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Washington: Reaktionen in den USA auf die Parlamentswahlen in Spanien

von Franz-Josef Reuter
„José Luis Zapatero, der künftige Regierungschef Spaniens, hat Klartext gesprochen – vielleicht das letzte Mal und noch bevor er sein Amt dann wirklich antritt. Die Folgen der Wahl in Spanien könnten dramatischer nicht sein: Spanien wechselt die Fronten – die europäische Gefolgschaft von George Bush schrumpft, und nach Spanien denken jetzt auch andere Länder, sogar Berlusconis Italien, laut darüber nach, ob der Krieg ein Fehler war.“

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Mit diesen aufrüttelnden Worten an die eigene Regierung beginnt u.a. der Leitartikel der Washington Post vom vergangenen Wochenende. Im Wahlerfolg der Sozialisten habe sich mehr als nur der spontane Volkszorn auf die Regierenden entladen. Der Miami Herald stellt fest, die Wahl in Spanien habe noch mehr zu Tage treten lassen: die souveräne Reaktion eines Volkes auf systematische Manipulation der Medien durch die regierende Partei. Was da langsam bekannt werde, an direkten Interventionen des Regierungschefs bei Zeitungen, Nachrichtenagenturen und Fernsehanstalten, erinnere mehr an Lateinamerika als an ein pluralistisches Staatssystem mit freier Presse in Europa. Man müsse auch daran erinnern, daß Noch-Ministerpräsident Aznar seine Irak-Politik gegen die Mehrheit der öffentlichen Meinung exekutiert habe – auch das hätten die Wähler seiner Regierung jetzt heimgezahlt, so die einflußreiche Zeitung aus dem US-Sonnenstaat Florida. Die New York Times geht noch einen Schritt weiter und bescheinigt den Spaniern, ihre Freiheit genutzt zu haben, beachtlich für ein Volk, welches erst 1986 mit seinem EU-Beitritt wieder in die Gemeinschaft der europäischen Demokraten eingekommen sei. Für Washington sei der Wahlsonntag in Spanien ein Alarmsignal. Bush‘s Gefolgschaft in Europa bröckele. Und im eigenen Land würden ihm immer mehr Menschen den transatlantischen Riss übelnehmen.

Präsident Bush versucht indes entgegen zu steuern, zum Beispiel mit der Ankündigung, am EU-Gipfel Ende Juni in Irland teilzunehmen. Plötzlich werde es für Präsident George W. Bush wichtig, mit auf dem Bild zu sein, wenn das vereinte Europa sich treffe. Dabei gehe es nicht mehr um die Bewältigung atmosphärischer Störungen, wie im deutsch-amerikanischen Verhältnis- es gehe vielmehr um tiefgreifende konzeptionelle Differenzen, wie es im Irak weitergehen könne, so der Kommentar des demokratischen Senators und außenpolitischen Experten Joseph Biden. Chuck Hagel, einflußreicher Senator der Republikaner aus Nebraska, und nicht unbedingt ein Bush-Fan, verweist darauf, daß auch für Washington die Kriegsbilanz mittlerweile zum Alptraum werde. Hagel wörtlich: „Sicher, und vielleicht machen die Nachrichten darauf zu wenig aufmerksam, es gibt heute im Irak Gegenden, in denen täglich Schulen eröffnet werden. Und wer würde ein Argument gegen den Satz finden, die Welt sei ohne Saddam Hussein sicherer als mit ihm. Nur aus dem Irak ist, wie die Kriegsgegner befürchten, ein unkontrollierbarer Unruheherd geworden“. Der frühere amerikanische Sicherheitsberater Zbgniew Brzezinski ist noch klarer: Die Besatzungsmacht könne keine Sicherheit garantieren. Es sei fast tragisch, Bush habe für seine Behauptung von den Massenvernichtungswaffen des Diktators Saddam Hussein ebenso wenig Beweise liefern können, wie für die Verbindung zwischen Irak und Al Kaida. Aber heute bestehe wohl kein Zweifel an der Präsenz islamischer Terroristen. Daß diese über Waffen verfügen, würde jeden Tag neu bewiesen. Amerikas Strategie werde immer problematischer. Aber die Kriegsgegner –so Brzezinski - könnten sich dennoch nicht selbstgewiss zurückziehen. Man dürfe den gefährlichsten Krisenherd der Welt nicht sich selbst überlassen.

Das Editorial der New York Times fordert, in ähnlichem Atemzuge, eine gemeinsame Standortbestimmung, die nötig sei, eine gemeinsame Strategie Europas und Amerikas zu entwickeln, um die Landbrücke zwischen Europa und Asien, den Welt-Öl-Lieferanten Nummer Eins, wieder zu befrieden. Dazu brauche es politischer Instrumente, aber sicher auch eines Bekenntnisses, zu militärischer Präsenz. Der internationalen Gemeinschaft verbleibe nur noch wenig Zeit, einen Zeitplan zu entwickeln, um die Aufgaben der UNO, einer irakischen Regierung und weiterer notwendiger ausländischer Truppen zu definieren.

