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Länderberichte

Kommunalwahlen in Litauen

von Oliver Morwinsky, Fausta Šimaitytė, Emely Keyn

Erfolg in der Hauptstadt, Verlust in der Fläche

Am 5. März 2023 fanden in Litauen Kommunalwahlen statt. Die abschließenden Stichwahlen fanden am 19. März 2023 statt. An den Abstimmungen nahmen 16 politische Parteien und 32 politische Komitees teil. Ihre Vertreter bewarben sich um die 1.498 Gemeinderats- und 60 Oberbürgermeistermandate. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,97 Prozent, was einen leichten Anstieg bedeutet. Die Sozialdemokratische Partei Litauens ging als Wahlsieger aus den Kommunalwahlen heraus. Die Hauptstadt Vilnius konnte von den Christdemokraten erobert werden. Parteichef Landsbergis tritt nicht mehr als Parteivorsitzender an.

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Gewinner und Verlierer der Kommunalwahlen

Vergleicht man die Wahlen von 2019 mit den diesjährigen Abstimmungen können verschiedene Entwicklungen beschrieben werden. Grundsätzlich war die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang etwas höher als bei den letzten Kommunal- und Bürgermeisterwahlen. Im Jahr 2019 gaben 47,8 Prozent der Bürger ihre Stimme in der ersten Runde der Kommunalwahlen ab, 2023 waren es 48,97 Prozent. Das ist die höchste Wahlbeteiligung seit 20 Jahren. Am Wahltag gaben 39,56 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme an der Urne ab, während weitere 9,41 Prozent der Bevölkerung ihren Wahlwillen im Voraus durch Briefwahl zum Ausdruck brachten.

Die diesjährigen Kommunalwahlen fanden das erste Mal auf Grundlage des neuen Wahlgesetzes, aus dem Jahr 2022, statt. Demnach wurde unter anderem die Amtszeit von Bürgermeistern auf drei aufeinanderfolgende Amtszeiten begrenzt. Ebenso wurden bequemere Wahlmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger festgeschrieben (z.B. verlängerte Fristen zur Stimmabgabe oder die Möglichkeiten an verschiedenen Orten, seine Stimme abzugeben.

Die Sozialdemokratische Partei Litauens (LSDP) gewann die meisten Stimmen bei den Kommunalwahlen und stellt mit 358 Mandaten (17,45 Prozent), entsprechend den größten Teil der Gemeinderatsvertreter. In der Hälfte der Städte lagen die sozialdemokratischen Bürgermeisterkandidaten in Führung. Trotz des Wahlerfolges konnte die LSDP kaum in größeren Städten glänzen. Sie wird 17 Bürgermeister stellen, davon jedoch in keiner größeren Stadt.

Die Heimatunion-Litauische Christdemokraten (TS-LKD) lag in den Wahlen an zweiter Stelle. Die Partei konnte 239 Mandate (16,2 Prozent) gewinnen – nur halb so viele wie vor vier Jahren. Hohe Volatilität in den Wahlergebnissen ist ein Merkmal litauischer Politik. Selten wird eine regierende Partei direkt wiedergewählt. Dies zeigte sich auch bei diesen Kommunalwahlen. Die Parteiführung der Konservativen freute sich zwar, dass die TS-LKD neben 5 Bürgermeistermandaten auch Vilnius gewonnen hat. Sie betonte aber, dass die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind. Der Vorwurf, sie seien eine Partei der Großstädte und von Vilnius hat sich weiter verfestigt, denn im restlichen Land verlieren sie zunehmend an Popularität.

