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Veranstaltungsberichte

„Simbabwe zwischen Selbstbestimmung und Selbstzerstörung: Gibt es Wege aus der Krise?“

von Birte Leinius

Veranstaltung vom 11. August 2005 Akademie Berlin. Veranstalter: MISEREOR und der Konrad-Adenauer-Siftung

Dr. Gerhard Wahlers, Leiter der "Internationalen Zusammenarbeit" in der KAS, wies auf die Notwendigkeit, von Bildungsveranstaltungen in Deutschland hin, um das Verständnis für den den afrikanischen Kontinent zu verbessern. Dabei dürfe man, so Wahlers, auch nicht vor konfliktbeladenen Themen wie dem der Zwangsräumungen in Simbabwe zurückschrecken.

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Die Veranstaltung, die ca. 200 Teilnehmer zählte, wurde durch den Leiter der Hauptabteilung Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Gerhard Wahlers eingeleitet. Wahlers begrüßte die Zusammenarbeit mit MISEREOR bei der Durchführung dieser Veranstaltung und unterstrich die Notwendigkeit, über Bildungsveranstaltungen in Deutschland das Verständnis für den den afrikanischen Kontinent zu verbessern. Dabei dürfe man auch nicht vor konfliktbeladenen Themen wie dem der Zwangsräumungen in Simbabwe zurückschrecken. Er dankte den Referenten und Podiumsteilnehmern für ihre Teilnahme, insbesondere der Botschafterin Simbabwes in Deutschland, I.E. Lucia Muvingi, für ihre Bereitschaft, die Position der simbabwischen Regierung zu vertreten.

Im Anschluss an einen kurzen Dokumentationsfilm über die Räumungsaktion berichtete Pater Wiliam Guri, Gemeindepfarrer aus Harare, als Augenzeuge der Aktion. Daraufhin nahm Botschafterin Muvingi Stellung zur Aktion, unterstützt durch George Shire, ein der Regierung Simbabwes nahe stehender Akademiker mit Wohnsitz in London. An der anschließenden Podiumsdiskussion beteiligten sich Prälat Dr. Karl Jüsten, Vorstandsvorsitzender der Katholischen Zentralstelle für Entwicklung, Arnold Vaatz, MdB, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und Dr. Stefan Mair, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Moderation der Diskussion erfolgte durch Dr. Volker Mönikes, Leiter der Abteilung Afrika/Naher Osten bei MISEREOR.

Sachlage

Im Mai 2005 beschloss die Regierung von Simbabwe, alle Formen "illegaler Aktivitäten in Bereichen wie Handel, illegale Strukturen, illegale Besiedlung" zu unterbinden. Der Zweck dieser „Aktion Murambatsvina" (Shona für die Entfernung von Dreck oder Abfall) war es, die nach Ansicht der Regierung chaotischen Zustände, die mit der schnellen Urbanisierung afrikanischer Städte einhergehen, zu beseitigen. Betroffen waren in einer ersten Phase vor allem Straßenverkäufer und Flohmärkte in Harare. Danach griff diese Aktion auf dicht besie-delte Gebiete über (Slums); es wurden auch Schulen, Kliniken und Heime zerstört. In einer dritten Phase wurde die Aktion auf weitere Städte ausgebreitet. Nach dem Bericht der Sondergesandten der Vereinten Nationen Anna Tibaijuka wurden durch diese Aktion ca. 700.000 Menschen obdachlos während ca. 2,4 Mio. Simbabwer insgesamt von den Folgen der Vertreibung betroffen waren. Die betroffene Bevölkerung wich auf ländliche Gebiete aus oder wurde in sog. „processing camps" aufgefangen. In diesen fehlt es an medizinischer Versorgung und sanitärer Einrichtungen; die Zustände dort sollen unmenschlich sein.

Argumente der Befürworter der Aktion

Botschafterin Muvingi und George Shire verteidigten die Räumungsaktion. Einerseits fänden Zwangsräumungen in vielen Ländern Afrikas statt. Andererseits sei die Aktion Murambatsvina einzigartig, weil sie geplant war und von vorneherein festgelegt wurde, was mit den Betroffenen geschehen würde. Die internationale Gemeinschaft misse der Situation in Simbabwe zu viel Bedeutung bei, das Land könne außerdem alleine zurechtkommen. Botschafterin Muvingi räumte ein, dass manche Leute wegen der Aktion leiden mussten, aber es sei genauso wichtig gewesen, eine illegale Situation zu beseitigen. Es stimme auch, dass nicht nur Hütten, sondern auch feste Behausungen eingerissen wurden, diese seien aber illegal gewesen. Die Aktion wurde auch durchgeführt, um die ernsthaften Hygieneprobleme in den Slums zu beseitigen. Sie fügte hinzu, dass es sich bei der Räumung nicht um Repressionen gegen vermeintliche Anhänger der Opposition nach den Wahlen gehandelt habe, wie dieses vielfach dargestellt worden war. Um sich als Wähler registrieren zu lassen, müsse man eine Anschrift oder eine Strom- oder Wasserrechnung nachweisen. Da die meisten eingerissenen Strukturen keine körperliche Adresse besaßen, konnten die Leute, die dort lebten, ohnehin nicht wählen.

Botschafterin Muvingi und George Shire erklärten, dass die simbabwische Regierung sich an den Empfehlungen des UN-Berichts orientiere; sie habe Geld für die Betroffenen reserviert, die Rahmenbedingungen, die aus der Zeit der Kolonisierung stammen, abgeschafft und beginne den Dialog mit der betroffenen Bevölkerung. Die im UN-Bericht erwähnte Zahl von 700.000 Obdachlosen sei im Übrigen zu hoch angesetzt.

