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Kommunalwahlen in Italien

von Caroline Kanter, Silke Schmitt
In rund 1000 Gemeinden vom Norden bis in den Süden Italiens haben am Sonntag (11. Juni 2017) Kommunalwahlen stattgefunden. Rund 9 Millionen Italiener waren zur Wahl aufgerufen, unter anderem in den vier Hauptstädten der 20 italienischen Regionen - Catanzaro, Genua, Acquila und Palermo – sowie in bekannten Kleinstädten wie Verona, Lucca, Padua oder Parma. In den Großstädten Rom, Mailand, Turin oder Neapel fanden in diesem Jahr keine Kommunalwahlen statt.

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Die „Fünf-Sterne-Bewegung“ (M5S) von Beppe Grillo konnte sich in keiner großen Stadt durchsetzen und das Mitte-Rechts-Lager und die Regierungspartei (PD) gehen gestärkt aus der Wahl hervor. Trotz dieser Entwicklungen auf lokaler Ebene können diese Wahlen aber nicht als „nationaler Testlauf“ gewertet werden. Mit Rückschlüssen auf die nationale Politik und die Stärke der italienischen Parteien insgesamt sollte man deshalb vorsichtig sein.

Trotz des schönen Sommerwetters lag die Wahlbeteiligung bei 60,07 Prozent. Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Wahlen ist sie damit jedoch um knapp 7 Prozent gesunken. Die Stichwahl wird am 25. Juni 2017 stattfinden und betrifft Städte mit mehr als 15.000 Einwohnern, in denen kein Kandidat die absolute Mehrheit von über 50 Prozent erreicht hat. Sizilien ist eine Ausnahme – hier reichen über 40 Prozent, um ohne Stichwahl den Wahlsieg zu erringen.

In Palermo (Sizilien) konnte sich der bisherige Bürgermeister Leoluca Orlando direkt im ersten Wahlgang mit rund 45 Prozent (genaues Ergebnis steht laut Innenministerium noch nicht fest) der Stimmen nochmals durchsetzen können. Er wird zum fünften Mal mit Unterbrechungen Bürgermeister der sizilianischen Hauptstadt. Das erste Mal regierte er 1985 mit 38 Jahren. Gestern hat der mittlerweile Siebzigjährige seine Rivalen mit Abstand hinter sich gelassen. Der ehemalige Anhänger der Democrazia Cristiana hatte auf ein breites Bündnis im Mitte-Links-Lager gesetzt, dem auch die Regierungspartei PD und die italienischen Christdemokraten um Pierferdinando Casini angehörten. Er ging als Einzelperson ins Rennen und lehnte eine Bindung an eine Partei ab.

Überraschend herbe Niederlage für Beppe Grillo

Die „Fünf-Sterne-Bewegung“ (M5S) schaffte es in keiner der großen Städte in die Stichwahl. In den Regionalhauptstädten und den Provinzhauptstädten entscheidet sich die Wahl hauptsächlich zwischen dem Mitte-Rechts und dem Mitte-Links-Lager. M5S schaut zu.

Beppe Grillos Partei hat auch in seiner Heimatstadt Genua nicht überzeugen können: Hier wird der Kandidat des Mitte-Rechts-Lagers, Marco Bucci, der 36,34 Prozent der Stimmen in der traditionell eher links wählenden Stadt auf sich vereinen konnte und im Wahlbündnis mit den Rechts-Parteien Lega Nord und Fratelli D’Italia angetreten ist, gegen den Kandidaten des Mitte-Links-Lagers, Giovanni Crivelli (32,02 Prozent) antreten. Der Kandidat von M5S, Luca Pirondini, konnte 17,47 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.

In Parma, wo die „Fünf-Sterne-Bewegung“ (M5S) 2012 ihren ersten politischen Erfolg feierte, als sie mit Federico Pizzarotti überraschend das Rathaus eroberte, musste sie nun ebenfalls eine Niederlage einstecken: Pizzarotti wurde vor gut fünf Wochen von der „Fünf-Sterne-Bewegung“ ausgeschlossen. Im Herbst 2016 beschrieb er bereits die im „Movimento“ herrschende Stimmung als „Klima der Angst“. Ihm wird von der „Fünf-Sterne-Bewegung“ vorgeworfen, gegen das Transparenzgebot verstoßen zu haben, da gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs läuft, das er der Öffentlichkeit vorenthalten hat. Bei der Berufung der Direktorin des Stadttheaters, habe er seine Favoritin nominiert – und damit von seinem Recht als Bürgermeister Gebrauch gemacht hat, was jedoch im Gegensatz zu den Grundsätzen der Bewegung steht. Er kämpfte nach dem Ausschluss mit einer eigenen freien Bürgerliste weiter und zieht nun mit „Effetto Parma“ mit 31,43 Prozent der Wählerstimmen in die Stichwahl. Er tritt gegen Paolo Scarpa aus dem Mitte-Links-Lager (Regierungspartei PD gemeinsam mit Lista Civica Parma Protagonista und Lista Civica Parma Unita) an (29,80 Prozent). Sein Gegner, Daniele Ghiraduzzi, der für die Fünf-Sterne ins Rennen gegangen ist, konnte nur 3,18 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen.

Mitte-Rechts-Lager erleichtert

Maurizio Gasparri, Vorsitzender von Forza Italia im Senat, bewertete die Bündnisbildung auf kommunaler Ebene zwischen Forza Italia und der Rechts-Partei Lega Nord als Testlauf für nationale Wahlen. Man habe sich auf die „klassische Allianz“ verlassen und in Genua damit Erfolg gehabt. Diese präsentierte er als mögliche Strategie auch auf nationaler Ebene, um das Mitte-Rechts-Lager wiederzubeleben. In Catanzaro geht Mitte-Rechts mit zehn Prozentpunkten Vorsprung in die Stichwahl. Im Latium, in Frosinone hat der Mitte-Rechts-Kandidat Nicola Ottaviani mit mehr als 50 Prozent bereits gewonnen. In Rieti erreichte der Kandidat des Mitte-Rechts-Lagers 48 Prozent.

Dass Bündnisse von fundamentaler Bedeutung sind für einen möglichen Sieg, zeichnete sich auch im Mitte-Links-Lager ab. Die These des ehemaligen Bürgermeisters von Turin lautet, dass sich die Regierungspartei Partito Democratico (PD) dort durchsetzen konnte, wo sie sich mit anderen Formierungen aus dem Mitte-Links-Lager zusammengeschlossen hat. Alleine hingegen, zeigte sie keine Schlagkraft. In Catanzaro zum Beispiel war die PD in ei-nem Bündnis mit zehn weiteren politischen Formierungen. Gemeinsam erreichte man 44,29 Prozent der Stimmen. Die PD alleine trug jedoch nur 5,05 Prozent zum Erfolg bei.

Diese Beobachtung ist hinsichtlich der Tatsache interessant, dass die „Fünf-Sterne-Bewegung“ in allen Gemeinden und Städten alleine, ohne Bündnispartner angetreten ist.

Erste Erkenntnisse

Die Kommunalwahlen zeigen, dass es gegenüber der „Fünf-Sterne-Bewegung“ und ihrer Fähigkeit, große Städte zu leiten, Vorbehalte gibt. Dies könnte auf die bisherigen Leistungen in Rom und Turin zurückgeführt werden, die von Teilen der Bevölkerung sehr negativ bewertet werden. Möglicherweise spielte auch fehlendes Vertrauen in die „Fünf-Sterne-Bewegung“ eine Rolle, die vor weniger als einer Woche bei einer Abstimmung, die im Zusammenhang mit dem italienischen Wahlgesetz stand, gezeigt hatte, dass auf sie kein Verlass ist. Bei der Abstimmung in der italienischen Abgeordnetenkammer hielt der erstmals und wenige Tage zuvor geschlossene Pakt zwischen den vier großen Parteien (PD, FI, Lega Nord, M5S) nicht: Bei einer eigentlich geheimen Wahl kam es zu einem technischen Fehler und es wurde offensichtlich, dass einige Mitglieder der „Fünf-Sterne-Bewegung“ sich nicht an die im Vorfeld abgesprochene Vorgehensweise hielten und einem Änderungsantrag zum Wahlgesetz zustimmten, anstatt diesen abzulehnen – wie es die Abmachung vorsah. Das Verhalten dieser „Abweichler“ rief große Verärgerung bei der PD hervor, die der M5S vorwarf, nicht paktfähig zu sein. Das für Italien dringend notwendige neue Wahlgesetz konnte somit nicht verabschiedet werden. Erstmals hatte sich die „Fünf-Sterne-Bewegung“ mit den traditionellen Parteien zusammengeschlossen, um die Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes zu verwirklichen und sich letztendlich nicht an Vereinbarungen gehalten.

Die Ergebnisse der jetzigen Kommunalwahlen zeigen, dass die „Fünf-Sterne-Bewegung“ nach dem Höhenflug der letzten Kommunalwahlen vor einem Jahr nun einen Dämpfer zu verkraften hat.

In der Stichwahl treten hauptsächlich Kandidaten aus dem traditionellen Mitte-Rechts-und Mitte-Links-Lager gegeneinander an. Forza Italia hat vor allem dort punkten können, wo sie mit der Rechtspartei Lega Nord Bündnisse eingegangen ist. Der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti (Forza Italia) bemerkte: "Das vereinte Mitte-Rechts-Lager funktioniert und überzeugt", so Toti. Nach Ligurien und Savona sei man bereit, die linksgeprägte Stadt Genua zu erobern. Immer wieder ist die Forza Italia in der Vergangenheit sowohl auf lokaler, regionaler als auch auf nationaler Ebene „Zweck“-Bündnisse mit der Lega Nord eingegangen, wenn man sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte.

Die kleineren EVP-Mitgliedsparteien wie „Alternativa Popolare“ hatten sich bei den Kommunalwahlen unterschiedlichen Bündnissen angeschlossen. Der italienische Außenminister und Chef der Partei „Alleanza Popolare“ (ehemals NCD), Angelino Alfano, kommentierte die Kommunalwahlen via facebook: „Von Norden bis Süden in den großen Städten und kleinen Gemeinden gibt es die „Alternativa Popolare“, so Alfano. Wir haben überall unsere Vertreter – sowohl in den Listen mit unserem eigenen Symbol als auch in den freien Bürgerlisten. Unsere Stärke ist in der Bevölkerung“, so Alfano, dessen Partei derzeit ums Überleben kämpft. Sollte das neue Wahlgesetz – das in jedem Fall vor Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2018 verabschiedet werden muss, damit nationale Wahlen bis spätestens Mai 2018 durchgeführt werden können - mit einer Fünf-Prozenthürde für Parteien verabschiedet werden, hätte es die Alternativa Popolare schwer. Sie liegt bei Umfragewerten derzeit um die 2,5 Prozent.

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22. Juni 2016
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