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„Am schlimmsten wäre, wenn es wieder keine klaren Mehrheitsverhältnisse geben würde“

Felix Dane im kas.de-Interview über die britischen Unterhauswahlen am 12. Dezember 2019

Am 12. Dezember wählen die Briten frühzeitig ein neues Unterhaus. Premierminister Boris Johnson versucht damit nicht nur, sich vom Volk legitimieren zu lassen, sondern auch seine Position im Parlament zu stärken, um „seinen“ Brexit durchsetzen zu können, sagt Felix Dane. Der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in London spricht im Interview über den harten Wahlkampf, Johnsons Motive und die Auswirkungen möglicher Wahlausgänge.

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Herr Dane, wie erleben Sie das Werben um Wähler vor Ort?

Das Land ist durch den Brexit derartig polarisiert aber auch politisiert, dass das Interesse an den Wahlen groß ist. Man kann daher wohl von einer guten Wahlbeteiligung ausgehen. Zu beobachten ist der in Großbritannien übliche Haus zu Haus Wahlkampf und die Kandidaten suchen das Gespräch. Außerdem gibt es gezielte Online-Kampagnen und die Presselandschaft befeuert diese mit den hier üblichen schrillen Überschriften. Darüber hinaus dominieren in diesem Wahlkampf aber Wahlversprechen in finanziellen Größenordnungen, die wohl keine Partei wird halten können. Die Positionen sind sehr extrem und werden gepaart mit gegenseitigen Schuldzuweisungen über die Unfähigkeit der jeweils anderen Partei. Erstaunlich ist, dass ehemalige Parteiführer oder sogar Premierminister sowohl von Labour als auch den Tories davon abraten, die eigene Partei zu wählen. Der Wahlkampf wird also laut und mit harten Bandagen ausgetragen und nimmt bei Zeiten bizarre Züge an.

Premierminister Boris Johnson hatte zuvor dreimal vergeblich vorgezogene Neuwahlen beantragt. Was genau erhofft er sich von den Wahlen – abgesehen von möglichst vielen Stimmen natürlich?

Es wurde oft darüber geklagt, dass Boris Johnson gar nicht vom Volk gewählt wurde, sondern nur von den Parteimitgliedern. Dass somit ein neuer Premier erst einmal versucht, auch vom Volk legitimiert zu werden, um sein Mandat zu stärken, ist im Grunde nachvollziehbar und zu begrüßen. Es geht aber auch um etwas anderes: Als Boris Johnson ins Amt kam, gab es im Parlament keine Mehrheiten für jegliche Vorhaben. Es war ein sogenanntes „Hung Parliament“, das keine Entscheidungen treffen konnte. Der Premierminister will durch diese Wahlen die Karten neu mischen und erhofft sich, dadurch eine Mehrheit zu bekommen, um im Anschluss an die Wahlen dann „seinen“ Brexit vollziehen zu können. Das wäre ohne Neuwahlen nicht gegangen.

Wie könnte die Wahl ausgehen und welche Auswirkungen dürften diese auf den jetzt für 31. Januar 2020 terminierten Brexit haben? Anders gefragt: Welches Wahlergebnis wäre das Beste für die Europäische Union?

Die Umfragen und das Wählerverhalten sind dieser Tage in Großbritannien sehr volatil und wie die Wahl genau ausgehen wird, kann derzeit keiner sagen. Was aber alle Umfragen gemein haben, ist, dass es über die letzten Wochen stets einen deutlichen Vorsprung der Tories gegenüber Labour gibt und dass dieser Vorsprung mehr oder minder konstant bleibt. Am schlimmsten wäre, wenn es wieder keine klaren Mehrheitsverhältnisse geben würde, damit könnten weder die Briten, noch die EU etwas anfangen. Diese Möglichkeit ist durchaus reell. Nach heutigem Stand ist es aber wohl wahrscheinlich, dass es eine knappe Mehrheit für Premierminister Johnson geben könnte. Das wäre für die EU zwar nicht ideal, weil damit der Brexit besiegelt würde. Dass der Brexit aber komplett gestoppt wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Daher wäre im Grunde das beste Ergebnis, wenn Johnson die Wahlen mit einer klaren (oder wenigstens knappen) Mehrheit gewinnen würde. Damit hätte die Hängepartie dann ein Ende, wir hätten endlich Klarheit um die Austrittmodalitäten und könnten uns auf die Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen konzentrieren. Diese Aufgabe wird schwer genug.

Am 1. Dezember hat eine neue EU-Kommission die Amtsgeschäfte aufgenommen, zwölf Tage später nun folgen die britischen Unterhauswahlen. Gibt es irgendeine Chance auf Nachverhandlungen oder gar einen „Exit vom Brexit“?

Sollte Labour gewinnen, dann könnte Corbyn natürlich versuchen, einen neuen "Deal" zu verhandeln. Ich gehe davon aber nicht aus, denn weder sehe ich, dass Corbyn die Wahlen gewinnen wird, noch, dass die EU gewillt ist, weitere Verhandlungen über den Austritt zu führen. Dafür müsste ja vor allem der Europäische Rat zustimmen und da sehe ich derzeit eher wenig Bereitschaft.

 

Das Interview führte Stefan Stahlberg von der Online-Redaktion der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Matthias Barner

Matthias Barner bild

Leiter des Auslandsbüros Vereinigtes Königreich und Irland

matthias.barner@kas.de +44 20 783441-19

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