Auch der außenpolitische Guru Henry Kissinger meldet sich per Talkshows zu Wort und befindet, daß die Drohung des designierten spanischen Regierungschefs, die 1300 spanischen Soldaten abzuziehen, ins Leere gehe. Washington suche längst einen Weg, amerikanische Soldaten zurückzuziehen und die Last im Irak auf viel mehr Schultern zu verteilen. Nach Kissinger sei eine Friedenkoalition von Nöten. Der Schlüssel zum Erfolg für den Frieden und eine Eindämmung des Terrors sei nicht nur im Irak zu finden. Der Nahost-Konflikt sei für die arabische Welt von enormer symbolischer Bedeutung. Keinen Milimeter sei die internationale Gemeinschaft in den letzten Monaten auf der „Road Map“, zu einer Lösung zwischen Israel und den Palästinensern, vorangekommen. Hier müsse mehr geschehen, mahnt Henry Kissinger an, und hier könne Europa schon heute viel mehr Initiative zeigen. Kissingers Vorhersage: Die Spanier werden im Irak bleiben. Aber nicht alleine. Wer wisse schon, wer sich alles beteiligen werde, wenn die UNO die NATO und die Welt um Hilfe bitten. Europa und Amerika müßten wieder zusammenfinden.

Bush: Differenzen mit Verbündeten beenden – Amerika läßt sich nicht einschüchtern

Zum Jahrestag der Irak-Invasion hat US-Präsident Bush die Differenzen mit den Gegnern des Krieges für beendet erklärt und zur Geschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus aufgerufen. „Wir werden uns der Gewalt einiger weniger nicht beugen“, sagte Bush am vergangen Freitag in Washington. Nach den Worten des US-Präsidenten gehörten die Meinungsverschiedenheiten über den Irak-Krieg der Vergangenheit an. Alle könnten nunmehr darin übereinstimmen, daß der Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein eine „Quelle der Gewalt, der Aggression und Instabilität im Nahen Osten beseitigt“ habe. In seiner Rede vor Vertretern aus 84 Staaten, die die USA im Irak-Krieg unterstützen, bekräftigte der Präsident zudem die Entschlossenheit, im Kampf gegen der Terrorismus nicht nachzulassen. Der Hass der Terroristen könne nicht durch Zugeständnisse besänftigt werden, sagte Bush. Jedes Zeichen von Schwäche und Rückzug komme einer Bestätigung von Terrorismus gleich und lade zu noch mehr Gewalt ein. Die USA würden den Irak bei dessen Bemühungen um eine Demokratisierung nicht im Stich lassen, betonte Bush.

Nach den Worten von US-Außenminister Colin Powell in einem CNN-Beitrag, werde sich Amerika nicht einschüchtern und abbringen lassen von dem eingeschlagenen Weg, der da heiße, Aufbau von Normalität, Übergabe und Verantwortung an die Iraker noch zu Mitte dieses Jahres. Es dürfe jetzt keinesfalls der Eindruck entstehen, die westliche Welt weiche zurück. Powell hoffe, daß sich Spanien nach Erteilung eines UNO-Mandates weiter im Irak engagiere und nicht wie angekündigt, seine Truppen abziehe. Insgesamt sei die Lage im Irak weitaus besser als zu Zeiten von Präsident Saddam Hussein, meint der amerikanische Außenminister.

Auffallend spärlich fallen bislang die Reaktion von Senator John Kerry, Präsidentschaftskandidat der Demokraten, auf das Attentat in Madrid und dessen Folgen aus. Kerry bezichtigt Bush erneut, falsche Angaben über den Besitz von Massenvernichtungswaffen vor der Kriegsführung im Irak gemacht zu haben. Überdies habe es der Präsident versäumt, hinreichende internationale Unterstützung für die Invasion zu rekrutieren. „Vereinfacht gesagt, dieser Präsident hat von Anfang an nicht die Wahrheit zum Krieg im Irak gesagt“, ließ Kerry am Rande eines Kurzurlaubes in Colorado wissen. Gleichzeitig verwies Kerry darauf, er habe Anrufe von zahlreichen „World Leaders“ erhalten, die lieber ihn als zukünftigen Präsidenten im Weißen Haus sehen würden. Eine Antwort, wer denn diese „World Leader“ seien, blieb der demokratische Präsidentschaftskandidat indes schuldig.

Robert Kagan, Kolumnist für die Washington Post und derzeit für das Carnegie Endowment for International Peace als Senior Associate tätig, hebt mahnend den Zeigefinger und sieht in der jüngsten Entwicklung eine Gefahr für ein neuerliches Auseinanderdriften zwischen Europa und den USA. Al Kaida’s Strategie sei geradezu darauf angelegt, Europa und die USA noch weiter auseinander zu treiben. Es könne nicht sein, daß Europa sich den Bedingungen von Al Kaida unterwerfe, um im Gegenzug das vermeintliche Versprechen nach Sicherheit zu erhalten. Mit dieser Feststellung kritisiert Kagan ohne Umschweife klar die jüngsten Äußerungen von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der in einer Stellungnahme den Terrorismus noch mächtiger einstuft als vor einem Jahr. Nach Prodi könne Gewalt nicht als probates Mittel herhalten, den Konflikt mit dem Terrorismus zu lösen. Laut Kagan seien sowohl die USA, als auch Europa, mehr denn je aufeinander angewiesen, gemeinsam gegen den internationalen Terrorismus vorzugehen. Kagan wörtlich: „Wenn die Vereinigten Staaten nicht ohne Europas Hilfe gegen Al Kaida vorgehen können, ist es genauso elementar, daß Europa nicht ohne die Unterstützung der USA gegen Al Kaida bleiben darf!“ Wenn Europas Regierungschefs diese Formel verstünden, dann müßten sie und Bush realisieren, daß es höchste Zeit sei, die bereits angeschlagene transatlantische Gemeinschaft mit vereinten Anstrengungen vor dem Kollaps zu bewahren.

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