Veranstaltungsberichte
„Schreiben Sie weiter und weiter so schöne Bücher!“
Laudator Professor Jürgen Flimm, Intendant der Deutschen Staatsoper Unter den Linden, bezeichnete Kleeberg als Meister des großen und kleinen Formats. Kleeberg ist der 24. Träger des Literaturpreises, der zuvor unter anderem Marica Bodrožić und Herta Müller verliehen wurde. Michael Kleeberg schreibt realistische Gesellschaftsromane des deutschen Mittelstands. Flimm brachte seine Begeisterung für Kleebergs realistische Gesellschaftsromane in seiner Laudatio auf ungewöhnlich ironisch-launische Art und Weise zum Ausdruck. Mit großer Bewunderung hob er die Vielschichtigkeit von Kleebergs Romanfiguren hervor. „Sie kommen aus einem überfüllten Gedanken und purzeln in unseren Kopf, von einem Puppenspieler an feinen Fäden geführt. Und Jacques, unser Lieblingsmelancholiker ist freilich auch unter uns und heißt Michael Kleeberg.“
Seine Romane seien außergewöhnlich, weil sie Bekanntes, Wahrheiten, gesellschaftliche und politische Sachverhalte durcheinander wirbelten. Aufmerksam wurde der Intendant auf den "witzigen Federfuchs", als er die Kurzgeschichte „Der Kommunist von Montmartre“ las. „Sehr viel schmunzeln kann man ja heute nicht in der deutschen Literatur, geschweige denn lachen, das ist sehr traurig“, sagte Flimm. Doch auch der Roman „Das amerikanische Hospital“ sei ein Buch der Entschleunigung und seine schreckenden Details seien kaum zu ertragen.
Flimm lobte Kleeberg als Autoren, dem „das Theatralische durchaus verwandt ist und dem die Bühne gehört“. „Seine kleinen Geschichten sind fast wie Entwürfe, Retreatments für große Taten.“ Der Intendant rief die Festgesellschaft dazu auf, die Bücher von Kleeberg zu lesen. „Ich kann davon nicht lassen und möchte nicht aufhören, von dem fantasievollen Meister und seinem empathischen Griffel sowie von seinen Menschen eingekreist zu werden.“ Sein Appell an den Preisträger: „Schreiben Sie weiter und weiter so schöne Bücher!“
„Europäischer Denker und politisch wachsamer Bürger“
Zuvor hatte Dr. Hans-Gert Pöttering, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Kleeberg als einen „europäischen Denker und politisch wachsamen Weltbürger“ gwürdigt. Seine Romane über Charly Renn zeugten von einem Erzähler, „der seiner Zeit heimleuchte, indem er ihr eine Geschichte und ein Gesicht gebe", so der Vorsitzende. „Kleeberg ist ein umsichtiger und scharfsinniger Essayist, der über die moralischen Kosten unserer Freiheit genauso brillant schreibt wie über die Grenzen der europäischen Marktwirtschaft, die soziale Situation im Nachbarland Frankreich und die Schäden des Bürgerkrieges im Libanon“.
Missbrauch der Literatur für politische Gesinnungen
Der Preisträger bedankte sich für die Auszeichnung und ging in seiner Dankesrede auf sein Spielen in Kindertagen ein. „Meine kindlichen Spiele, waren nicht Zeitvertreib im Sinne von Zerstreuung, sondern Zeitverdichtung im Sinne von Abstraktion“, erklärte Kleeberg. Sie seien ein erster Schritt auf dem Weg zur Schönheit. Das Schreiben sei für ihn ein Zusammenspiel von Spielen und Lesen, aber es werde von verschiedenen „Zumutungen“ ins Ungleichgewicht gebracht. „Gefährlich wird es für die künstlerische Freiheit und Autonomie, dann wenn Gesinnungen und Meinungen des Menschen das Schiff seiner Kunst kapern“, warnte Kleeberg. Er kritisierte, wie manchmal von verschiedenen politischen Parteien Künstler und Geist für ihre Zwecke missbraucht würden. „Ich weiß nicht, was ich widriger finde, die Schnödrigkeit der einen oder die scharmlose Instrumentalisierung der anderen.“
Literatur als Ware
Eine weitere „Zumutung“ für Kleeberg sei die Transformierung der Literatur zur Ware. Den Schriftstellern werde von den Schreibenden, den Lesern und den Vermittlern das Wasser abgegraben. Insbesondere kritisierte er die Bewertungskriterien mancher Medien. „Da hat kein Goethe und kein Thomas Mann mehr eine Chance gegen Cicilia Ahern“, sagte Kleeberg. Ihm missfallen ebenso Kundenrezensionen auf dem Onlineportal eines großen Buchversandhandels, die Schachtelsätze bemängeln würden. „Die im Klartext den Einsatz von Nebensätzen und Metaphern kritisieren, die die Lektüre mühsam machen und man nicht in den Text hinein findet.“ Er warnte davor, dass dieses System die Voraussetzungen dafür schaffe, dass sich die Kriterien für Kunst, dann die Leser und schließlich die Künstler selbst verändern würden.
Kleeberg versteht die Literatur als eine „heilige Kunst, die begabt mit neuen Sinnen“. „Sie ist ein heiliges Spiel, zweckfrei und überhaupt frei“, bekannte der Schriftsteller. Ihre Form gebe dem Menschen einen Ausblick auf seine Bestimmung und das Wort mache den Menschen menschlich. „Ich werde mich nie damit abfinden, dass wir daran gehindert werden sollen, Menschen zu werden“, versprach Kleeberg zum Schluss seiner Dankesrede.
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