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Klimareport 2017: Frankreich

von Baptiste Perrissin Fabert

Privatsektor und Klimafinanzierung in den G20-Staaten

Frankreich ist in Bezug auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen äußerst ehrgeizige Verpflichtungen eingegangen. Das französische Finanzministerium rechnet mit einem kurzfristigen Investitionsbedarf bis zum Jahr 2020 von jährlich zwischen 40 und 60 Milliarden Euro. In ihrer jetzigen Form stellt die Klimafinanzregulierung in Frankreich aufgrund der vorgegebenen aufsichtsrechtlichen Regeln allerdings eher eine Bremse für Investitionen dar. Die Festsetzung eines signifikanten CO2-Preises könnte die Umlenkung von privaten Finanzmitteln in Richtung CO2-armer Investitionen beschleunigen.

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Das General Electric-Montagewerk für Offshore-Windkraft in Montoir-de-Bretagne, in der Nähe von Saint-Nazaire, in Westfrankreich.

DIE ROLLE DER PRIVATEN KLIMASCHUTZFINANZIERUNG

Im Gesetz von 2015 zur „Energiewende für grünes Wachstum” ist vorgesehen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um 75 Prozent zu verringern (Ausgangswert 1990). Bei der COP 22 in Marrakesch verschärfte der französische Staatspräsident dieses ambitionierte Ziel noch, als er für Frankreich für den gleichen Zeithorizont die Emissionsneutralität ankündigte. Die Herausforderung ist riesig und erfordert eine massive Umlenkung der Investitionen und der entsprechenden Finanzmittel in Richtung Dekarbonisierungslösungen im Bereich Energie, Mobilität, Wohnen und Ernährung.

Das französische Finanzministerium geht von einem kurzfristigen Investitionsbedarf bis zum Jahr 2020 von jährlich zwischen 40 und 60 Milliarden Euro aus. Dieser Finanzierungsrahmen entspricht zehn bis 15 Prozent der französischen Gesamtinvestitionen. Der Think-Tank I4CE (Caisse des Depots und Agence Française de Développement) nennt in seinem Panorama der Klimafinanzierung ein geschätztes Jahresvolumen 2015 von 32 Milliarden Euro für Frankreich: 12,8 Milliarden für Energieeffizienz, 6,5 Milliarden für erneuerbare Energien (EE), 10,6 Milliarden für den Bau und die Modernisierung nachhaltiger Verkehrs- und Netzinfrastrukturen und 2,1 Milliarden für die Sanierung des KKW-Parks und den Kampf gegen andere Treibhausgasemissionen. Zu 40 Prozent werden diese Finanzmittel vom Staat erbracht, die Unternehmen und Haushalte tragen jeweils 30 Prozent bei.

Will Frankreich die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen, müssten bis 2020 jährlich rund 15 Milliarden Euro mehr investiert werden (rund zehn Milliarden allein für energieeffiziente Gebäudesanierungen). Der zusätzliche Finanzierungsbedarf ist allerdings recht bescheiden und es geht vor allem darum, private Investitionen umzulenken: weniger für fossile Energieträger und Energieerzeugungskapazitäten und mehr für EE und Energieeffizienz. Auch wenn private Finanzmittel nicht spontan hierhin fließen, so ist doch positiv zu vermerken, dass private Finanzmittel heute im Überfluss vorhanden sind. Für jeden öffentlich investierten Euro kann mit einer maximalen Hebelwirkung für private Finanzierungen gerechnet werden. Für die öffentliche Hand besteht die Herausforderung darin, über eine entsprechende Finanzintermediation die Bedingungen für eine Umlenkung der privaten Investitionen zu schaffen, indem eine ausreichende Rendite garantiert wird.

Die bislang Klimafragen gegenüber eher indifferente Finanzbranche hat sich dem Thema nach und nach von der Risikoperspektive ausgehend genähert. Von den drei Risiken, die Mark Carney unterscheidet (physisches Risiko, Transitionsrisiko, rechtliches Risiko), ist das Risiko des Übergangs von der karbonisierten Welt in eine dekarbonisierte Welt und folglich eine Welt von Stranded Assets wohl der Hauptauslöser für das Interesse der Finanz-Community am Klimawandel.

Das Transitionsrisiko ist für Unternehmen, die fossile Energieträger produzieren, besonders kritisch, da bei dem Zwei-Grad-Szenario 80 Prozent der Kohle-, Erdöl- und Erdgasvorkommen unter der Erde bleiben müssen, ihr Börsenwert jedoch teilweise von der Größe der bestätigten Vorkommen bestimmt wird. Aufgrund des Einflusses der Kohle- und Mineralölgesellschaften auf die finanziellen Kenngrößen gewinnt das Argument der „CO2-Blase” bei langfristigen Investoren und Regulierungsorganen an Glaubwürdigkeit.

Banken, Versicherungsgesellschaften und Investoren sind 2015 und 2016 im Rahmen des Montreal Carbon Pledge erhebliche Verpflichtungen eingegangen, um ihren CO2-Abdruck durch ein Desinvestment im Kohlesektor zu reduzieren. Kürzlich haben 500 Unternehmen, die insgesamt über drei Billionen US-Dollar verwalten, eine ähnliche Entscheidung getroffen. Damit hat die Klimafinanzierung einen festen Platz auf der Agenda der internationalen Wirtschafts- und Finanz-Governance gefunden.