Shire war der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft die Verantwortung für das, was in Simbabwe geschehe, trage. Man müsse zwischen zwei Arten des Eingreifens unterscheiden: a) Hilfe (Assistance), die empfohlen wird, und b) Einmischung (Intervention), von der abgeraten wird. Der Westen solle sich besser auf Hilfe konzentrieren und die Betroffenen in Simbabwe durch Spenden unterstützen, als sich in die Landespolitik einzumischen. Botschafterin Muvingi fügte hinzu, die westliche Welt benehme sich wie ein Lehrmeister, sie verstehe aber die afrikanischen Denkweisen nicht und solle sich mehr in Toleranz üben.

Argumente der Kritiker der Aktion

Die Podiumsmitglieder kritisierten die Politik der simbabwischen Regierung und die Beiträge von Muvingi und Shire scharf. Arnold Vaatz warf ein, weder die Botschafterin noch Shire hätten eine Begründung angegeben, wieso die Vertreibung stattfand. Arnold Vaatz und Prälat Jüsten bestätigten, dass es sich bei der Räumungsaktion um einen klaren Verstoß gegen die Menschenrechte handele. Vaatz erklärte, dass der UN-Bericht die Regierung Simbabwes kollektiv für die Situation verantwortlich mache. Nicht der IWF sei Schuld an dem Zustand Simbabwes, sondern Robert Mugabe. Die Regierung Simbabwes versuche Unrecht durch formales Recht zu legitimieren. Dr. Volker Mönikes fragte, wenn die Aktion geplant war, warum sie im Winter statt fand, wieso keine Unterkünfte bereitgestellt wurden und wieso sie in dieser Form statt fand? Dr. Stefan Mair fügte hinzu, dass es früher in Harare keine Slums gegeben habe; wenn es jetzt welche gäbe, dann läge das an der jetzigen Regierung. Prälat Jüsten fragte Botschafterin Muvingi, woher das Geld kommen solle, das den Betroffenen versprochen wurde? Ohne internationale Hilfe könne sich die Bevölkerung nicht ernähren. Auch Arnold Vaatz widersprach, dass die Regierung Simbabwes alleine mit dieser Situation zurechtkommen könne. Der Westen könne sich in der Zusammenarbeit mit Simbabwe nicht auf Spenden beschränken, wie die simbabwische Regierung es fordert. Es könne nicht unser Ziel sein, die Aktion Murambatsvina zu unterstützen.

Michael Gahler, Mitglied des Europäischen Parlaments und Gast bei dieser Veranstaltung, fügte hinzu, dass während der Apartheid in Südafrika eine schwarze Bevölkerung durch eine weiße Regierung zur Umsiedlung gezwungen wurde. Dass es in Simbabwe eine schwarze Regierung ist, die eine Umsiedlung erzwingt, mache die Sache nicht legitimer. Diejenigen Parlamentarier, die Simbabwes Freiheitskampf unterstützt hatten, seien traurig über das, was Mugabe mit Simbabwe gemacht habe.

Nach Ansicht der Podiumsteilnehmer könne die Aktion eine noch größere Krise hervorrufen. Arnold Vaatz äußerte seine Sorge über die Gefahr, dass diese Aktion auf die Nachbarländer übergreife. Die Zerstörungen könnten nicht innerhalb kürzester Zeit repariert werden. Dr. Mair war der Meinung, dass die Aktion ein Indiz für eine schwächelnde Regierung sei, die immer weniger auf Unterstützung durch das Volk rechnen könne, auch nicht durch die Verteilung von Vergünstigungen. Arnold Vaatz und Pater Guri bestätigten, dass keine Pläne für die Situation nach dem Tod Mugabes bestünden; nach seinem Tod werde ein Machtvakuum entstehen.

Vaatz erklärte, dass die Krisen in Simbabwe seit der Unabhängigkeit und die Erfolglosigkeit der internationalen Unterstützung in diesem Land zu einer Legitimationskrise der EZ geführt hätten. Die deutschen Bürger seien nicht bereit, mit ihren Steuern den Zerstörungswillen Mugabes und die dadurch resultierenden Menschenrechtsverletzungen zu finanzieren. Dr. Mair fügte hinzu, dass es gut sei, wenn Afrika seinen eigenen Weg gehe, aber Afrika könne keine Unterstützung von uns erwarten, wenn wir mit seinem Weg nicht einverstanden sind.

Die südafrikanische Position zu Simbabwe wurde Gegenstand einer ausführlichen Dis-kussion. Arnold Vaatz warf ein, Südafrika nehme seine Verantwortung im Rahmen der SADC nicht ernst genug; Präsident Mbeki scheine sogar das Vokabular von Präsident Mugabe zu übernehmen. S.E. Moses Chikane, Botschafter der Republik Südafrika und Gast bei der Veranstaltung, entgegnete, Südafrika versuche durch seine "Stille Diplomatie" die Diskussion zwischen den verschiedenen Parteien in Simbabwe anzuregen, suche nachhaltige Lösungen und sei um die Stabilität des südlichen Afrika besorgt. Südafrika nehme die Demokratie sehr ernst, „aber bitten Sie mich nicht, etwas mit meinem Nachbarn zu tun, was Sie mit Ihrem nicht machen würden“.

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11. August 2005
Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, Tiergartenstr. 35, 10785 Berlin
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