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Länderberichte

Ende des politischen Stillstandes in Kambodscha

von Denis Schrey, Helen Ludwig

Einigung zwischen CPP und der CNPR

Nach knapp einem Jahr des politischen Stillstandes einigen sich die führende Kambodschanische Volkspartei CPP (Cambodian People´s Party) sowie die oppositionelle kambodschanische Rettungspartei CNRP (Cambodia National Rescue Party) auf umfassende Reformen und schaffen damit die Grundlage für das Ende des politischen Boykotts.

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Nach den letzten Parlamentswahlen im Juli 2013 weigerte sich die CNRP die 55 der 123 ihr zugesprochenen Sitze in der Nationalversammlung zu besetzen. Grund hierfür waren die Vorwürfe der Opposition, die Wahlen seien nicht unabhängig gewesen und die Arbeit des Wahlausschusses weitgehend von der CPP beeinflusst worden. Seither boykottierte die CNRP die Nationalversammlung, veranstaltete zahlreiche Demonstrationen – die nicht selten mit Gewaltausbrüchen endeten – und verlangte eine Reformierung des nationalen Wahlausschusses (NEC).

Den endgültigen Kompromiss erreichten nun überraschend die beiden Parteivorsitzenden Hun Sen (CPP) und Sam Rainsy (CNRP) am 22. Juli in einem 5-stündigen persönlichen Gespräch.

Beide Parteien einigten sich auf eine Neubesetzung des nationalen Wahlausschusses, der Schaffung eines 10. Parlamentsausschusses, sowie vorgezogene Neuwahlen.

Der Streit um Detailregelungen zu den Verfahren des Wahlausschusses

Zur Neubesetzung des NEC werden beide Parteien jeweils vier Ausschussmitglieder bestimmen, während ein weiteres, unparteiliches Ausschussmitglied unter Konsens beider Parteien ernannt werden soll.

Bei unveränderten Abstimmungsregeln innerhalb des NEC – derzeit reicht die absolute Mehrheit um Entscheidungen durchzusetzen – stellt die Wahl eines unparteilichen 9. Mitglieds ein entsprechend sensibles und wichtiges Thema dar. Bisher war der Wahlausschuss von der Regierung mit Premierminister Hun Sen nahestehenden Persönlichkeiten besetzt und wurde von der Opposition und der Zivilgesellschaft daher weder als unabhängig noch als neutral angesehen.

Pung Cchiv Kek, Vorsitzende und Gründerin der in Kambodscha ansässigen NGO LICADHO (Cambodian League for the Promotion and Defense of Human Rights) wurde bereits wenige Tage nach der Einigung vom 22. Juli, für diese Position öffentlich von beiden Parteien favorisiert. Kurz zuvor hatte die CNRP bekannt gegeben, dass ihre Parlamentarier nur dann ihr Abgeordnetenmandat ausüben würden, wenn die Details der NEC Reform abschließend beschlossen seien.

Pung Chhiv Kek selbst gab wenige Tage später in einem Brief an beide Parteien bekannt, dass sie die Position als 9. unabhängiges Mitglied nur unter folgenden Bedingungen annehmen würde:

  • Die NEC müsse die finanzielle Selbstverwaltung (inklusive der Annahme von Geldern anderer (ausländischer) Organisationen) innehaben.
  • Die Unabhängigkeit der Entschei-dungen müsse gewährleistet sein.
  • Die Immunität der Mitglieder müsse garantiert sein.
Diese Konditionen wurden von Seiten der CNRP sofort anerkannt, jedoch nur zögerlich seitens der CPP kommentiert. Insbesondere der Punkt der Freiheit vor Strafverfolgung sorgt für Uneinigkeit. Fragen der Unabhängigkeit seien kein Bestandteil der Verhandlungen gewesen und darüber hinaus würde Immunität, auch international, nur Mitgliedern der Legislative und Botschaftern gewährt, kommentierte die CPP. Eine Ausweitung der Immunität auf Mitglieder eines Wahlausschusses entspräche also nicht den internationalen Standards.

