Editorial
Bestürzt und entsetzt verfolgen wir in der Konrad-Adenauer-Stiftung im Frühjahr 2022 die Ereignisse in der Ukraine, und unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei den Menschen vor Ort. Die Aggression Russlands ist nicht nur ein Angriff auf die Ukraine, sondern auch ein Angriff auf unsere europäische und internationale Ordnung; nicht zuletzt stellt sie unsere Arbeit in Russland und in der gesamten Region infrage. Es herrscht nun wieder Krieg in Europa – zu viele Verantwortliche in Politik und Gesellschaft haben zu lange die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts mit autokratischen Systemen verdrängt und die Realitäten durch Wunschdenken ersetzen wollen.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat seit 1994 ein Auslandsbüro in Kiew; seit 2017 zusätzlich auch in Charkiw in der Ostukraine. Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben wir rechtzeitig zurück nach Deutschland geholt. Auch für unsere Ortskräfte, um die wir uns sorgen, ergreifen wir unterstützende Maßnahmen. Unsere Expertinnen und Experten analysieren und begleiten die aktuellen Entwicklungen auf unseren digitalen Kanälen, mit Interviews und Gastbeiträgen in der Tagespresse und eigenen Publikationen und Veranstaltungen. Darüber hinaus evaluieren wir beständig, wie sich die aktuellen Ereignisse auf unsere Büros und unsere Arbeit in anderen relevanten Ländern auswirken.
Dieser Jahresbericht wurde unmittelbar vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine fertiggestellt. Deshalb, und weil es sich dabei um einen Rückblick auf das Jahr 2021 handelt, setzen wir in diesem Bericht andere Schwerpunkte. Doch schon seit einiger Zeit nimmt der Druck auf liberale Demokratien zu. Mit Russlands aggressiver Außenpolitik und Chinas Aufstieg sieht sich das westliche Bündnis wieder mit strategischen Herausforderern konfrontiert; wir befinden uns längst in einem geopolitischen Wettbewerb. Wie wichtig, aber auch schwierig die internationale Kooperation und Abstimmung zwischen Partnern und Verbündeten ist, haben die dramatischen Bilder der gewaltsamen Machtübernahme der Taliban nach dem einseitigen Rückzug der US-amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan gezeigt. Wir sind besonders dankbar dafür, dass es uns gelungen ist, unsere Ortskräfte aus Afghanistan, wo die Konrad-Adenauer-Stiftung seit 2002 ein Büro unterhielt, zu evakuieren und schließlich nach Deutschland zu bringen. Wir sehen es als unsere Verantwortung, uns auch weiterhin für unsere Kolleginnen und Kollegen einzusetzen und ihre Integration zu unterstützen.
In Deutschland werden die Bilder der Verwüstung in den überfluteten Gebieten im Sommer in Erinnerung bleiben und die Eindrücke des zweiten von der Coronapandemie bestimmten Jahres. Schließlich fand eine Bundestagswahl statt, die der Union nach einer langen Regierungszeit ein dramatisch schlechtes Ergebnis einbrachte. Das Wahlergebnis zeigt: Die Bereitschaft der Wählerinnen und Wähler, unterschiedliche Parteien zu wählen, hat erheblich zugenommen und ist zu einem wahlentscheidenden Faktor geworden. Das belegen auch Studien der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Unsere Schwerpunktthemen – Sicherheit, Innovation sowie Repräsentation und Partizipation – haben sich gerade auch vor dem Hintergrund der Pandemie weiter als hochaktuell erwiesen. Wir gehen davon aus, dass sie auch im Jahr 2022 nicht an Relevanz verlieren werden.
Gemäß unseres Selbstverständnisses als Seismograf für neue gesellschaftliche und politische Entwicklungen ist unsere Arbeit einem ständigen Wandel unterworfen. Wir hinterfragen uns regelmäßig. Dazu dient auch das Fellowship der Konrad-Adenauer-Stiftung. Als erster Fellow hat der renommierte Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi uns wichtige Impulse gegeben.
Ein weiteres zentrales Thema, das unsere Arbeit im Jahr 2021 begleitet hat, war jüdisches Leben in Deutschland. Es ist beschämend, dass es in Deutschland noch immer einen virulenten Antisemitismus gibt, der gerade in der jüngsten Zeit wieder deutlich zutage tritt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat daher ihre Bemühungen, aufzuklären und Haltung zu vermitteln, nicht nur fortgesetzt, sondern intensiviert. So widmete sich die alljährliche Festveranstaltung am Tag der Deutschen Einheit, das Bonner Forum, in diesem Jahr dem jüdischen Leben in Deutschland, unter Mitwirkung von Dr. h. c. Charlotte Knobloch, die auch Mitglied unseres Kuratoriums ist. Die Coronapandemie hat uns vor Augen geführt, wo Schwachstellen und strukturelle Probleme liegen, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Vieles geht zu langsam, zu viele sind zuständig, in Krisen wirkt vieles unvorbereitet und bei der Digitalisierung hinken wir hinterher. Das weitgehend einhellige Fazit lautet, dass der deutsche Staat umfassend modernisiert werden muss. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat daher Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft gebeten, unter Vorsitz von Dr. Thomas de Maizière konkrete und praxisorientierte Vorschläge für eine Modernisierung des deutschen Staates zu erarbeiten. Die Expertinnen- und Expertengruppe hat ein Thesenpapier mit Modernisierungsimpulsen für einen handlungsfähigen deutschen Staat pünktlich zu Beginn der neuen Legislaturperiode vorgestellt.
Ausdrücklich wollen wir uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr Engagement bedanken, den Mitgliedern unserer Gremien für die konstruktive Zusammenarbeit, den Förderinnen und Förderern des Freundeskreises, den Spenderinnen und Spendern, Sponsorinnen und Sponsoren sowie Partnerinnen und Partnern für ihre Unterstützung. Wir werden weiterhin alles daransetzen, dem darin zum Ausdruck gebrachten Vertrauen gerecht zu werden. Wir hoffen und wir freuen uns auf Ihre Unterstützung.