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Bundesarchiv, B 145 Bild-P047648 / Foto: Georg Munker

Zeitgeschichte AKTUELL

75 Jahre Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

von Prof. Dr. Horst Möller

Wie aus einem Provisorium eine der stabilsten demokratischen Verfassungsordnungen wurde

Eine Verfassungsordnung allein kann die Demokratie nicht dauerhaft retten, wenn sich die Bevölkerung nicht mehrheitlich an einem demokratischen Grundkonsens orientiert. Das zeigte das Scheitern der Weimarer Republik. Welche Lehren die Väter und Mütter des Grundgesetzes aus dieser Erfahrung zogen, analysiert der Historiker Horst Möller in der neuesten Ausgabe Zeitgeschichte Aktuell.

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Auf einen Blick

  • Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz. Der Begriff wurde gewählt, weil man die Bezeichnung „Verfassung“ für den als Provisorium angesehenen westdeutschen Teilstaat vermeiden wollte. Das Grundgesetz steht trotz wesentlicher Innovationen in der verfassungsgeschichtlichen Tradition Deutschlands.
  • Die am 19. November 1919 in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung ist zentrales Bindeglied in der verfassungspolitischen Kontinuität Deutschlands und war für die Beratungen des Parlamentarischen Rats 1948/49 ein wichtiger Bezugspunkt.
  • Angesichts der extremen innen- und außenpolitischen Rahmenbedingungen war die Weimarer Reichsverfassung eine herausragende verfassungspolitische Leistung. Sie konnte die nationalsozialistische Machtergreifung aber nicht verhindern. Allerdings hätte die Verfassung unter „normalen“ politischen Bedingungen durchaus funktionieren können. Zudem kann eine Verfassungsordnung allein Demokratien nicht dauerhaft retten, wenn die Wahlbevölkerung sich nicht mehrheitlich an einem demokratischen Grundkonsens orientiert.
  • Der Parlamentarische Rat entschied sich 1948/49 für ein konsequent repräsentatives und parlamentarisches System: Die plebiszitären Elemente der Weimarer Verfassung entfielen, die Kompetenzen des Bundespräsidenten wurden reduziert, die des Bundestages und des Bundeskanzlers gestärkt.
  • 1990 plädierte die Mehrheit der verantwortlichen Politiker für den Beitritt der DDR zum Grundgesetz anstelle einer neuen Verfassung, weil sich das Grundgesetz zum einen hervorragend bewährt hatte, zum anderen der zeitliche Spielraum für die Wiedervereinigung gering war.
  • Das Grundgesetz wurde bisher über 60-mal geändert. In der Regel handelte es sich um zwangsläufige Anpassungen an sich wandelnde politische Rahmenbedingungen. Dazu zählen die Gründung der Bundeswehr und der Beitritt zur NATO 1955, die Wiedervereinigung 1990 und die Europäisierung der deutschen Politik. Allerdings ist bei allen Änderungen Vorsicht geboten: Es dient der Autorität einer Verfassung nicht, wenn Vorschriften, die in einfachen Gesetzen ausreichend geregelt werden können, Verfassungsrang erhalten.
  • Insgesamt ist es für die Erhaltung der Machtverteilung einer Verfassungsordnung notwendig, dass jedes Verfassungsorgan seine Kompetenzen wahrnimmt und kein Machtvakuum entsteht. Essenziell ist die Erhaltung des vom Parlamentarischen Rat geschaffenen repräsentativen Systems, das jedoch immer wieder durch systemwidrige Aktivitäten gefährdet wird.
  • Trotz partiell kritisierbarer Entwicklungen ist das Grundgesetz eines der seltenen Beispiele, wie aus der (Verfassungs-)Geschichte gelernt werden kann. Es hat sich in 75 Jahren hervorragend bewährt und zählt weltweit zu den stabilsten demokratischen Verfassungsordnungen.

 

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