Am 8. September lud die Konrad-Adenauer-Stiftung Bremen zu einer Veranstaltung mit Extremismusforscher Prof. Dr. Eckhard Jesse zum Thema „Haben wir in Deutschland einen antiextremistischen Konsens?“ ein.
In der thematischen Einführung zum antiextremistischen Konsens in Deutschland warf Ralf Altenhof, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Bremen, die Frage auf, ob es in Deutschland noch eine ausreichende Abgrenzung zu allen drei Extremismusformen – Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus – gebe. Anschließend begrüßte Altenhof Prof. Eckhard Jesse auf dem Podium. Jesse war Professor für Politikwissenschaft in Chemnitz bis 2014 und war von 2007 bis 2009 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft. Außerdem ist er Gründer und (Mit-) Herausgeber des Jahrbuchs Extremismus und Demokratie seit 1989. Er war in beiden NPD-Verbotsverfahren Gutachter beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
In seinem Vortrag gab Jesse einen Überblick über den politischen Extremismus und antiextremistischen Konsens in Deutschland. Dabei skizzierte er aktuelle Entwicklungen und Debatten dazu und bewertete diese wissenschaftlich sowie politisch. So warnte Jesse davor, nur auf eine Extremismusform zu achten, wie es etwa der vielfach beschworene Antifaschismus tue. Statt der Verwendung des Begriffs Antifaschismus – der explizit nur eine Extremismusform adressiert – stellt für Jesse der antiextremistische Konsens, der alle antidemokratischen Strömungen erfasst, den richtigen Begriff dar.
Die vergleichende Extremismusforschung nimmt im Sinne des antiextremistischen Konsenses alle Formen des Extremismus in Blick. Durch diese vergleichende Forschung können wissenschaftliche Erkenntnisse gesammelt werden, ohne Extremismusformen gleichzusetzen. Mit dem Konzept der Äquidistanz sei gemeint, bei Betrachtung von politischem Extremismus nicht mit zweierlei Maß zu messen. Dadurch wird, so Jesse, nicht nur der Vergleich von Islamismus, Rechts- und Linksextremismus möglich, sondern auch das Identifizieren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, beispielsweise zwischen Programmatik und Praktik, innerhalb einer Extremismusform. Der Extremismusexperte erklärte die Äquidistanz darüber hinaus anhand des Hufeisen-Modells, welches die zeitgleiche Nähe und Distanz von Extremisten visualisiere. Für die heutige Zeit kritisierte Jesse die Abkehr vom antiextremistischen Konsens in der Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und in den Medien. In der Judikative sei er noch am stärksten verankert. Jesse betonte, dass jedoch keine Extremismusform besser werde mit dem Verweis auf eine andere und dass ein Freund-Feind-Denken dem demokratischen Verfassungsstaat nicht angemessen sei. Politisch bedeute die Abkehr vom antiextremistischen Konsens folgendes: Je stärker die AfD, desto schwächer der antiextremistische Konsens und je schwächer der antiextremistische Konsens, desto besser für die Linke.
Im Podiumsgespräch mit Altenhof plädierte Jesse dafür, sich zwar klar von Extremisten abzugrenzen, sie aber nicht auszugrenzen. Die streitbare Demokratie sei stark genug, um extremistische Positionen auszuhalten. Als klarer Grundsatz gelte dabei aber: Keine Freiheit zur Abschaffung der Freiheit. Darüber hinaus glaubt Jesse nicht an ein AfD-Verbotsverfahren, da dieses zum einen zu einer stärkeren Radikalisierung der AfD führe, da gemäßigtere Personen durch die Forderung eines Verbotsverfahren abgeschreckt würden. Zum anderen würde sich ein Parteiverbotsverfahren über Jahre hinziehen und könnte an den hohen Hürden des Bundesverfassungsgerichts scheitern, was wiederum letztlich der AfD nützen würde. Jesse empfahl den Parteien stattdessen dafür, die politischen Probleme zu adressieren, die die AfD stark gemacht hätten.
Zum Ende der Veranstaltung und nach Beantwortung einiger Fragen aus dem Publikum, resümierten Jesse und Altenhof, dass ein antiextremistischer Konsens unverzichtbar für den Schutz der Demokratie sei und daher in Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und in den Medien wieder stärker gelebt werden sollte.
Autorin: Anna Prigge
Topics
Provided by
Politisches Bildungsforum BremenAbout this series
The Konrad-Adenauer-Stiftung, its educational institutions, centres and foreign offices, offer several thousand events on various subjects each year. We provide up to date and exclusive reports on selected conferences, events and symposia at www.kas.de. In addition to a summary of the contents, you can also find additional material such as pictures, speeches, videos or audio clips.