Man einigte sich schließlich darauf, dass diese wichtigen Fragen erst in einem Gesetz zur Funktion und Organisation des Wahlausschusses ausgearbeitet würden.

Des Weiteren stimmte die CPP dem Vor-schlag der CNRP zu, die nächsten Parlamentswahlen vorzuziehen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine symbolische Geste der Regierung, da die Vorverlegung der Wahlen um einige Monate sich vermutlich nicht positiv auf die Chancen der Opposition auswirken wird.

Einverständnis wurde ebenfalls über eine Umverteilung der Besetzung der Parlamentsausschüsse zugunsten der CNRP, sowie die Einrichtung eines zusätzlichen Anti-Korruptionsausschusses unter Vorsitz der CNRP erzielt. Beide Parteien werden nun jeweils 5 Ausschussvorsitzende der 10 Parlamentsausschüsse stellen. Hierzu wurde der Artikel 15 der Verfassung bei der ersten gemeinsamen Parlamentssitzung am 07.08.2014 geändert.

Trotz grundsätzlich positiver Bewertung der Einigung durch den CNRP Parteivorsitzenden Sam Rainsy und andere Parteimitglieder sowie unabhängige Experten und das diplomatischen Corps wurden auch kritische Stimmen laut.

Diese werfen der CNRP einen taktischen Fehler vor. So befürchten zum Beispiel der Direktor von Human Rights Watch Asia, Brad Adams, die Nichteinhaltung der Vereinbarung seitens der CPP und damit die systematische Schwächung der CNRP durch ihren dann indirekten Beitrag zu einem korrupten System.

Am 05.08. 2014 um 16 Uhr vereidigte König Norodom Sihamoni die 55 gewählten Abgeordneten der CNRP. Kurz darauf ließ Hun Sen die Absperrung zum Freedom Park, der seit gewaltsamen Ausschreitungen mit tödlichem Verlauf im Januar nicht betreten werden durfte, demontieren. Damit löste er das bis dahin von der Regierung per Dekret verhängte Demonstrationsverbot zunächst symbolisch auf.

Bewertung und Ausblick

Kurzfristig bedeutet die Vereidigung der Oppositionsmitglieder zunächst eine Rückkehr zur politischen Normalität und Entspannung. Hun Sen war die Frustration über die Tatsache anzumerken, dass das Einparteienparlament kaum Rückhalt und Legitimität in der Öffentlichkeit und bei der Internationalen Gemeinschaft besaß.

Für die CNRP hängt nun viel davon ab, wie sie sich im Parlament zu den anstehenden gesellschaftspolitischen Fragen positioniert. Fraglich bleibt auch, ob es ihr gelingt, sich in den staatlich kontrollierten Medien für ihre Positionen und Forderungen politisch Gehör zu verschaffen.

Der jungen Oppositionspartei fehlt noch eine klare, in sich kohärente programmatische Ausrichtung, die ihr bisheriges Image als Protestpartei korrigiert und Grundlage für die Entwicklung von klaren alternativen Positionen und Politikoptionen ist.

Daneben wird es von besonderer Relevanz sein, inwiefern es der Opposition nun gelingt mit ihren Forderungen zur Überarbeitung der Geschäftsordnung des Parlaments ihre eigene Stellung im parlamentarischen Prozess zu stärken. Die Organisation wöchentlich stattfindender, öffentlicher Expertenanhörungen der Ausschüsse, die Erlaubnis der Ernennung und Bildung einer eigenen Fraktion mit Oppositionssprecher, sowie die Verbesserung der Anhörungs- und Rederechte gegenüber der Regierung sind nachvollziehbare Anliegen.

Diese gegenüber den Interessen der Regierung durchzusetzen, könnte zum nächsten Lackmustest für die Opposition werden.

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