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Veranstaltungsberichte

Expertengespräch zu 60 Jahre Mauerbau

Veranstaltungsbericht zur digitalen Veranstaltung am 13. August 2021

Sechzig Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer erinnerte die Konrad-Adenauer-Stiftung an dieses menschenverachtende Symbol der deutschen Teilung, das Familien auseinanderriss und vielen Menschen das Leben kostete.

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Am 13. August 1961 begann das SED-Regime in der DDR mit dem Bau der Berliner Mauer und zementierte mit diesem unmenschlichen Schritt im wahrsten Sinne des Wortes die Teilung Berlins, Deutschlands und Europas – für 28 lange Jahre. Mit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 wurde Berlin dann zum Symbol der Überwindung der Teilung der Nation und des Kontinents. Wie die Ereignisse des Jahres 1961 in der Rückschau zu bewerten sind und welche Konsequenzen sie für Menschen in Ost und West hatten, war Thema eines Expertengesprächs der Konrad-Adenauer-Stiftung zum 60. Jahrestag des Mauerbaus, das pandemiebedingt digital durchgeführt wurde.

Teilnehmer waren der langjährige Regierende Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen, der Dresdner Schriftsteller Thomas Rosenlöcher sowie der Historiker Dr. Jens Schöne, Stellvertretender Beauftragter des Landes Berlin für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Veranstaltung wurde moderiert von der Chefredakteurin der Berliner Morgenpost, Christine Richter.

Zum Auftakt und zum Abschluss der Veranstaltung trug Herr Rosenlöcher Auszüge aus seinem Werk vor. Der noch nicht publizierte Text „Berlinangst“ über die Erfahrungen, die er während seiner Kindheit mit der deutschen Teilung machte, bot einen guten Einstieg zur Frage Richters nach dem persönlichen Umgang der Teilnehmer mit dem Mauerbau und der deutschen Teilung. Rosenlöcher (Jahrgang 1947) empfand den Widerspruch zwischen den Aussagen seines regimekritischen Vaters und denen der staatlichen Autoritäten, wie seines Lehrers, als zentral und prägend für sein Leben in der DDR. Diepgen (Jahrgang 1941) erlebte als junger Erwachsener im West-Berliner Bezirk Wedding die Geschehnisse des Jahres 1961. Besonders eindrücklich war für ihn die Erfahrung als Werkstudent bei der Firma Siemens, wo nach dem Mauerbau plötzlich ein großer Teil der Belegschaft fehlte und ein vor Ort befindlicher Arbeiter aus Ost-Berlin mit sich rang, ob er zu seiner Familie auf der anderen Seite der Mauer zurückkehren solle oder nicht. In der Erinnerung des 1970 geborenen Schöne, aufgewachsen in Brandenburg, waren vor allem die 1980er Jahre biographisch relevant. Er habe damals das zunehmenden Gefühl eines politischen und gesellschaftlichen Stillstands gehabt.

In der historischen Einordnung der Ereignisse des Jahres 1961 bestand weitgehende Übereinstimmung: Vollkommen überraschend sei die Absperrung des Ostens nicht gekommen, wenn man etwa an die Lüge Walter Ulbrichts vom Juni 1961 denke, dass niemand beabsichtige, eine Mauer zu bauen. Aus Sicht vieler Berliner, so Diepgen, sei die westliche, besonders amerikanische Unterstützung damals als nicht ausreichend empfunden worden. Der nach Berlin entsandte US-Vizepräsident Lyndon B. Johnson sei zur Beruhigung gekommen, nicht um die Dinge gerade zu rücken. Den Maßnahmen der SED-Führung habe eine von den USA und der Sowjetunion im Grunde akzeptierte Abgrenzung der jeweiligen Interessensphären zugrunde gelegen, hob Schöne hervor. Die von der US-Regierung aufgestellten „three essentials“ in Bezug auf West-Berlin (Wahrung der Alliierten Besatzungsrechte inklusive Truppenpräsenz, Gewährung des freien Zugangs von und nach Berlin, Wahrung der Freiheit West-Berlins) wurden vom Mauerbau nicht tangiert. Vor diesem Hintergrund, so äußerten die Teilnehmer, bestand wegen Berlin auch keine erhöhte Kriegsgefahr. Vielmehr wollte die SED-Führung den Mauerbau mit diesem propagandistischen Argument rechtfertigen. Auch wenn diese Propaganda anfangs nicht ganz wirkungslos gewesen sei, so sei auch aus der Sicht eines größeren Teils der DDR-Bevölkerung bald deutlich geworden, so Rosenlöcher, dass ein Regime, das eine Mauer errichte, kein Zukunftsparadies mehr aufbauen könne. Für ihn wurde die Mauer zu einer Art „Klagemauer“, zu der er bei jedem Berlin-Besuch einen Gang unternahm.

Als das Thema Erinnerungskultur in den Mittelpunkt des Gesprächs rückte, stellte Schöne fest, die DDR-Geschichte im Allgemeinen und die Berliner Mauer im Besonderen würden zunehmend marginalisiert. Er lobte die hervorragende Arbeit der Stiftung Berliner Mauer, bedauerte aber, dass die Erinnerung an die Mauer darüber hinaus in Berlin kaum noch präsent sei. Es brauche neue Orte des Erinnerns. Konkret schlug er vor, das frühere Polizeigefängnis in der Berliner Keibelstraße, das am 13. August 1961 als Einsatzzentrale genutzt wurde, in einen Gedenkort umzuwandeln. Frau Richter äußerte ihre Verwunderung darüber, dass von Seiten des Berliner Senats kaum an den 60. Jahrestag des Mauerbaus erinnert werde. In diesem Zusammenhang mahnte Diepgen, dem 13. August 1961 dürfe es nicht so ergehen wie dem 17. Juni 1953, der als ein zentrales Datum der deutschen Freiheitsgeschichte heute fast vergessen sei. Vielmehr gelte es, die Erinnerung an den Mauerbau, die DDR-Diktatur und ihre Überwindung wachzuhalten. Es brauche mehr „Geschichtsbewusstsein zur Identitätsstiftung in Deutschland“, so das Fazit des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin.

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5. August 2021
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