"Wilna - Wilno - Vilnius. Das jiddische Vilne - Eine Topografie zwischen Moderne und Mythos" so der Titel einer Ausstellung in der Grimm-Bibliothek der Humboldt-Universität Berlin.
Gezeigt werden Erstausgaben deutschsprachiger Autoren, die in Wilnaer Verlagen in jiddischer Sprache publiziert wurden. Darunter auch "Der Zauberberg" in der Übesetzung von Isaak Singer. Als erster und bislang einziger jiddischer Schriftsteller erhielt er im Jahr 1978 den Nobelpreis für Literatur.
Die Austellungseröffnung bildete den Auftakt zu einer gleichnamigen dreitägigen Konferenz des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien, der Botschaft der Republik Litauen in Deutschland, dem Kulturministerium der Republik Litauen und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Deren stellvertretende Vorsitzende, Prof. Dr. Beate Neuss, sagte, sie erhoffe sich Einblicke in die reiche jüdische Kulturregion Litauens.
Arturas Zuokas, Oberbürgermeister von Vilnius: "Wir wollen die jüdische Kultur zurück in unsere Stadt holen."
Sarunas Birutis, Kulturminister Litauens: "Vilnius, oder wie es auch genannt wurde `das Jerusalem des Nordens´ war vor dem Zweiten Weltkrieg eines der wichtigsten jüdischen Zentren der Welt."
Oder, wie Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien es ausdrückte: "Litauen und Vilnius waren Jiddischland schlechthin."
Hausherr und Gastgeber der Ausstellung: Andreas Degkwitz, Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
Künstlerische Umrahmung der Ausstellungseröffnung: die beeindruckende Choreografie von Emi Hariyama. Begleitet wurde sie von Davidas Geringas am Violoncello.
Tags darauf begrüßte Frank Priess, stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Teilnehmer der Fachkonferenz "Das jiddische Vilne - Eine Topografie zwischen Moderne und Mythos".
Deividas Matulionis, Botschafter der Republik Litauen, erinnerte an die jüdische Geschichte von Vilnius.
Emanuelis Zingeris, Mitglied des Litauischen Parlaments, sieht die Aufgabe Litauens darin, dass das zerstreute jüdische Erbe wieder gebündelt werden müsse.
Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums, erläuterte den Titel der Fachkonferenz und hob hervor, dass die Moderne sich auch in der jüdischen Literatur und in der eröffneten Ausstellung widerspiegele.
Die 85-jährige Irena Veisaite berichtete als Zeitzeugin von der Entwicklung ihrer Heimatstadt Vilnius und dem jüdischen Leben. Das Naziregime habe das jüdische Leben physisch vernichtet und anschließend habe die Sowjetunion es versucht geistig zu zerstören, sagte sie.
Prof. Dr. Gertrud Pickhan, Projektleiterin am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin, ging am Abend in einem Vortrag auf die Jiddischkeit in der deutschen Hauptstadt von 1918 - 1933 ein.
Die Ausstellung ist Teil der dreitägigen internationalen Konferenz "Wilna - Wilno - Vilnius. Das jiddische Vilne - Eine Topografie zwischen Moderne und Mythos", die das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, die Botschaft der Republik Litauen in Deutschland, das Kulturministerium der Republik Litauen und die Konrad-Adenauer-Stiftung initiiert haben. Experten aus Litauen, der Schweiz und Polen werden bis Dienstag ihre Forschungsprojekte zum Thema vorstellen und so Einblick in eine Kulturregion geben, über die bislang in Deutschland zu wenig bekannt ist, so die stellvertretende Vorsitzende der KAS, Professor Dr. Beate Neuss. Sie erinnerte bei der Ausstellungseröffnung daran, dass die Identität Vilnius` eng mit dem jüdischen Leben und Wirken verknüpft sei.
Vilnius war vor dem Zweiten Weltkrieg eines der wichtigsten jüdischen Zentren, die litauische Gemeinde international eine ganz besondere. Nicht ohne Grund wurde die Stadt das „Jerusalem des Nordens“ genannt, wie Sarunas Birutis, Minister für Kultur der Republik Litauen, sagte. Er kündigte an, dass die litauische Regierung das jüdische Viertel in den kommenden Jahren umfangreich rekonstruieren wird. Herausragend ist dabei der teilweise Wiederaufbau der Großen Synagoge. Diese war einst auf Befehl Stalins zerstört worden. Für Arturas Zuokas, Oberbürgermeister von Vilnius, soll die Synagoge wieder zu einem der wichtigsten Orte jüdischer Kultur werden. Mit dem Vorhaben der Ronald Lauder Stiftung, die in einer angeschlossenen Bibliothek auf 600 Quadratmetern Schüler in jiddischer Sprache unterrichten will, sei hierzu ein wichtiger erster Schritt gemacht worden.
Die Ausstellung „ Wilna - Wilno - Vilnius - Das Jiddische Vilne - eine Topografie zwischen Moderne und Tradition“ ist noch bis zum 17. November zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos.