Am 15. und 16. Mai 2025 fand im Grenzlandmuseum Eichsfeld das diesjährige Jugendforum unter dem Leitthema „35 Jahre Wiedervereinigung – Polarisierung und Frontenbildung in Deutschland“ statt. Schülerinnen und Schüler aus Großburgwedel (Niedersachsen) und Altenburg (Thüringen) setzten sich intensiv mit der Deutschen Einheit sowie möglichen gesellschaftlichen Spannungen in der Gegenwart auseinander.
Der historische Veranstaltungsort bot den Jugendlichen einen authentischen Rahmen, um sich mit der Teilung Deutschlands, ihren Folgen und den Herausforderungen der Wiedervereinigung auseinanderzusetzen.
Tag 1: Kennenlernen, Wissensvermittlung und Podiumsdiskussion
Nach einer kurzen Begrüßung durch Laura Hamentgen vom Grenzlandmuseum, Tillmann Bauer und Gereon Kuriewicz von der Konrad-Adenauer-Stiftung, begann der erste Seminartag mit einem ersten Kennenlernen in Kleingruppen. An das Kennenlernen folgte schon ein erster inhaltlicher Part, nämlich eine Einführung in die Geschichte der innerdeutschen Grenze und des Grenzlandmuseums, dessen Gebäude früher einmal Teil eines Grenzübergangs waren. Ein kurzer Film veranschaulichte diese Thematik eindrucksvoll. In einem Kahoot-Quiz wurde dann im Anschluss spielerisch abgefragt, was die Schülerinnen und Schüler aus der Einführung behalten haben.
Während der Mittagspause bot sich Gelegenheit zum ersten lockeren Austausch zwischen den Jugendlichen aus den beiden Bundesländern. Es folgte dann für die Gruppen eine Führung durch das Museum wie auch über das Gelände. Dabei wurden wichtige Stationen der deutschen Geschichte durch authentische Exponate lebendig vermittelt.
Ein Höhepunkt des ersten Tages war die Podiumsdiskussion mit Felix Neumann (Referent Extremismus- und Terrorismusbekämpfung der Konrad-Adenauer-Stiftung), Sylvia Spehr (Weltoffenes Thüringen e.V.) und Carina Herrmann MdL (CDU). Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Mira Keune, Leiterin des Grenzlandmuseums. Diskutiert wurde sowohl aktuelle Herausforderungen politischer Polarisierung sowie ob es eigentliche ein gesellschaftliche Frontenbildung gibt. Die Gesprächspartner gingen dabei u. a. darauf ein, wie sie die Situation persönlich einschätzen, welche Erfahrungen sie bereits mit Extremismus gemacht haben und wie sie sich einen effektiven Umgang mit verschiedenen Formen des Extremismus wie auch zunehmender Frontenbildung vorstellen können. Interaktive Elemente wie ein „Mentimeter“ ermöglichten es den Jugendlichen, sich mit Abstimmungen aktiv einzubringen – etwa zum Einfluss sozialer Medien auf politische Radikalisierung. Mehrere Schülerinnen und Schüler brachten aber auch eigene Wortbeiträge mit in die Runde ein und verwiesen darauf, dass sie sich manchmal wirklich Sorgen machen würden. Schließlich würde man, ob im Unterricht, in der Freizeit oder auch vermehrt in den Sozialen Medien regelmäßig Erfahrung mit extremistischen Botschaften aber auch verhärteten Fronten machen, so eine Schülerin. Die Gesellschaft müsse wieder mehr zusammenrücken und Harmonie finden, so einer der Wünsche aus der Runde der Jugendlichen. Mit dieser spannenden Diskussionsrunde endete der erste, erkenntnisreiche Veranstaltungstag.
Tag 2: Workshops, Zeitzeugen und Präsentationen
Der zweite Tag begann mit einer kurzen Begrüßung und Vorstellung des Tagesprogramms. Anschließend kehrten die bereits am Vortag gebildeten Kleingruppen in die Seminarräume zurück, um an verschiedenen Workshops teilzunehmen.
Eine der Workshopgruppen hatte die Möglichkeit, mit Zeitzeugen zu sprechen. Ingo Hasselbach, ehemaliger Punk und Rechtsextremist, war mehrfach in der DDR inhaftiert, berichtete eindrucksvoll über seinen Radikalisierungsweg und seinen späteren Ausstieg. Nadja Klier, deren Mutter als kritische Künstlerin unter Beobachtung der Stasi stand, schilderte hingegen ihre Kindheit im repressiven DDR-System.
Ein weiterer Workshop beschäftigte sich mit dem Thema „Demokratie in Gefahr“. Ein Mitarbeiter des niedersächsischen Verfassungsschutzes erläuterte in diesem u. a. die Gefahren, die von Rechts- und Linksextremismus sowie islamistischen Akteuren ausgehen.
