenige Wochen darauf eine Kabinettsumbildung. Dies ist das vierte Mal seit 2012, dass Shinzo Abe seine Regierung umbildet. Einerseits wurden treue Verbündete in ihren Ämtern bestätigt und damit der Kurs der „Abenomics“ gestärkt; andererseits wurden Ministerposten durch aufstrebende Protegés Shinzo Abes neu besetzt, um den Weg der LDP in die Zukunft zu ebnen.

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Der Ausgang der Oberhauswahlen kam für die meisten Japaner wenig überraschend: Die LDP konnte 56 Sitze gewinnen, ihre kleine Schwesterpartei Komeito, mit der die LDP die aktuelle Regierung stellt, gewann 14 Sitze im Oberhaus. Das neue Kräfteverhältnis zwischen Regierungs- und Oppositionsblock im japanischen Oberhaus ist nun 145 zu 97. Nur wenige Monate vor dem Urnengang wurde erstmalig in der japanischen Geschichte das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre heruntergesetzt. 40% der 18 bis 20 jährigen Erstwähler stimmten für die LDP.

Durch den Wahlausgang sieht sich die Regierung in ihrer Wirtschaftspolitik bestätigt. Bereits am Dienstag wurde ein 28,1 Billionen Yen schweres Konjunkturpaket verabschiedet. Um zusätzliche wirtschaftliche Impulse zu schaffen, stellte Premier Abe am 3. August ein neues Kabinett vor.

„Newcomers“ und „Oldtimers“

Im derzeitigen japanischen Kabinett gibt es 19 Ministerämter. Acht Kabinettsmitglieder sind zum ersten Mal in dieses Amt berufen worden, acht Minister behielten ihre Posten und drei weitere waren in der Vergangenheit bereits einmal Minister.

Finanz- und Vizepremierminister Taro Aso behielt seine Ämter, die er bereits seit 2012 bekleidet. Auch die ultrakonservative enge Vertraute Abes Sanae Takaichi bleibt Ministerin für Innere Angelegenheiten und Kommunikation. Abe vertraute ihr in der Vergangenheit die Leitung des Policy Affairs Research Council (PARC) der LDP an. Das PARC ist das Hauptorgan der Politik- und Strategieplanung der Liberaldemokraten. Bekannt ist Takaichi für ihre Nähe zur „Nippon Kaigi“, einer überparteilichen und revisionistisch geprägten Lobbygruppe.

Unter den acht erstmaligen Ministern, die Abe in sein viertes Kabinett berief, befindet sich auch Kozo Yamamoto. Er gehörte 2012 zu einer Gruppe enger Gefolgsleute des Premierministers, die Abe in ihren damaligen Abgeordnetenpositionen bei der später als „Abenomics“ bekannt gewordenen Wirtschaftspolitik unterstützt hatten.

Als durchaus wagemutig kann jedoch die Ernennung von Tomomi Inada zur Verteidigungsministerin bezeichnet werden. Auch Inada war in der Vergangenheit Leiterin des PARC und gilt als Zögling und potentielle Nachfolgerin Abes für den Posten des Parteivorsitzenden und Premierministers. Außen- und sicherheitspolitisch liegt sie mit Abe auf einer Linie. Bereits kurz nach Bekanntwerden ihrer Ernennung äußerten China und Südkorea ihren Unmut gegenüber dieser Entscheidung. Gründe hierfür sind Inadas nationalistisch geprägte politische Einstellung und ihre regelmäßigen Besuche des „Yasukuni-Schreins“, der japanische Kriegsgefallene, darunter auch Kriegsverbrecher ehrt. Ferner sorgte Inada im August 2012 für einen politischen Eklat, als sie beabsichtigte, die von Japan und Korea beanspruchte, aber von Korea verwaltete Insel „Takeshima“ (Koreanisch: „Dokdo“) zu besuchen. Südkorea verhinderte die Einreise, was seinerzeit für erhebliche diplomatische Spannungen zwischen Korea und Japan sorgte.

Rivalitäten in der LDP-Führung

Betrachtet man die Besetzung der Kabinettsposten unter machtpolitischen Gesichtspunkten, fallen die Personalien Fumio Kishida, derzeit Außenminister, und Shigeru Ishiba, ehemals Minister für Regionalförderung, auf. Bereits 2012 wurde Fumio Kishida, der als Faktionsführer einen direkten Rivalen Shinzo Abes um die Spitzenposition in der LDP darstellt, als Außenminister „kaltgestellt“. Da der Premierminister für gewöhnlich die außenpolitischen Zügel Japans fest im Griff hält, bleibt für Kishida nur wenig eigener Handlungsspielraum. Ähnlich erging es Shigeru Ishiba. Ishiba ist ebenfalls Anführer einer eigenen innerparteilichen Faktion. Als solcher strebt er danach, sich als Alternative zu Abe innerhalb der LDP zu positionieren. Dadurch, dass er im vorigen Kabinett als Minister in die Lenkung der Regierungsgeschicke eingebunden war, konnte er politisch nicht gegen seinen Premierminister vorgehen. Vor diesem Hintergrund lehnte er die ihm von Shinzo Abe nahegelegten Ministerposten im neuen Kabinett ab und distanzierte sich damit erfolgreich von der Regierung. Jetzt ist es ihm möglich, die Politik Abes direkt zu kritisieren und sich als innerparteilicher Rivale zu positionieren.

Laut LDP-Statuten ist es dem Vorsitzenden der Partei untersagt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Abes zweite Amtszeit als LDP-Vorsitzender läuft im September 2018 aus. Da die LDP eine Mehrheit im Ober- und Unterhaus hat, kann davon ausgegangen werden, dass der neue Vorsitzende der LDP 2018 gleichzeitig auch vom Parlament zum Premierminister gewählt wird. Deshalb hat Shinzo Abe seine Zöglinge, wie zum Beispiel Tomomi Inada und Sanae Takaichi durch Schlüsselämter im Kabinett in Position gebracht. Vor diesem Hintergrund kann auch Ishibas Handeln verstanden werden, der offensichtlich Ambitionen hegt, den LDP-Vorsitz zu bekleiden.

Nicht nur im Kabinett, sondern auch in der LDP veranlasste Abe einige Positionswechsel. Neuer Generalsekretär der LDP, immerhin die Nummer 2 hinter Abe in der Partei, wurde Toshihiro Nikai. Interessanterweise sprach sich dieser vor einigen Wochen dafür aus, die LDP-Statuten bezüglich einer dritten Amtszeit für den Vorsitzenden zu überdenken. Nikai ist starker Befürworter der Abenomics.

Fazit

Die Kabinettsumbildung gibt einen guten Einblick in die Machtdynamiken innerhalb der LDP. Mit jeder bisherigen Kabinettsumbildung gelang es Premierminister Shinzo Abe, treue Gefolgsleute und Protegés strategisch zu platzieren. Gleichzeitig konnte er unangenehme innerparteiliche Rivalen durch die Ernennung auf Ministerposten „kaltstellen“. Infolgedessen verlieren die traditionell einflussreichen Faktionen in der Partei zunehmend an Bedeutung. Shinzo Abe scheint auf dem Weg zu sein, die Machtverhältnisse in der LDP-Spitze zu zentrieren und innerparteiliche Oppositionen aufzulösen.

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20. Mai 2016
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