Mit großem Abstand zu diesen beiden Parteien folgte der Verband litauischer Bauern und Grüne mit 185 Mandaten (9,2 Prozent) und 8 gewonnenen Bürgermeisterpositionen. Der größte Verlierer dieser Wahlen war jedoch die „Freiheitspartei“. Sie konnte nur 13 Mandate gewinnen und wird zudem keine Bürgermeisterpositionen besetzen. Dieses Ergebnis bedeutet dennoch nicht zwangsläufig, dass die Zahl liberaler Wähler zurückgegangen ist. Diese scheinen lediglich für die „Liberale Bewegung“ gestimmt zu haben. Diese gewann 9 Bürgermeisterposten und 144 Mandate. Auch die öffentlichen Ausschüsse mussten bei den diesjährigen Wahlen eine Niederlage verbuchen. 2019 gaben ihnen fast 27 Prozent der Wähler ihre Stimme. Bei den diesjährigen Wahlen waren es mit etwa 14 Prozent hingegen nur noch halb so viele. Am 3. April wurde Klage gegen ein Ergebnis in Visaginas Stadt eingereicht. Das Gericht hat der Klage stattgegeben, die zweite Runde zu wiederholen. Das Wahlkomitee erwägt dies derzeit. Die zweite Runde würde sodann am 23. April dort wiederholt werden. Das Gesamtergebnis könnte sich also noch einmal minimal ändern, was für das Endresultat jedoch keine Auswirkungen haben dürfte.

 

Implikationen für die litauischen Christdemokraten

Experten sehen eine Reihe von Gründen für die Wahlniederlage der TS-LKD. Diese reichen von Kritik am Landwirtschaftsminister der Partei, über einen kurz vor den Wahlen aufgebrachten Pädophilieskandal gegen den von der TS-LKD unterstützten Kristijonas Bartoševičius, bis hin zu einer allgemeinen Abstrafung der nationalen Politik (und der Partei). Dies äußert sich in Teilen durch die Unzufriedenheit der Bevölkerung in den Bezirken und der Passivität des Parteivorsitzenden Gabrielius Landsbergis. Landsbergis, der in den letzten Jahren in der litauischen Politik kaum noch eine Rolle spielte und eher als Außenminister auf der internationalen Bühne auftrat, verlor hierdurch an innenpolitischer Sichtbarkeit. Er betonte nach dem Ausgang der Wahl, dass er die Verantwortung für das Ergebnis übernehmen und sich nicht mehr an den Wahlen zum Parteivorsitz beteiligen werde. Diese finden planmäßig im Jahr 2025 statt.

Der TS-LKD Seimas-Abgeordnete Audronius Ažubalis betonte, dass das Scheitern der Partei auf ideologische Gründe zurückzuführen sei. Seiner Meinung nach, nachdem die Partei eine Regierungskoalition mit liberalen Kräften gebildet hatte, enttäuschte sie die konservativen Wähler aufgrund ihrer Haltung zu Familienfragen, nationalen Minderheiten und der Schreibweise von Nachnamen.

 

Ausblick

Aus den Kommunalwahlen können keine allgemeinen Schlüsse auf die nächsten Parlamentswahlen gezogen werden. Dennoch liegt nahe, dass sich die Wählerschaft langsam von der konservativ-liberalen Regierungskoalition abwendet. Das Problem für die Konservativen besteht nicht nur darin, dass sich in jeder Stadt des Landes – außer in Vilnius – gegen sie zusammengeschlossen wird.

Der Mangel an starken lokalen politischen Persönlichkeiten wird als das größte Problem gesehen. Manche Wähler bringen die Kandidaten nicht einmal mit ihren Parteien in Verbindung. Der Mangel an guten Kommunalpolitikern hängt - vor allem bei den Christdemokraten - mit dem starken Willen der Kandidaten zusammen, möglichst schnell auf nationaler Ebene zu agieren.

Der vor den Wahlen veröffentlichte Parteieintritt von Premierministerin, Ingrida Šimonytė (vorher parteilos), konnte bereits als Zeichen der Neuaufstellung innerhalb der Partei gewertet werden. Welche Auswirkungen der Verzicht von Landsbergis auf eine weitere Kandidatur als Parteivorsitzender für die Partei hat, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

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Kontakt

Oliver Morwinsky

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Leiter des Auslandsbüros Baltische Staaten

oliver.morwinsky@kas.de +371 673 312 64

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