Zwei weitere Gruppen befassten sich, angeleitet von Laura Hamentgen und Patrick Hoffmann vom Team des Grenzlandmuseums, mit der Rolle der Medien in Vergangenheit und Gegenwart und dem Weg zur Freiheit im Kontext der friedlichen Revolution.
Am Nachmittag präsentierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workshopgruppen dann ihre Ergebnisse im Plenum:
- Workshop 1: Wege zur Freiheit – Die friedliche Revolution und die deutsche Einheit
Die Jugendlichen schilderten, wie der friedliche Protest in der DDR zur Öffnung der Grenze und schließlich zur Wiedervereinigung führte. Sie wiesen auch auf bestehende Unterschiede zwischen Ost und West hin, die bis heute nachzuwirken scheinen. Ein Teilnehmer erklärte eindrücklich, dass ihm im eigenen Bekanntenkreis oft nur Positives von der Geschichte erzählt würde und war überrascht, wie viel Neues er im Workshop über die Geschichte der Teilung und der DDR erfahren habe.
- Workshop 2: Die Rolle und Macht der Medien – Zwischen Information und Manipulation
In der Präsentation der Jugendlichen wurde deutlich, dass Medien in der DDR primär als Propagandainstrument dienten. Die staatlichen Medien sollten Missstände verdecken und die Bürgerinnen und Bürger auf den sozialistischen Staat einschwören. Andere regimekritische Meinungen wurden hingegen nicht geduldet und streng geahndet. Die Jugendlichen zogen auch Parallelen zu heutigen autoritären Staaten wie Russland, in denen Medienfreiheit stark eingeschränkt ist, im Gegensatz zu der gelebten und geschützten Meinungs- und Medienfreiheit in demokratischen Staaten wie Deutschland.
- Workshop 3: Demokratie in Gefahr
Die Jugendlichen berichteten von den verschiedenen extremistischen Strömungen, welche die demokratischen Grundwerte untergraben und unserem Staat und unserer gemeinsamen Gesellschaft feindlich gesonnen sind. Im Workshop hätten sie gelernt, wie ganz persönliche Biografien von Extremisten in den verschiedenen Phänomenbereichen aussehen können und wie man als Gesellschaft und Gruppe einer Radikalisierung Einzelner begegnen kann. Dabei würden auch sogenannte Push-und-Pull-Effekte eine Rolle spielen, welche Menschen mit oft fehlendem sozialem Rückhalt anfällig für Radikalisierung machen – häufig verstärkt durch einseitige emotionale Inhalte in den sozialen Medien. In diesen würden extremistische Akteure nämlich versuchen, andere für ihre zunächst harmlos wirkenden Botschaften, in der Konsequenz jedoch gefährlichen Ziele zu gewinnen. Dabei würde auch gezielt Musik eingesetzt, um insbesondere eine junge Zielgruppe zu erreichen. Durch die oft professionell gemachte Musik würden dann extremistische Positionen vermittelt.
- Workshop 4: Jugend im Unrechtstaat
Die Jugendlichen schilderten, wie eindrucksvoll sie den Austausch mit den beiden Zeitzeugen empfanden. Ingo Hasselbach habe beispielsweise erzählt, wie er als Punk aufgrund von Sprüchen wie „Die Mauer muss weg!“ im Gefängnis gelandet sei. Dort habe er ein paar Altnazis kennengelernt, welche ihn für völkische Denken begeisterten. Deutlich verblendet sei er nach Entlassung aus dem Gefängnis dann in die Neonazi-Szene eingestiegen und sei in dessen Strukturen bald aufgestiegen. Nachdem ihm später der Ausstieg gelang, würde er heute seine eigenen extremistischen Aktionen bereuen. Gleichzeitig würde er aber auch bis heute darunter leiden, wie man mit ihm als jugendlicher „Querkopf“ umgegangen sei und welche Repressalien er im DDR-Staat erleben musste, die ihn bis heute traumatisiert hätten. Auch von Nadja Klier berichteten die Schülerinnen und Schüler eindrucksvoll. Diese waren sichtlich überrascht davon, wie sehr die persönliche Freiheit von Menschen, die anders dachten oder leben wollten in der DDR eingeschränkt wurde. War Klier damals ähnlich alt wie sie, könnten sie sich persönlich kaum vorstellen, dass der Staat einem vorgebe, in welchem Bereich man arbeiten muss und ob man nun studieren darf oder nicht.
Zum Abschluss fand eine Feedbackrunde statt. Die Schülerinnen und Schüler reflektierten die Erlebnisse der vergangenen zwei Tage und zogen ein insgesamt sehr positives Fazit.
Nach zwei intensiven und lehrreichen Tagen endete das Jugendforum 2025. Ein herzlicher Dank gilt dem gesamten Team des Grenzlandmuseums sowie allen Mitwirkenden für die hervorragende Organisation und Unterstützung. Die Vorfreude auf das Jugendforum im nächsten Jahr ist bereits groß.Themen
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