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Quelle: Institute for Climate Economics

TRANSPARENZ UND REGULIERUNG DES FINANZSYSTEMS

In Frankreich müssen Investoren in ihrer Investitionspolitik gemäß Artikel 173 im Gesetz über die Energiewende für grünes Wachstum Umweltaspekte und insbesondere die mit Klimarisiken verbundenen Belange berücksichtigen und Rechenschaft darüber ablegen. Zwar sind die einschlägigen Risikobewertungsmethoden noch nicht festgeschrieben, aber die Akteure des Privatsektors sind hinsichtlich der Veröffentlichung dieser neuartigen strategischen Daten äußert innovativ. Das Umweltministerium hat dafür Ende Oktober 2016 einen Preis für „das beste Reporting” ausgelobt. Dieser französische Standard soll als Richtschnur für die internationalen Regelwerke dienen.

Neben der Risikotransparenz muss der Umgang der institutionellen Anleger mit den Finanzmitteln, die Verwendung von Vergleichsindizes und das institutionelle und regulative Umfeld des Finanzsystems an den zeitlichen Horizont der Klimaherausforderung angeglichen werden.

In ihrer jetzigen Form stellt diese Finanzregulierung aufgrund der vorgegebenen aufsichtsrechtlichen Regeln allerdings eher eine Bremse für Investitionen dar. Deshalb plädieren manche Akteure dafür, das Umweltrisiko in die anstehenden Diskussionen über die künftigen aufsichtsrechtlichen Standards aufzunehmen.

GRÜNE ANLEIHEN

Das grüne Finanzierungsgeschäft der Banken bleibt marginal, grüne Anleihen stellen ein Prozent des gesamten Rentenmarktes.Analog dazu wird nur ein Prozent der Aktiva der institutionellen Anleger in grüne oder nachhaltige Infrastrukturen investiert. Erschwerend hinzu kommt die Definitionsproblematik der Auswahlkriterien für Projekte, die Anrecht auf eine Green-Bond-Finanzierung haben: Kernenergieprojekte, Erdgasanlagen, Kohlekraftwerksanierung? Die Definition der Kriterien war bislang dem Privatsektor überlassen, auf dessen Initiative die Green Bonds Principles (2016) beruhen. Der starke Impuls, ausgelöst von der Ausgabe der ersten grünen Staatsanleihen durch Frankreich im Januar 2017 (in Höhe von sieben Milliarden Euro), wird dazu beitragen, diesen Markt zu strukturieren.

Um das Wachstum des grünen Finanzsektors zu beschleunigen, empfiehlt der „Stern-Stiglitz-Bericht” (2017), der einen Korridor von Bezugswerten für Klimamaßnahmen definiert, solche Werte in die Finanzinstrumente zu integrieren. Wird der Wert der CO2-Emissionen, die mittels grün finanzierter Investitionen vermieden wurden, angerechnet und von der öffentlichen Hand garantiert, wird das Risiko dieser Investitionen gemindert und dadurch sinken die Finanzierungskosten.

CO2-BEPREISUNG

Die Festsetzung eines signifikanten CO2-Preises könnte die Umlenkung von privaten Finanzmitteln in Richtung CO2-armer Investitionen beschleunigen. Frankreich setzte sich 2016 in der EU für eine energische Reform des Emissionshandels ein. Mittels eines Preiskorridors sollte das Marktpreissignal ausreichend verstärkt werden, um CO2-arme Investitionen in der Industrie auszulösen.

Auf nationaler Ebene hat Frankreich in dem Energiewendegesetz von 2015 eine ehrgeizige Entwicklung der CO2-Steuer festgeschrieben, die von 30,5 Euro pro Tonne im Jahr 2017 im Jahr 2020 auf 56 Euro pro Tonne und im Jahr 2030 auf 100 Euro pro Tonne steigen soll. Die CO2-Steuer betrifft hauptsächlich diffuse CO2-Emissionen im Privatverkehr und Wohnungssektor. Diese Langzeitentwicklung muss nun auf eine glaubwürdige Basis gestellt werden, damit Haushalte und Unternehmen mit entsprechendem Vertrauen in die Stabilität der Preisentwicklung investieren können.

FAZIT: LANGFRISTIGEN INVESTITIONEN EINEN GESELLSCHAFTLICHEN WERT GEBEN

Transparenz der Umweltrisiken, Reporting der Zwei-Grad-Celsius-Portfolios, neue Ansätze für die Finanzregulierung, klare Definition der grünen Investitionen, CO2-Pricing und das Finanz-Engineering sind erforderliche Elemente, um das Finanzsystem neu auszurichten. All diese Elemente haben zum Ziel, langfristige Investitionen für den Kampf gegen Klimawandel umzulenken. Dadurch sollen sie einen gesellschaftlichen Nutzen erhalten. Das bedeutet, dass private Finanzmittel im Einklang mit den großen öffentlichen Investitionsprojekten mehr oder weniger direkt in Richtung dekarbonisierte Projekte gelenkt werden. Ohne staatliche Beteiligung bei der Klärung der Kursrichtung und der zu erreichenden Werte werden auch alle weiteren Investitionen seitens der Zentralbanken oder neue Investitionsanreize keine dauerhafte wachstumsfördernde Wirkung haben.

ÜBER DEN AUTOR

Baptiste Perrissin Fabert ist Spezialist für Klimafinanzierung bei France Stratégie.

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6. Juli 2017
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland